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# taz.de -- Proteste in Frankreich: „Eine Chance in der Bewegung“
> Romain und Victoria kämpfen gegen die Rentenreform in Frankreich. Ihn
> treibt die Rente seiner hart arbeitenden Eltern um, sie Macrons
> Elitenkumpanei.
Bild: Straßenszene in Paris am 29. März
Paris taz | Seit Januar gehen viele Französinnen und Franzosen auf die
Straßen, um gegen die von Staatspräsident Emmanuel Macron durchgesetzte
Rentenreform zu protestieren. Die Demonstrationen werden immer
gewalttätiger, doch Victoria und Romain sind weiterhin dabei. Der taz
erzählen die beiden, was sie antreibt.
## Victoria, 69, schreckt vor illegalem Protest nicht zurück:
„Aveuglement climatique et social!“, Klima- und Sozialverblendung, steht in
großen schwarzen Lettern auf rotem Grund, darüber Macrons Gesicht, mit
Photoshop auf den Körper eines französischen Königs montiert. Unnahbar und
blind gegenüber den Problemen der Französ:innen – so sieht Victoria den
französischen Präsidenten.
„Macron ist ein Vertreter der multinationalen Konzerne und seiner reichen
Freunde. Für die findet er viele Vorteile, während er gleichzeitig auf die
normalen Leute schießt“, sagt die Rentnerin, die nur ihren Vornamen nennen
möchte. Bei fast allen Demonstrationen gegen die Rentenreform war sie
dabei. „Ich bin bei der Zivilorganisation Attac aktiv, wir setzen uns für
eine interglobale und antikapitalistische Politik ein.“ Außerdem engagiert
sie sich bei EELV, den französischen Grünen. „Ich wähle, ich demonstriere.…
Auch vor illegalen Protesten schreckt sie nicht zurück. „Jedes Mittel ist
gut, wir haben nichts mehr zu verlieren. Denn wenn wir es nicht schaffen,
das System zu ändern, [1][sind wir in 20 Jahren alle tot]. Das ist die
Realität“, sagt sie und meint damit die [2][Klimakrise]. Was soziale und
ökologische Fragen angehe, passiere in Frankreich zu wenig. Und die
bestehende soziale Absicherung, sagt sie, müsse unbedingt erhalten werden.
„Aber mit der aktuellen Regierung werden wir nichts bewegen“, ist sie sich
sicher.
Dennoch sieht Victoria, die in den 1980er Jahren aus Nordamerika nach
Frankreich ausgewandert ist, eine Chance in der Bewegung, die gegen die
Rentenreform entsteht: „Macron hat es geschafft, die Leute auf die Straße
zu bringen.“
## Romain, 26, hofft auf das französische Parlament:
„Ich bin gegen den Inhalt der Reform und ich bin gegen die Art, mit der sie
verabschiedet wurde“, sagt Romain Aubert. „Sie wird sich vor allem auf die
prekärsten Beschäftigten, auf Frauen und auf diejenigen auswirken, die die
schwerste körperliche Arbeit leisten müssen.“
Auch die Dringlichkeit, in der das Gesetz durchgebracht wurde, versteht er
nicht: „[3][Was die Regierung gemacht hat, ist zwar legal,] hat aber dazu
geführt, dass die gewählten Abgeordneten der Nationalversammlung nie über
diesen Text abgestimmt haben, nie in der Lage waren, ihre Aufgabe
zufriedenstellend zu erfüllen.“
Als Doktorand wird Romain nicht früh genug in den Arbeitsmarkt einsteigen,
um von der Anhebung der Pflichtjahre vor dem Renteneintritt – ein Aspekt
der Reform – betroffen zu sein. Trotzdem möchte er Präsenz zeigen. „Meine
Mutter ist [4][Reinigungskraft], wird schlecht bezahlt und ist den ganzen
Tag Chemikalien ausgesetzt. Mein Vater ist Schreiner.“ Beide üben
körperliche Berufe aus, seien gegen das Gesetz, könnten es sich aber nicht
leisten zu streiken, erklärt er. Die Anzahl der Leute, die trotz der
Inflation und möglicher finanzieller Einschnitte entschlossen auf die
Straße gehen, beeindruckt Romain.
Er sieht einen klaren Zusammenhang zwischen den Umständen, unter denen die
Regierung gewählt wurde, und der aktuellen Situation: „Macron wurde im
ersten Wahlgang mit 20 Prozent der Stimmen gewählt. Legt man die Zahl der
registrierten Wähler zugrunde, erkennt man den Ursprung der mangelnden
Akzeptanz seiner öffentlichen Politik durch die Bevölkerung.“
Romain, der seinen Doktor in Politikwissenschaften macht, ist der Meinung,
dass Macrons Art des Regierens und die heutige Legitimität der
repräsentativen Demokratie in Frankreich infrage gestellt werden sollten.
Was die Rentenreform betrifft, hat er noch nicht aufgegeben: „Es gibt die
Möglichkeit, eine erneute Beratung des Gesetzes im Parlament zu beantragen,
um noch aus diesem Gesetz auszusteigen. Und dafür demonstrieren wir.“
3 Apr 2023
## LINKS
[1] /Klimakrise-bedroht-Lebensraeume/!5921355
[2] /Schwerpunkt-Klimawandel/!t5008262
[3] /Streiks-in-Deutschland-und-Frankreich/!5922951
[4] /Arte-Fernsehfilm-Das-bleibt-unter-uns/!5921491
## AUTOREN
Carolin Auen
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