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# taz.de -- Boykott-Aktionen im Frauenfußball: Kickerinnen begehren auf
> Wider die Missstände im Verband: Wie sich Fußballprofis in Frankreich und
> Spanien gegen Unprofessionalität und schlechte Manieren wehren.
Bild: Mitglied im Klub der Boykotteurinnen: die französische Defensive Wendie …
Wendie Renard, Marie-Antoinette Katoto, Kadidiatou Diani, Patri Guijarro,
Mapi León, Aitana Bonmatí, Mariona Caldentey, Sandra Paños, Claudia Pina:
So klangvoll beginnt die Liste der 18 Spielerinnen aus Frankreich und
Spanien, die nach aktuellem Stand [1][die WM im Sommer] freiwillig
verpassen werden. Auch die rekonvaleszente Weltfußballerin Alexia Putellas
könnte sich noch für einen Boykott entscheiden. Alle Streikenden empfinden
die Situation in ihren Nationalteams als untragbar.
Es wäre ein Super-GAU für eine Branche, die den Fußball der Frauen gern als
ständigen Fortschritt inszeniert. Seit September verweigern 15 spanische
Nationalspielerinnen den Einsatz für ihr Team; seit vergangener Woche tun
selbiges drei Französinnen, auch hier unter großem Zuspruch von
Kolleginnen. Wenngleich [2][Streik im Fußball der Frauen] fast schon zum
Standardwerkzeug gehört, ist [3][dieser Massenboykott] ein Novum. Und die
Fälle weisen Parallelen auf.
Hier wie dort sprechen Spielerinnen anonym von einem System der Angst unter
Cheftrainerin Corinne Diacre beziehungsweise Cheftrainer Jorge Vilda von
Teamkameradinnen in Tränen, einer unerträglichen Atmosphäre und fehlender
Kommunikation. In beiden Fällen reagierte der Verband beleidigt und
kompromisslos auf die Widerworte. Das ist zunächst nichts weiter als eine
bemerkenswerte Gleichzeitigkeit, noch kein Systemproblem. Interessanter
wird es bei der sportlichen Kritik, die beide Lager in den Vordergrund
stellen.
## Verpasster Aufbruch
Französische Spielerinnen bemängeln amateurhaftes Management,
Unterbesetzung im Betreuerstab, schlechtes Training und Mängel bei Taktik
und Matchplan. Nach der Heim-WM 2019 sei ein Aufbruch verschlafen worden.
Die Spanierinnen, die Vilda als unfähig und unterqualifiziert bezeichnen,
kritisieren auch taktische und methodische Mängel, die einen hervorragenden
Kader seit Jahren auf der Stelle treten ließen.
Hier wird es tatsächlich systemisch: Spielerinnen, die in ihren Vereinen
beste Bedingungen haben, treffen auf Verbände, die immer noch so ignorant
und amateurhaft agieren wie vor Jahrzehnten. Sowohl Diacre als auch Vilda
(seit 2017 beziehungsweise 2015 im Amt) stehen seit Langem in der Kritik,
wurden aber jeweils vom Präsidenten geschützt – in Frankreich war es der
gerade der wegen mutmaßlicher sexueller Belästigung und Mobbing geschasste
Noël Le Graët, in Spanien Luis Rubiales. Beiden wird Desinteresse am
Frauenfußball nachgesagt.
Die Strukturen im Nationalteam stehen still, während sich der Klubfußball
rasant entwickelt. Kein Zufall ist daher die Klubzugehörigkeit der
Spielerinnen. In Spanien wird die Rebellion geführt von
[4][Barca]-Spielerinnen, in Frankreich liegt Diacre seit Jahren mit den
Frauen aus Lyon im Clinch. Beides innovative Spitzenklubs mit hohen
Standards. Dass beide Rebellionen beim Rivalen der Hauptstadt entsprangen
(während die Spielerinnen aus Madrid etwa angeblich unter Druck gesetzt
wurden, nicht teilzunehmen), gibt dem Aufruhr gleich noch eine politische
Komponente.
Die Profispielerinnen der Großklubs sind offensichtlich mächtig genug, ihre
Verbände herauszufordern, wie es zuvor schon Ada Hegerberg (ebenfalls Lyon)
getan hat. Ob sie mächtig genug sind, diesen Kampf zu gewinnen, wird sich
zeigen. Vilda zählt weiter auf den Support von Rubiales und hat derzeit
auch ohne die abtrünnigen 15 den sportlichen Erfolg auf seiner Seite.
Diacre hat mit Le Graët ihren Unterstützer verloren und könnte stürzen. Ein
unverhohlener Kritiker unter denen, die nun über ihre Zukunft entscheiden:
Jean-Michel Aulas, Besitzer von Olympique Lyon.
3 Mar 2023
## LINKS
[1] https://www.fifa.com/fifaplus/en/tournaments/womens/womensworldcup/australi…
[2] /Streik-im-spanischen-Frauenfussball/!5877655
[3] https://keepup.com.au/news/diani-and-katoto-join-renards-france-boycott-as-…
[4] /Bayerns-Sieg-ueber-Barcelona/!5897131
## AUTOREN
Alina Schwermer
## TAGS
Kolumne Press-Schlag
Frauenfußball
Boykott
Frauen-Fußball-WM 2023
Sexuelle Übergriffe
Frauenfußball
Turbine Potsdam
Fußball
Fußball-EM der Frauen 2022
Spanien
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