| # taz.de -- Suriname, das übersehene Land: Am obersten Rand Südamerikas | |
| > Tiefgrüne Wälder, leuchtend bunte Frösche, wilde Ananas: Suriname wird | |
| > als Ziel für Tourist:innen weitestgehend übersehen. Noch. | |
| Bild: Paramaribo in Suriname muss die entspannteste Hauptstadt der Welt sein | |
| Paramaribo muss die entspannteste Hauptstadt der Welt sein. Weiß vertäfelte | |
| Holzhäuser aus der niederländischen Kolonialzeit stehen neben vereinzelten | |
| roten Klinkerbauten, das Holz und die Gemächlichkeit geben ihr ein hübsches | |
| Wildwest-Flair. | |
| Mit 240.000 Einwohner:innen ist die Hauptstadt von Suriname kleiner als | |
| Chemnitz oder Kiel; ein Ort, wo man Flussdelfine und riesige Echsen sieht, | |
| wo das tropische Klima sanfter ist als im stickigen Landesinneren. Eine | |
| Kapitale der Freundlichkeit. | |
| Südamerika wird seit Jahren von weißen Backpacker:innen überrannt, aber | |
| [1][Suriname] haben die Massen, die nach Kolumbien, Peru oder Bolivien | |
| strömen, irgendwie übersehen. Versteckt am obersten Rand Südamerikas wahrt | |
| das Land seinen Eigensinn, ein Übriges tut die fehlende Infrastruktur: ein | |
| Großteil ist unberührter Dschungel. | |
| Die Ironie ist natürlich, dass da, wo die Reiseführer off the beaten track | |
| jubeln, viele Einheimische sich sehnlich wünschen, on the beaten track zu | |
| sein. Andere Einnahmequellen sind spärlich und gefährlich. Wir sprechen mit | |
| ehemaligen Goldgräbern und mit Männern, die vom inoffiziellen und | |
| gefährlichen Bootsverkehr über die Landesgrenze leben, mit Ausgewanderten | |
| und Eingewanderten. | |
| Der Vielvölkerstaat ist voll von Einflüssen: In Paramaribo gibt es indische | |
| Roti-Restaurants, niederländische Pfannkuchenhäuser, chinesische | |
| Supermärkte und allerlei Fusion-Köstlichkeiten. Der Vermieter unserer Hütte | |
| im Hinterland ist ein Maroon, ein Nachfahre entflohener schwarzer Sklaven. | |
| ## Im Süden nichts Neues | |
| Auf dem Weg zu ihm in die dichten grünen Wälder sehen wir aber auch | |
| Mondlandschaften: Suriname holzt massiv ab, exportiert außerdem viel Gold | |
| und Öl, früher auch Bauxit. Eine reiche Clique verheizt die Ressourcen, | |
| finanziert von nordamerikanischen, europäischen und chinesischen Firmen – | |
| im Süden nichts Neues. Und wer prekär lebt, muss Prekäres zerstören. „Fast | |
| alle Tiere sind bei uns verschwunden“, berichtet der Vermieter | |
| achselzuckend. „Die Nachbarn jagen sie.“ | |
| Doch trotz der Baumstümpfe und des Schreckens der alten Sklavenplantagen | |
| bleibt Schönheit: Tiefgrüne Wälder mit leuchtend bunten Fröschen, | |
| niedlichen Agoutis und wilder Ananas, oder der abendliche Frieden am | |
| Suriname River. Ein Rudel Affen taucht auf, ein Rest Wildleben – unser | |
| Vermieter hat der Nachbarschaft den Abschuss untersagt, „weil die | |
| Tourist:innen so gern Fotos damit machen“. | |
| Gewiss wäre das ein Vorbild [2][für nachhaltiges Wirtschaften]: kleine | |
| Lodges, wo Sklavennachfahren eigenständige Unternehmer sind, statt in Minen | |
| zu arbeiten. Stets bleibt das im Kapitalismus eine Nische. Aber vielleicht | |
| sollten Sie doch auch mal nach Suriname. | |
| 16 Mar 2023 | |
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| Alina Schwermer | |
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