# taz.de -- Neues Museum „Steinzeithaus“: Im Steinzeit-Baumarkt | |
> Neben dem Steinzeitpark Dithmarschen in Albersdorf hat ein neues Museum | |
> eröffnet: Das „Steinzeithaus“ möchte die Epoche begreif- und erlebbar | |
> machen. | |
Bild: Archäologie und Umweltgeschichte in einer Ausstellung: Blick ins Steinze… | |
Die Robbe hat keine Chance: Das Boot mit zwei Jägern nähert sich, lautlos | |
sticht das spatenförmige Paddel in die See, dann fliegt ein Speer und bohrt | |
sich in das Tier. „Wie gemein!“, seufzt ein Besucher nach dem Ende des | |
kurzen Animationsfilms. Er flimmert über eine Wand im „Steinzeithaus“, dem | |
Museum, das Anfang März auf dem Gelände des Archäologisch-Ökologischen | |
Zentrums Albersdorf (AÖZA) in Dithmarschen eröffnet hat. | |
Die Ausstellung zeigt Funde der näheren Umgebung, schließlich lassen sich | |
rund um Albersdorf die ältesten Siedlungsspuren in Schleswig-Holstein | |
nachweisen. Darüber hinaus erklärt die Ausstellung die Übergänge von | |
nomadischem zu sesshaftem Leben und den Einfluss des klimatischen Wandels | |
auf das Leben der frühen Menschen. Nach dem Rundgang drinnen geht es | |
draußen weiter: Das „Steinzeithaus“ grenzt an einen 40 Hektar großen Park, | |
in dem es nicht nur ein Museumsdorf, sondern neun originale Gräber aus der | |
Stein- und Bronzezeit zu entdecken gibt. | |
Steingrau und kantig ragt das Museumsgebäude am Eingang zu dem weitläufigen | |
Gelände auf. Die Form solle an die eckigen Formen behauener Faustkeile | |
erinnern, sagt Museumsleiter Rüdiger Kelm. Der Ur- und Frühgeschichtler | |
leitet das AÖZA, hinter dem ein Verein als Träger steht, seit Ende der | |
19990er-Jahre. | |
Damals gab es nur den Park selbst: die Gräber, darunter Hügel und die | |
langgestreckten „Langbetten“, die sich im Wald verteilen, und die | |
Landschaft, die im Lauf der Zeit immer „urzeitlicher“ wurde, also teils | |
dicht bewaldet, teils halb-offene Weidelandschaft. Parallel sind | |
[1][Freilicht-Bereiche mit nachgebauten Zelten und Hütten] entstanden. Dort | |
sind von Ostern bis zu den Herbstferien steinzeitlich gekleidete Animateure | |
unterwegs. | |
Von Anfang an habe es das Konzept gegeben, als drittes Element ein Museum | |
auf dem Gelände zu errichten, sagt Kelm. Konkret sei die Planung vor vier | |
Jahren geworden, ab 2020 wurde gebaut und nun nach 23 Monaten Bauzeit | |
eingeweiht. 4,5 Millionen Euro hat der Neubau gekostet, finanziert zur | |
Hälfte aus EU-Mitteln. Von der zweiten Hälfte zahlt das Land | |
Schleswig-Holstein zehn Prozent, je 20 Prozent stammen vom Kreis | |
Dithmarschen und der 3.700-Personen-Gemeinde Albersdorf. „Gemeinderat und | |
Kreistag haben sich einstimmig dafür entschieden“, berichtet Kelm – ein | |
Zeichen dafür, wie groß inzwischen die Zustimmung zum archäologischen | |
Zentrum ist. | |
## Wette mit dem Minister | |
35.000 Besucher*innen fanden im Vor-Corona-Jahr 2019 den Weg in den | |
Park, überwiegend Tourist*innen, aber auch Gruppen und Schulklassen, die | |
auf dem Gelände lernen, wie steinerne Speerspitzen geschlagen oder Feuer | |
gemacht wird. Das neue Gebäude soll weitere Gäste locken: „Wir haben eine | |
Wette mit Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen laufen“, berichtet Kelm. | |
„Wenn wir die Grenze von 50.000 knacken, kriegen wir Kuchen von ihm, wenn | |
wir drunter bleiben, müssen wir für ihn backen.“ Der parteilose Minister | |
