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# taz.de -- Wahlabend in Berlin: Gute Laune auf grüner Zitterpartie
> Trotz CDU-Sieg ist die Stimmung auf der Grünen-Wahlparty optimistisch.
> Dort hofft man auf den Vorsprung zur SPD – und die Weiterführung der
> Koalition.
Bild: Gute Stimmung auf der Wahlparty der Grünen
BERLIN taz | Nicht nur die Abgeordnetenhauswahl wurde an diesem Sonntag
wiederholt – im Prinzip gab es auch eine Neuauflage der Zitterpartie bei
den Hochrechnungen vom September 2021. Damals hatte es [1][für ungefähr
eine Stunde so ausgesehen, als habe Bettina Jarasch für die Grünen den
ersten Platz] holen können. Diesmal gibt es zwar einen fundamentalen
Unterschied – die CDU ist an allen vorbeigezogen –, aber ob die Grünen oder
die SPD die Nase vorn haben, ist nach den ersten Hochrechnungen am
Sonntagabend noch völlig offen.
Trotzdem ist die Stimmung im brechend vollen Saal der
Heinrich-Böll-Stiftung in Mitte ausgezeichnet: Als um 18 Uhr die ersten
Zahlen über die TV-Projektionen an den Wänden laufen, die die Grünen ganz
knapp vor der SPD platzieren, gibt es ohrenbetäubendes Gejohle: „Vor der
SPD! Vor der SPD!“, schreit eine Frau von der Grünen Jugend und hüpft dabei
vor Freude auf und ab. Kurz darauf der nächste Freudenschrei: „Die FDP ist
raus! Die FDP ist raus!“
## Grüne kurz knapp vor SPD
Bei der [2][zweiten Hochrechnung um kurz vor 19 Uhr liegen die Grünen
zwischenzeitlich um Haaresbreite vorne], der Beifall fällt aber schon etwas
nüchterner aus. In der Zwischenzeit hat die grüne Bundeschefin Ricarda Lang
von der Bühne herab die Berliner Parteimitglieder in den höchsten Tönen
gelobt: „Bei einem Scheißwetter habt ihr einen starken Wahlkampf gemacht,
danke dafür!“ Merkwürdigerweise kommt niemand auf die Idee, Bettina Jarasch
lautzuschalten, die in diesem Augenblick an der Wand zusammen mit CDU-Chef
Kai Wegner ihr erstes Fernsehinterview gibt.
Jarasch trägt dabei eine grüne Lederjacke über einer schwarzen Bluse,
symbolischer geht es eigentlich nicht. Ob sie sich im Falle von Platz 2
nach der CDU nicht auch eine Koalition mit Wegners Partei vorstellen
könnte, wird sie gefragt, das sei ja immerhin einfacher als ein
Dreierbündnis. Die Kandidatin antwortet, man werde in diesem Fall das tun,
was man auch im Wahlkampf stets angekündigt habe: „Wir wollen die aktuelle
Konstellation weiterführen und werden deshalb mit der SPD und den Linken in
Gespräche gehen.“
Auf den Gesichtern des grünen Politikpersonals in der Böll-Stiftung ist
derweil immer noch eine Menge Skepsis zu erkennen. „Alles gut?“, fragt eine
Besucherin der Wahlparty im Vorbeigehen die Abgeordnete Catherina Pieroth.
„Wiss’ ma noch nich“, lautet deren lakonische Antwort. Die Bürgermeister…
von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann, weiß zwar auch noch nicht, ob
am Ende alles gut wird, freut sich aber über das – objektiv betrachtet –
ausgezeichnete Wahlergebnis und plädiert für ein Weiter-so: „Berlin hat für
eine progressive Regierung gestimmt, die Klimaschutz und Mieterschutz in
den Mittelpunkt stellt.“
## Jarasch bekommt tosenden Applaus
Um kurz vor neun betritt dann Bettina Jarasch den Saal, strahlend, aber
deutlich gesetzter als 2021 – damals, beschwingt vom vermeintlichen Sieg,
flog sie regelrecht auf die Bühne. Der Beifall ist trotzdem auch jetzt
ohrenbetäubend und will nicht enden. „Jetzt rede ich!“, ruft sie irgendwann
gegen die Ovationen an und lobt erst einmal ausführlich den
Durchhaltewillen der HelferInnen. So aggressiv und hart wie noch nie sei es
im Wahlkampf zugegangen, aber das habe niemanden davon abgehalten, bis
zuletzt auf die Straße zu gehen.
Dann [3][spricht sie das Offensichtliche aus]: „Wir wissen noch nicht, wie
es ausgeht – und dass wir nicht zu früh jubeln sollten.“ Allerdings – sie
lacht – habe sich die kurzlebige Euphorie bei der letzten Wahl schon wegen
der rauschenden Party gelohnt. „Damals war ich schon mal für einen Tag
Regierende. Wenn wir Glück haben, kann ich es jetzt für drei Jahre werden.“
Der Saal tobt. Die Grünen seien mit einer klarer Veränderungsbotschaft
angetreten. Es gebe in der Gesellschaft „disruptive Veränderungen“, das
mache vielen Angst, „und dann hat man einen schweren Stand“. Aber die
Grünen stünden für eine bessere Zukunft.
„Was vor uns liegt, wird noch kompliziert“, so die Spitzenkandidatin. Es
lägen schwierige Verhandlungen vor den Grünen, in denen es die Kernthemen
wie Klimaschutz, Mieterschutz oder Verkehrswende zu verteidigen gelte.
Dabei stehe das Gemeinwohl im Zentrum ihrer Politik. „Unser Maßstab sind
die Schwächsten“, ruft sie in den Saal, „und ich lasse mir nie wieder
vorwerfen, dass wir eine Klientelpartei sind!“
12 Feb 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Claudius Prößer
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