# taz.de -- Film „Air – Der große Wurf“ im Kino: Kauf dir die Athletenkr… | |
> Wirtschaftsmärchen als Spielfilm: Ben Afflecks Film „Air – Der große | |
> Wurf“ erinnert an die Umbrüche in der Sportwelt durch Basketballstar | |
> Michael Jordan. | |
Bild: Verhandlungen zwischen Sonny Vaccaro (Matt Damon) und Michael Jordans Mut… | |
In diesen Tagen endet in den USA die reguläre Saison der Basketball-Liga | |
NBA, bis Mitte Juni werden Sportfans den Playoffs folgen, Superstars | |
zusehen, die pro Jahr über 40 Millionen Dollar verdienen und sich auf | |
Instagram und Co in neuester Fashion präsentieren und nicht zuletzt Werbung | |
für Sportswear und Schuhe machen. Vor 30 Jahren war das noch ganz anders, | |
vor 30 Jahren war Basketball keineswegs der tonangebende Sport, der er | |
heute ist, wurden selbst die Finalspiele nicht live im Fernsehen gezeigt. | |
Der Mann, der das änderte, steht im Mittelpunkt von „Air – Der große Wurf… | |
aber sein Gesicht ist nie zu sehen, auch sagt er nie etwas, lässt | |
stattdessen seine Mutter sprechen. Die Rede ist von Michael Jordan. 1984, | |
zum Beginn der Geschichte, wurde Jordan gerade von den Chicago Bulls | |
engagiert, stand vor dem Wechsel vom Universitäts- zum Profibasketball und | |
vor Beginn einer Ära, die ihn nicht nur zum Milliardär machen, sondern den | |
Basketball und die Popkultur verändern sollte. | |
Aus Respekt habe er keinen Schauspieler engagiert, der Jordan spielt, hat | |
[1][Regisseur Ben Affleck] betont, was sich selbstverständlich hübsch | |
anhört, unterschwellig vielleicht aber auch sehr deutlich zeigt, worum es | |
in „Air“ eigentlich geht: nicht um Sport, sondern um enorme Summen Geld, – | |
um eine der Erfolgsgeschichten des Kapitalismus, wie sie in den USA | |
besonders beliebt sind. | |
Ein Underdog war Nike 1984 eindeutig nicht mehr, zumindest bei den | |
Joggingschuhen, mit denen Firmengründer Phil Knight viel Geld gemacht | |
hatte. Im Basketball jedoch dominierten Converse und Adidas, während Nike | |
abgeschlagen Dritter war. Ein Mann wollte das ändern: Sonny Vaccaro, in | |
„Air“ verkörpert von Matt Damon, der mit schlechter Haut und deutlichem | |
Bauchansatz der ideale Jedermann ist, um einer Geschichte von Gier und Geld | |
ein menschliches Antlitz zu verleihen. | |
## Symbiose von Mensch und Produkt | |
Mit viel zu wenig Geld soll Vaccaro seine Abteilung zum Erfolg führen, ein | |
aussichtsloses Unterfangen angesichts all der Platzhirsche. Auch Jordan hat | |
kein Interesse an Nike, sondern plant, bei Adidas zu unterschreiben. Wovon | |
„Air“ nun also erzählt, ist, wie es Vaccaro gelang, Jordan und vor allem | |
dessen Mutter Deloris (Viola Davis) davon zu überzeugen, dass Nike die | |
richtige Heimat für den Sportler ist. | |
Die Idee, mit der Vaccaro und sein Team Jordan wider alle | |
Wahrscheinlichkeiten von Nike überzeugen konnte, ist eine dieser | |
Erfolgsgeschichten, vergleichbar mit der Erfindung der Maus als Bedienung | |
von Computern oder dem Weglassen der Tastatur beim iPhone: Nicht mehr der | |
Schuh stand im Mittelpunkt, sondern der Athlet. Nicht mehr ein Schuh für | |
alle, sondern ein Schuh, speziell für einen Sportler gemacht. | |
Diese Symbiose von Mensch und Produkt ermöglichte es Nike zu suggerieren, | |
dass jeder Käufer dieses Schuhs (und später unzähliger anderer Produkte) | |
ein kleines bisschen von Jordan, also seiner Athletik, seines Talents, | |
seines Genies käuflich erwerben konnte. | |
Gleichermaßen bemerkenswert wie absurd an „Air“ ist, dass es Affleck | |
gelingt, dem Moment, wenn jemand auf den Markennamen „Air Jordan“ kommt, | |
eine ähnliche Bedeutung zu verleihen, als hätte jemand ein Mittel gegen | |
Krebs gefunden. Auch die finale und erfolgreiche Verkaufsrede von Vaccaro | |
stilisiert Affleck zu einem heroischen, mitreißenden Moment. Die Bedingung | |
von Jordans Mutter, dass ihr Sohn an jedem verkauften Schuh finanziell | |
beteiligt wird, wird indes als emanzipatorischer Akt Schwarzer | |
Selbstermächtigung dargestellt. | |
## Die bukolischen 80er | |
Eine Geschichte von einem erfolgreichen Unternehmen, das durch einen | |
cleveren Deal noch erfolgreicher wird als Underdog-Geschichte zu erzählen; | |
darauf muss man erst einmal kommen. „Air“ reiht sich damit in eine | |
wachsende Zahl von Filmen ein, die gleichzeitig der grassierenden | |
80er-Jahre-Nostalgie genügen, aber auch dem Interesse an Geschichten über | |
unternehmerische Erfolge. | |
Bei der [2][Berlinale erzählte etwa „BlackBerry“], wie das gleichnamige | |
Telefon entstand, bei Apple+ kann man in „Tetris“ gerade sehen, wie das | |
immer noch beliebte Spiel seinen Weg vom Computer eines russischen | |
Programmierers in den Westen fand und nun „Air“. Drei Filme, die wirken, | |
als hätten die Ausstatter sich im selben 80er-Jahre-Fundus bedient und für | |
ihre Soundtracks die immer gleiche „Best of 80s“-CD-Kollektion nach | |
passenden Songs durchforstet. | |
Bunt und lustig ist das, voller Ballonseide und wildwucherndem Haar, vor | |
allem aber einem ausgeprägtem Hang zur Nostalgie. Würde man der Welt von | |
„Air“ Glauben schenken, müsste man die 80er Jahre für eine nachgerade | |
bukolische Zeit halten, in der es zwar irgendwie auch ums Geschäft ging, | |
aber zumindest bei einem Unternehmen wie Nike auf fast freundschaftliche | |
Weise. | |
Dass auch Air Jordans in asiatischen Sweatshops produziert werden und Nike | |
sich ganz dem neoliberalen Versprechen von unbegrenztem Wachstum | |
verschrieben hat, passt da nicht ins Bild. Ein modernes Märchen könnte man | |
das also nennen, das vor allem Michael Jordan, Phil Knight und die | |
Nike-Anteilseigner sehr reich gemacht hat. | |
6 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Michael Meyns | |
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