# taz.de -- Attentat auf israelische Sportler: 51 Jahre Verschweigen | |
> Innenministerin Nancy Faeser beruft eine historische Kommission. Sie soll | |
> ermitteln, was beim Olympia-Massaker 1972 wirklich passiert ist. | |
Bild: München, 6. September 1972: Die Trauerfeier als Farce | |
BERLIN taz | „Beschämend“ nennt Bundesinnenministerin Nancy Faeser [1][die | |
bisherige Aufarbeitung] des Olympiamassakers 1972 in München. Am Freitag | |
hat sie eine historische Kommission berufen, die sich um die Aufarbeitung | |
kümmert – inklusive „Deutschlands Rolle darin“. Acht Wissenschaftler und | |
Wissenschaftlerinnen aus Deutschland, Israel und Großbritannien sollen in | |
drei Jahren einen Bericht vorlegen. Begleitend führt das Institut für | |
Zeitgeschichte in München und Berlin ein Forschungsprojekt durch. | |
Am frühen Morgen des 5. September 1972 hatte ein palästinensisches | |
Terrorkommando das israelische Quartier im Olympischen Dorf gestürmt. Zwei | |
Athleten erschossen sie gleich zu Beginn, neun weitere kamen bei einem | |
dilettantischen Befreiungsversuch der Polizei auf dem Flughafen | |
Fürstenfeldbruck ums Leben. | |
Von dem, was und wie es damals geschah, ist tatsächlich [2][sehr vieles bis | |
heute unklar]. Darunter leiden vor allem die Angehörigen der elf | |
israelischen Olympiateilnehmer. „Ohne den Druck der Opferfamilien gäbe es | |
ja weder unsere Kommission, noch wäre der Fall überhaupt wieder aufgerollt | |
worden“, sagt die Göttinger Historikerin Petra Terhoeven der taz. „Sie | |
hatten ja jahrzehntelang nicht zu Unrecht das Gefühl, hingehalten und | |
belogen zu werden.“ | |
Obwohl sie bislang noch keine volle Akteneinsicht hatten, haben Historiker | |
und Journalisten bereits ermittelt, dass mindestens zwei Dutzend | |
Warnhinweise nicht berücksichtigt wurden. Terhoeven sagt jetzt: „Mit dem | |
Rückhalt des Innenministeriums und des Bundespräsidenten sollten wir alle | |
relevanten Quellen zu sehen bekommen.“ Dass palästinensische Terroristen | |
seit etwa 1968/69 mit Anschlägen aufgefallen waren, hatten die | |
Organisatoren ignoriert. Eine Spezialeinheit brauche man nicht, wurde | |
Münchens Polizeipräsident Manfred Schreiber zitiert, „denn die würde ja das | |
ganze Jahr über Schafkopf spielen“. | |
## Bei der Kurzvisite nur fünf Schützen beordert worden | |
Als das Kommando „Schwarzer September“ die Wohnung der Israelis gestürmt | |
hatte, begannen hektische Verhandlungen. Weil der damalige | |
Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher bei einer Kurzvisite dort nur | |
fünf Terroristen gesehen hatte, sollen auch nur fünf Polizeischützen zur | |
Befreiungsaktion nach Fürstenfeldbruck beordert worden sein. Das ist ein | |
Aspekt, den die Kommission ebenso prüfen wird wie Genschers Behauptung, | |
Israel habe es abgelehnt, mit Spezialkräften eine Befreiung zu versuchen. | |
Wahrscheinlich hat Bonn die Regierung in Jerusalem nie gefragt. | |
Erklärungsbedürftig bis heute ist auch, wie es während der Geiselnahme zu | |
Gesprächen der Terroristen mit DDR-Journalisten kam. Die standen auf dem | |
Balkon des DDR-Teams, das nahe dem israelischen einquartiert war. Beinahe | |
in Echtzeit übermittelten die drei detaillierte Informationen nach | |
Ostberlin, sodass die Stasi schon während der Geiselnahme besser informiert | |
war als die westdeutschen Behörden. | |
Bei der Aktion in Fürstenfeldbruck wurden fünf Terroristen erschossen und | |
drei festgenommen. Doch die waren wenige Wochen später wieder frei: Am 29. | |
Oktober 1972 kaperten Palästinenser eine Lufthansa-Maschine, drohten diese | |
zu sprengen, wenn nicht die drei aus bayerischen Gefängnissen freigelassen | |
würden. Bayerns Behörden veranlassten dies. | |
## Wussten die Behörden von der Entführung? | |
Schon elf Tage vor der Flugzeugentführung hatte Polizeipräsident Schreiber | |
in einem Brief an Bayerns Innenminister Bruno Merk über eine geplante | |
Abschiebung berichtet. Bis heute halten sich Gerüchte, die | |
Flugzeugentführung sei mit Wissen der Behörden inszeniert worden, damit die | |
Bundesrepublik sich dieses Problems entledigen könnte. | |
„Das ist für die israelische Seite natürlich ein besonders wichtiges | |
Thema“, sagt Terhoeven, die Gerüchte beträfen nicht nur die Bonner sondern | |
auch andere westeuropäische Regierungen. „Ich hoffe, dass wir der Wahrheit | |
mit unserer Arbeit ein gutes Stück näher kommen.“ Auch von anderen | |
Mitgliedern der historischen Kommission ist zu erfahren, dass die | |
mysteriöse Flugzeugentführung ein wichtiger Punkt ist. | |
23 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Muenchner-Olympia-Attentat-von-1972/!5929497 | |
[2] /Erinnerung-an-das-Olympia-Attentat-1972/!5873268 | |
## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
## TAGS | |
taz Leibesübungen | |
Olympia-Attentat in München | |
München | |
Nancy Faeser | |
Olympia-Attentat in München | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
Olympia-Attentat in München | |
Olympia-Attentat in München | |
Terroranschlag | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Olympia-Attentat München 1972: Offene Fragen zu LH-Flug 615 | |
Während der Olympiade ermordeten Terroristen elf israelische Sportler. Eine | |
Historikerkommission geht nun Hinweisen auf eine Verschwörung nach. | |
Gedenktag in Israel: Zoff um Gedenken an Gefallene | |
In Israel ist ein Streit über die Teilnahme von Politiker*innen am | |
Gedenktag für Gefallene entbrannt. Am Dienstag kam es zu Rangeleien und | |
Protest. | |
Münchner Olympia-Attentat von 1972: Faeser setzt Kommission ein | |
Wie mit den Angehörigen der Opfer des Olympia-Attentats vereinbart, beruft | |
die Innenministerin einen Experten-Kreis zur Aufarbeitung der Geschehnisse. | |
Olympia-Attentat in München 1972: Beschämend spät | |
Deutschland hat beim Olympia-Attentat von 1972 große Schuld auf sich | |
geladen. Dass nun Verantwortung dafür übernommen wird, ist lange | |
überfällig. | |
Olympia-Attentat 1972 in München: Streit um Entschädigung | |
1972 töteten Palästinenser in München elf Israelis. Nun will die | |
Bundesregierung die Angehörigen entschädigen. Doch die lehnen die | |
angebotene Summe als zu niedrig ab. |