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# taz.de -- Serienadaption von SciFi-Klassiker: Die politische Sprengkraft fehlt
> In „Kindred: Verbunden“ reist eine Schwarze 26-Jährige in die Zeit, als
> die Sklaverei in den USA noch nicht abgeschafft war.
Bild: Mallori Johnson als Dana
Es wirkt wie ein böser Traum: Die 26-jährige Dana (Mallori Johnson) hört
des Nachts an einem ihr unbekannten Ort ein [1][Baby] schreien, nähert sich
der Wiege und dreht es, um es vor dem Erstickungstod zu bewahren. Wenig
später steht sie in einem nur von Kerzen beleuchteten Flur zwei ihr ebenso
unbekannten Frauen gegenüber, die über das Neugeborene und sein Wohlergehen
sprechen. Als sie Dana erblicken, sehen sie in ihr ein Gespenst. Eine von
ihnen beginnt hysterisch zu schreien und rennt mit weit aufgerissenen Augen
auf sie zu.
Doch kurz bevor die Frau sie erreicht, erwacht Dana am Boden des nur karg
möblierten Hauses, das sie sich gerade gekauft hat. In der Nacht darauf
wähnt sich Dana erneut an einem fremd scheinenden Ort, diesmal ist es ein
Junge (David Alexander Kaplan), dessen Leben sie rettet, indem sie ihn aus
einem Fluss zieht.
Wie sich zeigt, ist es nicht nur dasselbe – nun um einige Jahre gealterte –
Kind, sondern auch dasselbe Anwesen wie aus dem ersten Intermezzo: [2][Eine
Plantage in Maryland], auf der um das Jahr 1815 [3][Sklaven] gehalten
werden. Für eine Schwarze Frau wie Dana sind die Südstaaten während des
Antebellum eine Löwengrube – weshalb sie sich immer wieder dorthin versetzt
sieht, ist Teil des großen Mysteriums im Zentrum von „Kindred: Verbunden“,
der achtteiligen Serie von Branden Jacobs-Jenkins.
## Von Albträumen geplagt
Liegt eine Art böser Fluch auf ihrem neuen Grundstück, das sie gerade erst
erwarb? Droht sie schlicht verrückt zu werden, so wie es ihre Mutter Olivia
(Sheria Irving) war, die vor einigen Jahren in einen tragischen Unfall
verwickelt gewesen ist? Oder wird sie von Albträumen geplagt, womöglich als
Folge eines transgenerationalen Traumas? Die Serie macht spannend, dass man
sich als Zuschauer nach und nach an die Wahrheit herantasten muss.
Immerhin, dass Dana tatsächlich auch physisch in die Zeit vor dem
Amerikanischen Bürgerkrieg katapultiert wird, kann ihr Kevin (Micah Stock)
recht schnell versichern. Der Mann, den sie auf einer Dating-App „matchte“,
wird Zeuge davon, wie sich Dana in Luft auflöst, wenn sie in die
Vergangenheit reist.
Schon beim nächsten Mal begleitet er sie unfreiwillig, und weitere Fragen
tun sich auf: Was genau löst die Zeitreisen aus? Warum hängt ihr Schicksal
offenbar mit dem Sohn von Sklavenhaltern zusammen? Und ist ihre Mutter
womöglich gar nicht tot, sondern ebenfalls in der Vorzeit gefangen?
## Stereotyp planloser Millennials
Als die erste populäre Schwarze Science-Fiction-Autorin Octavia E. Butler
das Szenario in ihrem gleichnamigen, 1979 erschienenen Roman ausbreitete,
spielte es ebenfalls eine große Rolle, diese Rätsel zu entwirren. Wichtiger
ist aber die Auseinandersetzung mit einer Schwarzen Frau der Gegenwart, die
mit dem Amerika vor dem Sezessionskrieg konfrontiert wird. Butler setzt
sich nuanciert mit dem Fortbestehen der Verknüpfungen von Rassismus und
Sexismus aus dem Damals bis ins Heute auseinander.
Doch die politische Stoßkraft ist in der Serienadaption von „Kindred:
Verbunden“ wenig zu spüren. Zwar versucht Branden Jacob-Jenkins die Brisanz
des Originals aufrechtzuerhalten, indem er den in der Jetzt-Zeit
angesiedelten Strang nicht mehr in den 1970ern, sondern im Jahr 2016
verortet. Allerdings beschränkt er sich dabei auf klischeebeladene
Vorstellungen.
Wo Butler in der Vorlage mit Dana und Kevin ein langjähriges Paar
unterschiedlicher Ethnie in den Fokus rückte, deren Ehe erst zehn Jahre vor
dem Zeitpunkt der Handlung in den USA vollständig legalisiert wurde, ruht
sich Branden Jacob-Jenkins auf Gemeinplätzen über das junge urbane Milieu
aus. Etwa wenn er mit Dana und Kevin das Stereotyp planloser Millennials
und die Beliebigkeit des Online-Datings behandelt und dem Geschehen so
einen fragwürdigen „Rom-Com“-Beiklang verleiht.
Relevantere Themen wie Diskriminierung durch die Polizei sind nur über
einen Fingerzeig eingebunden. Der Rassismus der weißen Mittelschicht
wiederum wird ungalant über eine neugierige Nachbarin (Brooke Bloom), ein
fleischgewordenes „Karen-Meme“, abgefertigt. Während das Buch ein Wagnis
war, ist die Serie vor allem Unterhaltung.
## Entbehrungsreicher Alltag der Sklaven
Auch wenn sich „Kindred: Verbunden“ der Darstellung der Vergangenheit
widmet, sind es vor allem erwartbare Situationen, um die die Handlung
kreist. Als weißem Mann wird Kevin im Haushalt von den Plantagenbesitzern
Thomas (Ryan Kwanten) und Margaret Weylin (Gayle Rankin) Unterschlupf
gewährt, während Dana als seine vermeintliche Leibeigene ins Kochhaus
verbannt wird.
Durch ihre Augen taucht man in den entbehrungsreichen Alltag der Sklaven
ein. Allerdings verharrt die mitunter ins Soap-artige abgleitende Erzählung
zu sehr an der Oberfläche, um die Lebensumstände nachempfinden zu können.
Das zahme „Kindred: Verbunden“ kommt den Dynamiken in der versklavten
Gemeinschaft und ihren einzelnen Mitgliedern nie wirklich nahe. Und es
stellt sich außerdem die Frage, ab wann die ständige Wiederholung von
Bildern historischer Gräueltaten zu einer Trivialisierung des Schreckens
beiträgt. Das leichtfüßige, aber wohlmeinende „Kindred: Verbunden“
überschreitet diese Linie nur knapp nicht. Die Serie ist zwar sehenswert.
Trotzdem ist es bedauernswert, dass Octavia E. Butlers Text nicht
wirkmächtiger umgesetzt wurde.
26 Apr 2023
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## AUTOREN
Arabella Wintermayr
## TAGS
US-Sklaverei-Geschichte
Schwerpunkt Rassismus
Literatur
Science-Fiction
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USA
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Sklavenhandel
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