# taz.de -- Krieg und Angst im Kongo: Goma hat Hunger | |
> Die Millionenstadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo fühlt sich | |
> von den M23-Rebellen umzingelt. Preise explodieren, Gerüchte schwirren. | |
Bild: Flucht Richtung Goma von der Kriegsfront in den Masisi-Bergen, Anfang Feb… | |
GOMA taz | „Die M23 wird Goma erdrücken wie Küken im Nest“, lautet die | |
Whatsapp-Nachricht mit dem Appell, bei den Mächtigen der Welt | |
Aufmerksamkeit für das Schicksal der Millionenstadt zu wecken. Der Krieg, | |
den die M23-Rebellen im November 2021 von ihren Hochburgen im Dreiländereck | |
zwischen Ruanda, Uganda und Kongo neu starteten, hat sich rasch auf große | |
Teile der Provinz Nord-Kivu ausgebreitet und hält die Provinzhauptstadt im | |
Würgegriff. Seit ihrer [1][Eroberung der Grenzstadt Bunagana] im Juni 2022 | |
hat die M23 eine Reihe großer Ortschaften und strategischer Positionen | |
erobert und ganze Landstriche eingenommen. | |
Wird nun Goma, bereits seit Mai 2021 unter Kriegsrecht, an die M23 fallen? | |
Wer kann das schon sagen. Die Stadt liegt zwischen dem Kivu-See im Süden, | |
Ruanda im Osten und dem Virunga-Park im Norden und Westen, in und hinter | |
dem die M23 sich ausbreitet. Schon im November stieß die M23 nördlich von | |
Goma, nachdem sie von Bunagana kommend [2][die Distrikthauptstadt Rutshuru | |
erobert] hatte. Bis 20 Kilometer vor Goma vor. Dann wandten sich die | |
Rebellen gen Westen, durchquerten den Virunga-Nationalpark und eroberten | |
den Landkreis Bwito auf dem Weg in die Masisi-Berge westlich von Goma. | |
Unterwegs stießen sie auf zahlreiche bewaffnete Gruppen, wie die | |
Hutu-Nyatura und die lokalen Mayi-Mayi-Milizen mit solider Unterstützung | |
durch die ruandische Hutu-Exilmiliz FDLR, die alle entschlossen waren, sich | |
gemeinsam der von Kongos Regierung als terroristische Frontorganisation der | |
Armee Ruandas bezeichneten M23 entgegenzustellen. Ende November gab es bei | |
Kämpfen mit diesen Milizen [3][mehrere dutzend Tote im kleinen Ort | |
Kishishe], Symbol des Leidens einer Zivilbevölkerung in der Falle eines | |
Krieges, dessen Beweggründe sie nicht versteht und dessen Ausgang sie nicht | |
kennt. | |
Die M23 setzte danach ihren Vormarsch fort, während die Milizen sich zu | |
einer Koalition der „Patrioten“ zusammenschlossen. Die Patrioten und die | |
Armee sollten verhindern, dass die M23 sich in den Masisi-Bergen westlich | |
von Goma festsetzt, doch Ende Januar 2023 [4][eroberten diese auch die | |
Stadt Kitshanga], einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt. | |
Schon vorher litt Goma unter Lebensmittelmangel, weil die Hauptstraße von | |
Goma nach Norden, auf der die Bauern von Rutshuru ihre Agrarprodukte in die | |
Stadt bringen, abgeschnitten war. Mit Kitshanga wurde auch der Umweg durch | |
die Masisi-Berge weiter westlich unpassierbar. Und alle rechnen damit, dass | |
die Rebellen bald von den Bergen hinunter Richtung Goma marschieren | |
könnten. Jeder Vormarsch der Rebellen produziert dieselben wilden Gerüchte | |
und verrückten Vorhersagen, eine Fülle schrecklicher Audio- und | |
Videobotschaften kursiert in der Öffentlichkeit, so als ob man das Böse | |
austreibt, indem man es zur Schau stellt. | |
Goma hat Hunger. Zwanzig große Fische aus dem Edward-See, deren direkter | |
Weg nach Goma durch das M23-Gebiet versperrt ist, kosten auf Gomas | |
