| # taz.de -- Jemenitische Trancemusik aus Israel: Sei schlau, hör mehr Marke Ei… | |
| > El Khat machen einen arabisch gestimmten Trancerock mit | |
| > Do-it-yourself-Note. Im Berliner Urban Spree brachten sie die Menschen in | |
| > Schwung. | |
| Bild: Berauschend: El Khat mit dem versierten Instrumentenbauer Eyal el Wahab (… | |
| Das Urban Spree auf dem [1][Berliner RAW-Gelände] ist ein kleines | |
| Kellerloch, obwohl der niedrige und fensterlos dunkle Raum genau genommen | |
| gar nicht treppab Souterrain liegt. Egal. Jedenfalls war er dicht mit | |
| Menschen bepackt, manche steckten sich zur weiteren Verbesserung der | |
| Atmosphäre noch eine Kippe an. Rauch, stickige Luft, wenig Licht. Ideale | |
| Voraussetzungen also für eine schwitzige Kellermusik, auf die man da am | |
| Wochenanfang bei diesem Konzertabend hoffte. | |
| Die Hoffnung, sie trog auch nicht. | |
| Am Ende wurde sowieso ganz allgemein getanzt zu der Musik, man sah | |
| glückliche Gesichter, und überhaupt muss man wieder den Chuck Berry | |
| zitieren mit der in seinem Song „School Days“ aufgemachten Gleichung the | |
| feelin’ is there, body and soul. Bitte sehr: Rock, rock, rock and roll. | |
| Eine Körperseelenmusik. Das war es, was [2][El Khat] da im Rahmen ihrer | |
| Europatournee im Urban Spree auf die Bühne brachte. | |
| Beim Namen des Trios soll man natürlich gleich an das Kraut mit | |
| aufputschender Wirkung denken, Khat ist im Nahen Osten eine gern gekaute | |
| Alltagsdroge. Interessanter aber war doch der Blick aufs Schlagzeug der | |
| Band. Mit seiner Kochtopf-Erweiterung und den dazu gestellten Blechdosen | |
| brachte es gleich eine deutliche Do-it-yourself-Note ins Spiel. Denn Pop | |
| heißt oft auch, ihn einfach zu machen. Nicht erst um Erlaubnis fragen. Tun. | |
| Mit dem was man so in die Hände bekommt. | |
| Musik im Selbstbau, gegen Mangellagen bei den Produktionsmitteln. Mit | |
| diesem Prinzip ist Pop gut durch abenteuerliche Zeiten gekommen. Hat man | |
| keine Instrumente, macht man sie sich selbst. | |
| Bei der Skiffle-Welle in den fünfziger Jahren mit den Blues- und | |
| Folk-Stampfern schnappte man sich ein Waschbrett für den Rhythmus, der Bass | |
| wurde aus irgendwelchen Kisten gebastelt, und eine Gitarre hat sich meist | |
| doch irgendwo gefunden, die ein paar Jahre später bei der großen | |
| Beat-Begeisterung irgendwie elektrifiziert werden musste. Dazu ertüftelte | |
| man im Eigenbau fehlende Verstärker und Boxen, damit die Musik auch | |
| ordentlich wummerte. | |
| In New-Wave-Zeiten ging wieder alles ganz schnell. Zack, war eine Band | |
| gegründet, einer hatte die Trommel zu schlagen. Ein „richtiges“ Schlagzeug | |
| musste es nicht unbedingt sein. Da reichten manchmal diese großen | |
| Papptrommeln, in denen in den Achtzigern das Waschpulver gehandelt wurde. | |
| Aus der Not die Tugend. Auch der Erfolg der Einstürzenden Neubauten ist | |
| letztlich wohl dem finanziellen Dilemma geschuldet, das in den frühen | |
| Krachschlag-Tagen der Berliner Band den Schlagzeuger dazu brachte, sein | |
| Instrument zu verkaufen, sodass in Folge bei den Neubauten stilprägend auf | |
| Metallschrott herumgetrommelt wurde. | |
| Auch der Jemen ist nicht gerade als Überflussgesellschaft bekannt. | |
| El-Khat-Frontmann Eyal el Wahab ist als Kind der jemenitischen Diaspora in | |
| Israel, in Tel Aviv, aufgewachsen, den Weg zu seiner Musik fand er auch | |
| über das Album [3][„Qat, Coffee & Qambus: Raw 45s from Yemen“], eine | |
| Sammlung jemenitischer Musik aus den Sechzigern, bei der eben solche | |
| Selberbau-Aneignungen zu hören sind. | |
| Was die einen wegschmeißen, taugt den anderen zur Musik. Das bleibt bei den | |
| Blechdosen am Schlagzeug nicht stehen. Eyal el Wahab hat diesen | |
| Selbstbau-Ansatz noch entschieden weiter getrieben mit echten | |
| Meisterstücken wie dem von ihm im Urban Spree verwendeten orientalischen | |
| Saiteninstrument. Er spielt es wie eine Gitarre oder auch, mit dem Bogen, | |
| wie eine Kniegeige. Dazu wimmerte der Synthesizer betörende Arabesken, das | |
| Schlagzeug schepperte. Mal war das ein arabisch gestimmter psychedelischer | |
| Trancerock, dann wieder eine von Folklore getriggerte Trancemusik. | |
| Rockschuppen. Traditionelle Ringtänze. Beides fasste sich hier an den | |
| Händen und wirbelte wie eine Tarantella immer schneller, dass das Publikum | |
| gar nicht anders konnte, als mitzuwiegen in dieser Musik, zu wogen, zu | |
| zucken. | |
| Körperseelenmusik. Body und Soul. | |
| 6 Apr 2023 | |
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| [1] /Berlins-Spielplatz-der-Subkultur/!5870041 | |
| [2] https://elkhat-music.bandcamp.com/ | |
| [3] https://dusttodigital.bandcamp.com/album/qat-coffee-qambus-raw-45s-from-yem… | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Mauch | |
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