| # taz.de -- Jahresbericht von Amnesty International: Amnesty kritisiert Doppelm… | |
| > Protest und Flucht sind für die Menschenrechtsorganisation die | |
| > wichtigsten Entwicklungen des letzten Jahres. Mahnende Worte richtete sie | |
| > auch an Deutschland. | |
| Bild: Dafür bekam Deutschland Lob von Amnesty: die unkomplizierte Aufnahme Gef… | |
| Berlin/London dpa | Härte gegen Moskau, Milde bei Freunden: Angesichts der | |
| Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine hat Amnesty International | |
| Doppelmoral angeprangert. „Die entschlossene Reaktion des Westens auf | |
| Russlands Aggression gegen die Ukraine steht in scharfem Kontrast zu einem | |
| beklagenswerten Mangel an sinnvollen Maßnahmen gegen schwerwiegende | |
| Verletzungen durch einige ihrer Verbündeten, darunter Israel, Saudi-Arabien | |
| und Ägypten“, kritisierte die Menschenrechtsorganisation in ihrem am Montag | |
| vorgelegten Jahresbericht 2022/23. | |
| Scharfe Kritik gab es auch am brutalen Vorgehen der iranischen Regierung | |
| gegen Demonstranten sowie an Einschüchterungsversuchen mit Gewalt und | |
| Drohungen aus China. | |
| „Russlands Invasion in der Ukraine ist ein erschreckendes Beispiel dafür, | |
| was passieren kann, wenn Staaten glauben, sie könnten internationales Recht | |
| missachten und Menschenrechte ohne Konsequenzen verletzen“, sagte | |
| Amnesty-Generalsekretärin Agnès Callamard. „Die Reaktionen auf Russlands | |
| Invasion in der Ukraine haben uns gezeigt, was getan werden kann, wenn der | |
| politische Wille vorhanden ist.“ Diese Maßnahmen mit harten Sanktionen | |
| müssten eine Blaupause sein für den Umgang mit anderen | |
| Menschenrechtsverletzungen. | |
| Dass der Westen mit zweierlei Maß messe, habe es etwa China, Ägypten und | |
| Saudi-Arabien ermöglicht, Kritik an ihrer Menschenrechtsbilanz zu umgehen, | |
| betonte Amnesty. Doppelmoral und unangemessene Reaktionen auf | |
| Menschenrechtsverletzungen hätten auf der ganzen Welt zu Straflosigkeit und | |
| Instabilität geführt. Konkret nannte Amnesty „ohrenbetäubendes Schweigen | |
| zur Menschenrechtsbilanz Saudi-Arabiens, [1][Untätigkeit gegen Ägypten] und | |
| die Weigerung, dem [2][israelischen System der Apartheid] gegen die | |
| Palästinenser entgegenzutreten“. | |
| ## Amnesty: Russlands Krieg ein Brandbeschleuniger | |
| Der Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, Markus Beeko, | |
| sagte, der russische Krieg in der Ukraine wirke wie ein Brandbeschleuniger, | |
| der negative menschenrechtliche Entwicklungen verstärke. „Wer die | |
| Einhaltung der Menschenrechte gegenüber anderen Ländern einklagt und | |
| einfordert, der muss ebenso vor der eigenen Tür kehren“, forderte er von | |
| Deutschland und der Europäischen Union (EU). | |
| Beeko lobte die Aufnahme von mehr als einer Million Menschen aus der | |
| Ukraine durch Deutschland als gut und wichtig. Doch Menschen Schutz zu | |
| gewähren, bedeute auch, die Ressourcen dafür bereitzustellen, dass sie gut | |
| untergebracht würden und am gesellschaftlichen Leben teilhaben könnten. | |
| „Die Kommunen müssen hierfür vom Bund dauerhaft unterstützt werden“, | |
| forderte er. Es dürfe zudem „keine Doppelstandards“ geben. „Die | |
| unbürokratische Hilfe für Menschen aus der Ukraine sollte eine Blaupause | |
| für den Umgang mit Schutzsuchenden aus allen Teilen der Welt sein“, | |
| verlangte Beeko. | |
| Protest und Flucht seien 2022 hervorstechende Entwicklungen gewesen, sagte | |
| Beeko. So hätten Sicherheitsbehörden in 85 der von Amnesty International | |
| betrachteten 156 Länder unrechtmäßige Gewalt gegen Protestierende | |
| eingesetzt. In 35 Ländern seien sie mit tödlichen Waffen vorgegangen, und | |
| in 33 Ländern sei es zu Tötungen gekommen. | |
| Zudem seien in 79 Ländern Aktivistinnen und Aktivisten willkürlich | |
| festgenommen worden. In 29 Ländern sei das Recht auf friedlichen Protest | |
| eingeschränkt worden. Weltweit seien im vergangenen Jahr 103 Millionen | |
| [3][Menschen auf der Flucht] gewesen. Das seien 20 Millionen mehr als 2021, | |
| so viele wie nie zuvor, bilanzierte Beeko. | |
| ## Kritik an Einschränkungen von Versammlungsfreiheit | |
| Gerade vor dem Hintergrund weltweit zunehmender staatlicher Gewalt gegen | |
| Protestbewegungen sei es wichtig, dass die Versammlungsfreiheit in | |
| Deutschland ein hohes Gut bleibe, mahnte Beeko. Deshalb sehe Amnesty „mit | |
| Sorge, dass mehr und mehr Bundesländer repressive Versammlungsgesetze | |
| erlassen, die das Recht auf friedlichen Protest einschränken und die | |
| Befugnisse der Polizei ausweiten, etwa in Nordrhein-Westfalen, Bayern und | |
| zuletzt in Hessen“. Beeko forderte von der Bundesregierung und der EU | |
| zudem, die Entwicklung, den Verkauf und den Export von biometrischen | |
| Überwachungstechniken zu verbieten. Solche Technologien würden etwa im Iran | |
| oder Russland eingesetzt, um Protestierende zu verfolgen. | |
| Amnesty kritisierte auch, dass unzureichende Ermittlungen bei Vorwürfen | |
| über diskriminierende Personenkontrollen in Deutschland das Recht auf | |
| Nichtdiskriminierung verletzt hätten. | |
| Mariam Claren, Aktivistin und Tochter der im Oktober 2020 im Iran | |
| festgenommenen iranisch-deutschen Frauenrechtlerin [4][Nahid Taghavi], | |
| äußerte sich eher unzufrieden mit der deutschen Reaktion auf den | |
| gewalttätigen Umgang der [5][iranischen] Führung mit den [6][aktuellen | |
| Protesten im Land]. Zwar sehe man „deutliche Reaktionen“. So habe die | |
| deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gemeinsam mit Island | |
| eine Sondersitzung des UN-Menschenrechtsrats initiiert, woraufhin eine | |
| Resolution verabschiedet worden sei. | |
| Dennoch seien viele Sanktionen gegen Iran nicht zielführend, bemängelte | |
| Claren. Es würden immer wieder Einzelpersonen sanktioniert. „Aber ich habe | |
| nicht das Gefühl, dass es seitens der Bundesregierung eine klare Linie zur | |
| neuen Iranpolitik, die es meines Erachtens benötigt, gibt.“ Im Vergleich | |
| mit anderen Ländern gebe es aus Deutschland zwar „ein wenig mehr | |
| Reaktionen. Aber von zufrieden kann nicht die Rede sein“, sagte sie. | |
| 28 Mar 2023 | |
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