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# taz.de -- Vom Maschsee bis an die Moskwa: Männerabend mit und ohne Würstchen
> Wie geht Politik ohne Würstchen und Seilschaften? Die Kritik am „System
> Schröder“ zeigt gesellschaftlichen Fortschritt, wirft aber auch Fragen
> auf.
Bild: Ein Bild aus glücklicheren Tagen, zumindest für Schröder
Das ist schon ein ganz besonderes Vergnügen: Letzte Woche saß ich bei einer
Lesung zur [1][„Moskau Connection. Das Schröder-Netzwerk und Deutschlands
Weg in die Abhängigkeit“] im Publikum, während vorne die zwei verehrten
FAZ-Kollegen Reinhard Bingener und Markus Wehner erklärten, wie gut
Schröders Männerkumpanei zu Putins Chauvinismus gepasst hat und
andersherum.
Hach, dachte ich für einen Moment, es gibt ja vielleicht doch so etwas wie
Fortschritt, wenn selbst die FAZ versteht, was toxische Männlichkeit ist,
auch wenn sie das lieber anders nennt.
Nun haben die Kollegen ein kluges Buch geschrieben, in dem es um sehr viel
mehr geht als um die Frage, wer wann mit wem Bier oder Wodka getrunken hat,
denn es gab ja noch andere Einfallstore die Russland genutzt hat: die
heilige Kuh der Ostpolitik, die halbgare Liberalisierung des
Energiemarktes, die Gier und die Blindheit in Teilen der deutschen
Wirtschaft, der CDU und CSU.
Das ist alles sehr spannend, aber auch sehr komplex und deshalb beugt sich
das geneigte Publikum am Ende dann doch lieber über die saftigen
Schmankerl, hier: die legendären Herrenabende in der Villa [2][des
langjährigen Schröder-Kompagnons Götz von Fromberg], seines Zeichens
Rechtsanwalt und Rocker-Verteidiger mit Faible für alles, was nach Geld
oder Macht oder Prominenz riecht – sofern es männlich ist.
## Nudelsalat und Krökeln
Diese Abende, so will es die Legende, sagen viel über das System Schröder,
die Maschsee-, Niedersachsen- und später eben Moskau-Connection. Und
deshalb werden mit großer Hingabe immer wieder die gleichen Details
kolportiert: Bouillonwürstchen! Nudelsalat! Krökeln! (Immerhin weiß jetzt
die ganze Republik wie Tischkickern in Hannover heißt).
Was ich daran ein bisschen seltsam finde: Glaubt wirklich jemand, dass
Herrenabende und Männerseilschaften eine Erfindung Schröders sind? Schon
klar, in den meisten Golf- und Segelclubs ist sicher die Verpflegung
besser, bei Rotariern und Lions Clubs gibt man sich auch noch die Mühe, das
Ganze mit Wohltätigkeit zu garnieren, aber Studentenverbindungen?
[3][Oder auf dem Land: Schützenvereine?] Ist das nicht irgendwie der
gleiche Summs, im Großen wie im Kleinen? Männer saufen miteinander und
schustern sich dann Posten und Aufträge zu? Oder geht es hier darum, dass
jetzt sogar Proleten mitmachen? Dass die Seilschaften einfach noch nicht so
alt und verwittert sind und deshalb unangenehm auffallen?
Geht Politik eigentlich auch ohne? Oder muss man sich zwangsläufig mit ein
paar alten Vertrauten umgeben, weil man dieses Geschäft sonst nicht
überleben kann? Und wie funktioniert das nun heute, wo fast alle Parteien
und Fraktionen diverser werden?
## Und nun? Vergeschwisterung beim Spieleabend?
Von politisch bedeutsamen Frauenabenden höre ich selten. „Mädelsabende“
kenne ich aus dem privaten Umfeld, aber die haben oft mehr mit Prosecco und
Konsum zu tun als mit Macht, klingen ja auch schon so.
Aber vielleicht haben wir die Phase der billigen Retourkutschen ja auch
längst übersprungen. All diese jungen, neuen Kolleg*innen legten ja viel
Wert darauf, auch gemeinsam zu feiern und Spaß zu haben, bemerkte der
Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen Volker Bajus (59) bei einer der
ersten Pressekonferenzen in dieser Funktion.
Das sei ein bisschen ungewohnt für jemanden wie ihn, der von einer eher
protestantischen Arbeitsmoral herkomme. Aber er sei ja lernfähig.
Bitte sehr, es gibt doch Hoffnung und alte weiße Männer, die besser sind
als ihr Ruf. Und in 30 Jahren schreiben wir darüber, wie sich die Dings
damals in Hannover mit dem X vergeschwisterte, um sich die Republik unter
den Nagel zu reißen. Beim Spieleabend! Mit veganen Würstchen! Das wird
fein.
25 Mar 2023
## LINKS
[1] https://www.chbeck.de/bingener-wehner-moskau-connection/product/34619113
[2] /Hells-Angel-Frank-Hanebuth/!5907670
[3] /Streit-um-Schuetzenamt-fuer-Frauen/!5830276
## AUTOREN
Nadine Conti
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