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# taz.de -- Moderner Pfusch am antiken Pflaster: Stolpern auf der Rumpelstraße
> Die antike römische Hafenstraße in Köln aus Basaltbrocken ist nur mühsam
> begehbar. Die alten Römer sind nicht schuld. Das waren die modernen
> Kölner.
Bild: Wenn das die alten Römer wüssten: in Köln holpert es arg auf einer ant…
Köln taz | Es ist schon eigenartig, wie unkritisch man als Lokalpatriot mit
den Relikten der Altvorderen umgeht. Da hat man jahrelang in der Stadt
gelebt, hat Besucher den Dom hinauf- und durchs Römisch-Germanische Museum
gejagt und ihnen die alte römische Hafenstraße präsentiert.
Aber nie, nie hat man sich gefragt, warum dieses antike Stück Straße,
zwischen Museum und einem Verwaltungsgebäude zum Rhein hinabführend,
eigentlich so grobschlächtig ist. Die riesigen schwarzen Basaltbrocken, mal
drei-, mal rechteckig, zeigen in alle Himmelsrichtungen, als wollten sie
partout kein harmonisches Ganzes bilden. Unbeholfen versucht man zwischen
den in riesigem Abstand verlegten Steinen zu balancieren, ohne sich den Fuß
zu verstauchen. Das ist schlimmer als das Katzenkopfpflaster des
Mittelalters. Dabei waren die Römer bautechnisch mindestens so versiert wie
das Mittelalter. Wie kann das sein?
## Stolz aufs „Originale“
Aber solche Gedanken lässt man gar nicht erst keinem, so stolz ist man auf
die [1][„original Römerstraße“]: Es ist ein so unglaublich archaisches
Gefühl, auf denselben ungeschlachten Basaltbrocken herumzutapsen, auf denen
auch die Römer mit ihren Wagen entlanggerumpelt sind.
Wobei: gerumpelt? Wirklich? Sollten die architektur-, statik- und
organisationsstarken Römer, die 100.000 Kilometer Fernstraßen, dazu
Wasserleitungen, Thermen und Tempel mit feinsten Mosaiken schufen,
ausgerechnet diese wichtige Straße zum Hafen so stümperhaft gebaut haben?
Sicher, die Römer transportierten Waren eher zu Wasser als zu Lande, weil
es billiger und schneller war. Allerdings nicht wegen der schlechten
Straßen, sondern weil Schiffe mehr Ware fassten als Wagen. Hm. Man sinniert
hin und her, und am Ende fragt man sich, ob das ganze Römerstraßen-Getue
ein Fake ist, inszeniert für gutgläubige Touristen.
## Die Steine sind echt, aber sonst …
Aber nein, ganz so schlimm ist es nicht; wenigstens die Steine aus dem
dritten Jahrhundert nach Christus sind echt. Sonst aber fast nichts, und
das kam so: Anno 1969/70 wollte man einen Domvorplatz – die Domplatte –
bauen und darunter eine Tiefgarage. Und wie es in Köln öfter passiert, wenn
man eine Baugrube aushebt (und aus unerfindlichen Gründen baut Köln – siehe
U-Bahn samt [2][Stadtarchiv-Einsturz] – bevorzugt unter der Erde), stieß
man auf Relikte aus der Römerzeit. In diesem Fall waren es Reste einer mit
Basaltsteinen lückenlos verfugten Hafengasse, die zu einem der Hafentore
führte.
Fein, so ein Fund, prima für die Archäologen – aber sollte man deswegen die
Tiefgarage verlegen? Natürlich nicht. Und da Zeit und Ort ohnehin oft nur
ungefähre Angaben sind, beschloss man, ein Teilstück vom 33 Metern
abzutragen und ein paar Meter weiter wieder hinzulegen – unterhalb des
[3][Römisch-Germanischen Museums]. Da würde es thematisch gut passen und
wäre außerdem ein wunderbarer Erlebnis- und Lernort.
Gesagt, getan. Man nummerierte die Steine der Reihenfolge nach – mit
Kreide, um nichts zu beschädigen – und legte sie bereit. Dann ward es
Abend, und man verließ den Ort. Um ihn am nächsten Morgen verändert
vorzufinden: Bei Nacht hatte es geregnet, die Nummern waren abgewaschen,
das Chaos groß.
Aber man fasste sich schnell. Sicher, man hätte jemand Fachkundiges mit der
Neusortierung des Steinhaufens beauftragen können. Aber das wäre
umständlich gewesen und hätte gedauert. Also verlegte man die Steine
einfach kreuz und quer, nannte das Ganze „Römerstraße“ und tat, als sei
nichts gewesen. So liegt sie bis heute, und die römischen Baumeister drehen
sich ob dieser posthumen Rufschädigung vermutlich im Grabe um.
## Ob es mit der Eröffnung 2026 klappt?
Aber es besteht Hoffnung: Vielleicht wird man im Zuge der Sanierung des
benachbarten Museums auch die Hafenstraße korrigieren. Allerdings, die 2022
begonnenen Bauarbeiten verzögern sich, und ob es mit der Eröffnung 2026
klappt, steht dahin. Auch das 130 Jahre alte „Dom-Hotel“ gegenüber steht
seit sieben Jahren sanierungsbedingt leer.
Einzig nicht eingerüstet ist die am oberen Ende der Hafengasse stehende
„Himmelsleiter“, eine zehn Meter hohe Granitskulptur von Heinz Mack. Als
grob behauener, sich leicht krümmender Klotz kontrastiert er recht
uncharmant mit den gotischen Verzierungen des Doms vis-à-vis. Der
Touristen-Folder nennt diesen Kontrast „reizvoll“.
Das Volk indes nutzte den Klotz zunächst als Kletterfelsen, aber das ist
inzwischen verboten. Auch wollten sich angesichts des allgemeinen Unmuts
zunächst weder der Lions Club – er hatte das Werk geschenkt – noch der
Kölner Stadtrat zu der Entscheidung bekennen, die Skulptur so prominent
aufzustellen. Inzwischen hat man sich daran gewöhnt, aber trotzdem: Kann
das mal jemand wegschaffen? Zum Beispiel auf der Römer-Rumpelstraße? Diesen
60-Kilo-Koloss trägt sie ganz bestimmt.
13 Mar 2023
## LINKS
[1] https://roemisch-germanisches-museum.de/Bodendenkmalpflege
[2] /Stadtentwicklung-in-Koeln/!5905636
[3] https://roemisch-germanisches-museum.de/Startseite
## AUTOREN
Petra Schellen
## TAGS
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