besuchte das Museum zur Eröffnung, sein Haus förderte den Neubau als | |
touristische Maßnahme. | |
Um die [2][Steinzeit] begreif- und erlebbar zu machen, setzt die neue | |
Ausstellung im Steinzeithaus auf spielerische und museumspädagogische | |
Elemente. Der Rundgang beginnt bei einem viele Meter hohen originalem | |
Bodenrelief, an dem sich Warm- und Kaltphasen ablesen lassen. Ein Raum | |
zeigt, wie die Forschung archäologische Funde auswertet und stellt die | |
erste menschliche Siedlung vor, deren Spuren nahe Alberdorf gefunden | |
wurden. Dort lebten bereits vor rund 100.000 Jahren Neandertaler. | |
Der Rundgang führt in die letzte Phase der Eiszeit vor rund 12.000 Jahren: | |
Ein Mammutschädel ragt aus der Wand, auf dem Boden steht ein ausgestopftes | |
Rentier. Wie die Menschen damals Jagd auf diese Tiere machten, zeigt „unser | |
Steinzeitbaumarkt“, sagt Museumsleiter Kelm und zieht einen Schubkasten | |
heraus. Dort hängen, befestigt wie Werkzeuge im Baumarkt-Sortiment, | |
Knochen, Federn und Äste, aus denen sich zum Beispiel Pfeile herstellen | |
lassen. | |
Die Sachen sind nur zum Anschauen gedacht, doch es gibt auch eine | |
„Forschungsstation“, an der getastet und getestet werden darf. Dort liegt | |
unter anderem ein schwarz-weißer Stein, der glänzt wie poliert. Ein | |
weiterer Stein, schrundig und rau, liegt daneben. Auf der Tafel darüber | |
steht die Frage, welcher der beiden auf die Anwesenheit von Menschen | |
hindeutet. Spoiler: Es ist der raue, er hat längere Zeit Kontakt mit Feuer | |
gehabt. | |
Die Ausstellung führt weiter in die mittlere Steinzeit, die 10.000 bis | |
6.000 Jahre zurückliegt und mit einer Klimaerwärmung einherging. Ein | |
originaler Einbaum und ein Teil eines Paddels weisen auf die Jagd in den | |
Küstengewässern hin. Vor rund 6.000 Jahren begann der Übergang zur jüngeren | |
Steinzeit: Die Menschen wurden sesshaft, begannen mit Ackerbau. Die | |
Bevölkerung wuchs, bis rund 3.000 Menschen im heutigen Dithmarschen lebten. | |
Heute sind es über 130.000. | |
Nach einem Blick in die Bronzezeit endet die Ausstellung an einer Vitrine, | |
die aus der fernen Zukunft ins Jetzt zurückschaut und Vermutungen über das | |
seltsame 21. Jahrhundert anstellt: [3][Plastik] sei wohl aus kultischen | |
Gründen in der Landschaft verteilt worden, Atomwaffen vermutlich nur eine | |
Erfindung, schließlich könnten Menschen nie so dumm sein, den Planeten zu | |
gefährden: Ein Hinweis darauf, wie falsch die Forschung liegen kann. | |
Während der Bau- und Planungsphase gab es Test-Besuche, teils von | |
Fachleuten, teils von Schulklassen und Kita-Kindern. Für die gibt es | |
einiges zu entdecken, zudem steht im Obergeschoss ein Raum für | |
Gruppenarbeit zur Verfügung. Das AÖZA ist als Bildungseinrichtung | |
eingestuft. | |
Neben dem Museum erhebt sich der „begehbare Grabhügel“, daran schließt si… | |
der Park mit dem „Steinzeitdorf“ der ersten Bäuer*innen und dem Lager der | |
nomadischen Gruppen an. Ab Ostern, wenn die Hütten und Zelte wieder belebt | |
sind, kann es passieren, dass das Museum Besuch aus der Steinzeit erhält: | |
„Vielleicht kommt mal ein Jäger vorbei, der sich darüber wundert, dass sein | |
Speer hinter Glas hängt“, verrät Museumsleiter Kelm. | |
4 Apr 2023 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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