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# taz.de -- Netanjahu in Deutschland: Berlin-Besuch begleitet von Protest
> Kanzler Scholz empfängt Israels Regierungschef. Neben Iran dürfte es um
> den möglichen Kauf eines hochmodernen israelischen Raketensystems gehen.
Bild: „Komm nicht zurück“: Protest zum Abschied am Flughafen von Tel Aviv …
Berlin taz | Inmitten von Anti-Regierungs-Protesten ist Israels
Regierungschef zu einem Besuch in Deutschland aufgebrochen. Benjamin
Netanjahu landete am späten Mittwochabend in Berlin. Zuvor hatten
Demonstrierende mit Straßenblockaden in der Nähe des Flughafens von Tel
Aviv versucht, ihn von der Reise abzuhalten. Der Regierungschef soll am
frühen Nachmittag unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz empfangen
werden.
Vor seiner Abreise hatten 1.000 israelische Künstler*innen und
Akademiker*innen in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung eine
Absage des Besuchs gefordert. Israel befinde sich in der schwersten Krise
seiner Geschichte und sei „auf dem Weg von einer lebendigen Demokratie zu
einer theokratischen Diktatur“, hieß es nach Angaben der Tageszeitung
Haaretz. [1][Auch in Deutschland protestierten etliche jüdische und
israelische Intellektuelle in einem Schreiben gegen den Besuch, ohne aber
eine Absage zu fordern.]
Am Donnerstagvormittag besucht Netanjahu die Holocaust-Gedenkstätte Gleis
17 in Berlin-Grunewald. Von dem Bahnhof wurden tausende jüdische
Bürger*innen in Konzentrationslager deportiert. Später wollen ihn Scholz
sowie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen.
Am Abend wird Netanjahu, anders als ursprünglich geplant, bereits wieder
abreisen. Hintergrund der Planänderung ist ein Vorfall in Israel.
Sicherheitsbehörden erklärten am Mittwoch, dass Soldaten bereits am Montag
einen Verdächtigen mit Sprengstoffgürtel im Norden Israels erschossen und
damit möglicherweise ein Selbstmordattentat vereitelt hatten. Eine
Verbindung des Mannes zur libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah wird
geprüft. Der Mann könnte über die Grenze eingeschleust worden sein.
Netanjahus Besuch in Deutschland kommt zu einer Zeit, da der Regierungschef
in seinem Heimatland wie auch vonseiten seiner Verbündeten unter Druck
steht. US-Präsident Joe Biden hat ihn seit seinem Amtsantritt im
vergangenen Dezember nicht in Washington empfangen.
Als Chef einer teils offen rassistischen und rechtsradikalen Regierung
steht Netanjahu in der Kritik – zum einen, weil er den Konflikt mit den
Palästinenser*innen verschärft. So hat die Regierung in ihrem
Koalitionsvertrag einen exklusiven Anspruch auf das besetzte Westjordanland
angemeldet.
In erster Linie aber richten sich die Proteste gegen eine im Eiltempo
vorangetriebene Justizreform. Diese sieht eine Schwächung des obersten
Gerichts und eine Machtkonzentration in den Händen von Regierung und
Parlamentsmehrheit vor. Die Regierung argumentiert, die Reform sei nötig,
um den Einfluss von nicht demokratisch legitimierten Richter*innen auf
die Politik einzudämmen.
## Berlin will Raketensystem kaufen
Berlin hat die Pläne kritisiert. „Ich will nicht verhehlen, dass wir uns
Sorgen machen über einige gesetzgeberische Vorhaben in Israel“, sagte
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) im Februar bei einer
Pressekonferenz mit ihrem israelischen Amtskollegen in Berlin. „Zu den
Werten, die uns verbinden, gehört der Schutz rechtsstaatlicher Prinzipien
wie die Unabhängigkeit der Justiz.“
Doch neben den speziellen Beziehungen zu Israel dürften auch
sicherheitspolitische Interessen die Bundesregierung davon abhalten, Israel
allzu offen zu kritisieren und einen Bruch mit Netanjahu zu riskieren:
Berlin will das hochmoderne israelische Raketenabwehrsystem Arrow 3 kaufen,
um Deutschlands Verteidigungskapazitäten zu erhöhen, etwa im Falle eines
russischen Vergeltungsangriffs für die Unterstützung der Ukraine.
Die Installation des Raketenschutzschilds würde im Rahmen der von Scholz
angekündigten milliardenschweren Aufrüstung der Bundeswehr erfolgen. Arrow
3 kann Langstreckenraketen bereits in einer Höhe von 100 Kilometern
abfangen, also im beginnenden Weltraum. Dies ist relevant für das Ziel,
Sprengköpfe von Raketen zu zerstören, ohne dass sie Schaden am Boden
anrichten.
Der mögliche Kauf von Arrow 3 war bereits Thema, als Scholz im September
Netanjahus Vorgänger Jair Lapid empfing. Mittlerweile scheinen die
Verhandlungen fortgeschritten zu sein. „Ein paar kleine letzte Handgriffe
fehlen noch“, zitierte Haaretz am Mittwoch einen israelischen Offiziellen.
Steht der Deal zwischen Berlin und Jerusalem, braucht es noch eine
Genehmigung der USA, die Teile des Systems produzieren.
## Israel braucht Verbündete gegen Iran
Israel seinerseits versucht, die Bundesregierung zu einem härteren Kurs
gegen Iran zu bewegen. Deutschland ist, anders als Israel, Vertragspartner
des Atomabkommens mit Iran, das zwar auf Eis liegt, aber nicht offiziell
aufgekündigt wurde – offenbar in der vagen Hoffnung, den Atomkonflikt doch
noch diplomatisch lösen zu können. Israel kritisiert das Abkommen, da es
Irans aggressive Regionalpolitik nicht adressiert, und setzt auf
Militärschläge gegen Atomanlagen.
16 Mar 2023
## LINKS
[1] /Israels-Regierungschef-in-Deutschland/!5922162
## AUTOREN
Jannis Hagmann
## TAGS
Westjordanland
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Israel
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