Zentralmarkt Virunga bis zu 150 US-Dollar, dreimal so viel wie früher. | |
Bohnen aus Rutshuru nehmen den Umweg über Uganda und Ruanda, bis sie auf | |
dem Birere-Markt von Goma wieder auftauchen – ein Teller Bohnen, eine | |
Goma-Grundmahlzeit, setzt diejenigen, die sich das noch leisten können, | |
jetzt um 3.500 kongolesische Franc (FC) zurück, also 1,5 US-Dollar, statt | |
2.000 wie früher. Rindfleisch aus den Farmen der Masisi-Berge ist Luxus | |
geworden: 12.000 FC pro Kilo, also 6 US-Dollar, statt 8000 wie früher. | |
Holzkohle, die bisher zumeist unter Kontrolle der FDLR aus wilder Abholzung | |
im Virunga-Nationalpark nach Goma kam, ist selten und teuer. Die | |
Kriegsvertriebenen im Lager Kanyarucinya am Nordrand Gomas übernehmen | |
diesen Geschäftszweig, aber sie sind weniger effizient als die | |
FDLR-Milizionäre: Ein 100-Kilo-Sack „Makala“ kostet jetzt 80.000 statt | |
50.000 FC, 40 statt 25 US-Dollar. All diese Preise sind in Relation zum | |
Einkommen der Menschen in Goma zu sehen, durchschnittlich 2 US-Dollar am | |
Tag – Richtwert ist der Tageslohn eines Bauarbeiters, 3 US-Dollar. | |
Die Freude war also groß, als die Militärbehörden von Nord-Kivu am 1. März | |
die [5][Wiederöffnung der Fernstraßen ankündigten], auch durch M23-Gebiet. | |
Hoch beladene Lastwagen, manche seit Monaten durch Kämpfe oder Zweifel | |
blockiert, machten sich aus anderen Teilen der Provinz auf den Weg in die | |
Hauptstadt. Die Großhändler der Märkte Birere und Virunga in Goma | |
erwarteten, dass sich Lagerhallen und Bäuche alsbald wieder füllen. Erste | |
Preise sanken bereits. | |
Aber die Freude war von kurzer Dauer. Schon am nächsten Tag [6][sperrten | |
die Militärbehörden den Verkehr wieder], nachdem die Nachricht von der | |
Ermordung eines Lkw-Fahrers auf der Straße von Rutshuru nach Goma auf | |
sozialen Netzwerken die Runde gemacht hatte. Das blieb auch so, als | |
derselbe Fahrer sich auf denselben Netzwerken [7][meldete] und sagte, es | |
sei alles ein Missverständnis: Er habe wegen einer Panne Hilfe gesucht und | |
seinen Lastwagen verlassen, und dann sei er mit dem reparierten Lkw nach | |
Goma gelangt und dort befragt worden. Mal sehen, ob der Verkehr nun bald | |
wieder läuft. | |
Derweil zeigt Goma seinen legendären Überlebensgeist. Am 16. Februar | |
startete die Wählerregistrierung für die Wahlen im Dezember 2023. In den | |
Kriegsvertriebenenlagern am Stadtrand wie auch in der Stadt selbst drängten | |
sich die Menschen, sie standen früh auf, sie stritten um Plätze, um den | |
berühmten Wählerausweis der Wahlkommission Ceni zu ergattern. Und was ist | |
mit den Wahlberechtigten in M23-Gebieten? „Bei der Schulung hat die Ceni | |
gesagt, wir werden die anderen in dem Maße registrieren, wie die Armee die | |
Gebiete zurückerobert“, erläutert ein Wahlhelfer im Vertriebenenlager | |
Kanyarucinya. Einen Tag später fällt die wichtige Bergbaustadt Rubaya in | |
den Masisi-Bergen an die M23. | |
5 Mar 2023 | |
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[4] /Kaempfe-im-Kongo/!5911866 | |
[5] https://twitter.com/GouvNordKivu/status/1631218828876165121 | |
[6] https://twitter.com/GouvNordKivu/status/1631326229243600901 | |
[7] https://twitter.com/VoiceOfKivu/status/1631522239882379264 | |
## AUTOREN | |
Onesphore Sematumba | |
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