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# taz.de -- Gedenktag in Israel: Zoff um Gedenken an Gefallene
> In Israel ist ein Streit über die Teilnahme von Politiker*innen am
> Gedenktag für Gefallene entbrannt. Am Dienstag kam es zu Rangeleien und
> Protest.
Bild: Auf einem Militärfriedhof in Jerusalem ertönen zum Gedenktag für die g…
Tel Aviv taz | Der diesjährige Gedenktag für gefallene Soldaten*innen
und Terroropfer dürfte einer der denkwürdigsten in der Geschichte Israels
sein. Normalerweise beschwört das Land an diesem Tag seine Einheit, Sirenen
heulen, Israel steht für einige Minuten still. An der Klagemauer und auf
dem Herzlberg in Jerusalem sowie auf Friedhöfen im ganzen Land versammeln
sich Angehörige von Gefallenen, Politiker halten Reden, Kränze werden
niedergelegt.
Doch von Einigkeit ist in diesem Jahr wenig zu spüren. Auf mehreren
Friedhöfen kam es am Dienstag zu Rangeleien zwischen Angehörigen von
Gefallenen und Sicherheitskräften. Auch Familien von Gefallenen gingen
aufeinander los.
In der Stadt Beer Sheva wurde ein Auftritt des rechtsextremen Ministers für
Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, von starken Sicherheitsvorkehrungen
begleitet. Seine Rede wurde immer wieder von Rufen wie „Du bist kein
Kämpfer, sondern ein Faschist“ unterbrochen.
Während einer Rede der Verkehrsministerin Miri Regev in Holon schallte ihr
„Schande!“ entgegen. Aus Protest sangen Anwesende die israelische
Nationalhymne. Im nördlichen Isfiya wurde [1][Geheimdienstministerin Gila
Gamliel] von Regierungskritiker*innen gehindert, den Friedhof zu
betreten.
Einige Politiker*innen hatten ihre Teilnahme an den Feierlichkeiten
auf den Friedhöfen bereits im Vorfeld abgesagt. Denn seit Wochen hatten
Angehörige von Gefallenen gefordert, dass in diesem Jahr keine
Politiker*innen zu den Gedenkzeremonien kommen und Reden halten.
Viele Angehörige nehmen nicht nur Anstoß daran, dass einige rechtsextreme
Politiker*innen Ansprachen halten sollten. Für sie steht im Zentrum,
dass viele auf den Rednerlisten selbst nicht in der Armee gedient haben –
etwa die Politiker der an der Regierungskoalition beteiligten
ultraorthodoxen Parteien sowie eine Reihe von religiös-zionistischen
Politiker*innen.
## Wehrdienst im Mai in der Knesset
Ohnehin wird der seit langem schwelende Streit über den Wehrdienst derzeit
besonders heftig ausgefochten. Eigentlich ist der Wehrdienst in Israel für
Männer und Frauen ab 18 Jahren obligatorisch. Ultraorthodoxe werden jedoch
durch eine Reihe von Regelungen vom Wehrdienst befreit, wenn sie nachweisen
können, dass sie in einer religiösen Schule die Tora und den Talmud
studieren. Religiöse Frauen erhalten automatisch eine Befreiung.
Aktuell versuchen die ultraorthodoxen Regierungsparteien erneut, ihre
Sonderstellung in Bezug auf den Militärdienst in die verfassungsähnlichen
Grundgesetze des Landes einzuschreiben. Derartige Vorstöße hat das Oberste
Gericht in der Vergangenheit unterbunden – für die Ultraorthodoxen einer
der zentralen Gründe, [2][mit der geplanten Justizreform die Macht des
Obersten Gerichts beschneiden zu wollen].
Doch die Frustration der Säkularen über die Ungleichbehandlung wächst.
„Gleichheit bei der Last“ fordern Regierungsgegner*innen und fordern
die Ultraorthodoxen auf, in der Armee zu dienen. Das von den
ultraorthodoxen Parteien vorangetriebene Gesetz soll im Mai in der Knesset
diskutiert werden. Die Parteien haben gedroht, die Regierung platzen zu
lassen, sollte es nicht verabschiedet werden.
## Schüsse auf Läufer
Die Gedenkfeierlichkeiten am Dienstag wurden von zwei Anschlägen
überschattet. Am Vormittag wurde bei einem mutmaßlichen Terroranschlag ein
28-jähriger Israeli durch Schüsse aus einem fahrenden Auto verletzt. Der
Mann war mit einer Gruppe von Läufern unterwegs, die an einem Lauf zum
Gedenktag teilnahmen. Am Vortag war ein mutmaßlicher Attentäter in eine
belebte Straße in der Nähe des Mahane Yehuda Marktes in Jerusalem gefahren
und hatte fünf Menschen verletzt, einen davon schwer.
Normalerweise schlägt die Trauerstimmung am Abend des Gedenktags in
ausgelassene Feierstimmung um. Mit Nationalflaggen, Tröten und weiß-blauen
Schaumschlachten feiern Israelis dann die Gründung des Staates, die sich an
diesem Mittwoch zum 75. Mal jährt. Doch die Spaltung des Landes wird dieses
Jahr wohl auch am Unabhängigkeitstag nicht vorbeigehen.
Und auch die andere Spaltung ist sichtbar: Für Palästinenser*innen
ist der israelische Unabhängigkeitstag kein Tag der Freude, sondern
[3][eine Erinnerung an die Nakba, auf Deutsch: Katastrophe]. Im Zuge der
Staatsgründung im Jahr 1948 wurden rund 700.00 Palästinenser*innen
vertrieben oder flohen.
25 Apr 2023
## LINKS
[1] /Iranischer-Ex-Kronprinz-besucht-Israel/!5927345
[2] /Regierungskrise-in-Israel/!5924426
[3] /Politologe-ueber-Israel-heute/!5926447
## AUTOREN
Judith Poppe
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