| # taz.de -- Hilfsorganisation aus Berlin: „Schwer, die Balance zu halten“ | |
| > Eine Gruppe von Helfer:innen liefert ehrenamtlich Hilfsgüter in die | |
| > Ukraine. Ein Gespräch über die Herausforderungen seit Kriegsbeginn. | |
| Bild: Die Initiative Ukraine Solidarity Bus fährt monatlich nach Lwiw | |
| taz: Bereits seit April 2022 ist eure Gruppe im Einsatz, jetzt steht die | |
| zwölfte Fahrt in die Ukraine an. Hat sich in der Spendenbereitschaft etwas | |
| verändert? | |
| Reneé Somnitz: Ja, sehr. Die sehr hohe Spendenbereitschaft am Anfang hat | |
| nachgelassen, andere Themen rücken mehr in den Fokus. Ob Katastrophen wie | |
| das Erdbeben in der Türkei und Syrien oder auch einfach das alltägliche | |
| Leben. Durch die Inflation und die steigenden Energiekosten müssen auch | |
| hier in Deutschland die Menschen mehr aufs Geld schauen. Wir sammeln zwar | |
| auch Sachspenden, versuchen aber hauptsächlich Geld zur Verfügung zu haben | |
| – denn damit können wir das einkaufen, was konkret gebraucht wird. | |
| Karina S.: Bevor wir mit der Planung der kommenden Fahrt angefangen haben, | |
| haben wir festgestellt, dass wir im Minus sind. Wir wussten anfangs | |
| überhaupt nicht, ob wir die Fahrt machen können. | |
| Ihr arbeitet alle ehrenamtlich, wie organisiert ihr das? | |
| Karina S.: Mittlerweile sind wir 12 Aktive. Alle machen das freiwillig und | |
| neben ihren Hauptberufen und dem Familienalltag. Da ist es manchmal schwer, | |
| die richtige Balance zu halten, man will schließlich so viel wie möglich | |
| schaffen. | |
| Renée Somnitz: Wir versuchen die Arbeit so gut es geht aufzuteilen und | |
| klare Absprachen zu treffen. Es gibt ein gutes Zusammenspiel in der Gruppe, | |
| viele kennen sich schon sehr lange. Aber klar: Manchmal ist es auch | |
| belastend, wenn nicht alles so möglich ist, wie man sich es wünschen würde. | |
| Wie laufen eure Vorbereitungen ab? | |
| Renée Somnitz: Da gilt: Nach der Fahrt ist vor der Fahrt. Wir versuchen | |
| alle vier bis fünf Wochen zu fahren, mit den Planungen geht es aber schon | |
| etwa drei Wochen vorher los. Im ersten Schritt wird intern geklärt, wer | |
| Zeit hat und wer die nächste Fahrt machen kann. Dann treten wir mit unseren | |
| Partner:innen in Kontakt, klären ab, was am dringlichsten gebraucht wird | |
| und überlegen uns, wie wir das besorgen können. Am Abend vor der Fahrt wird | |
| alles sortiert, die Päckchen werden in verschiedenen Sprachen gelabelt. | |
| Morgens wird alles eingeladen. Wir fahren mit einem Minibus mit großem | |
| Kofferraum, da geht schon einiges rein. | |
| Karina S.: Nach dem Transport werden die Hilfsgüter an die | |
| Partnerorganisationen vor Ort übergeben, diese verteilen sie dann an | |
| [1][Krankenhäuser] oder geben sie weiter an verschiedene Orte in der | |
| Ukraine. | |
| Welche Hilfsgüter werden am dringendsten gebraucht? Hat sich das gewandelt? | |
| Karina S.: Das ändert sich eigentlich bei jeder Fahrt. Anfangs haben wir | |
| hauptsächlich Medikamente und Verbandsmaterial geliefert, im Winter dann | |
| viele Generatoren, die den Menschen Wärme spenden. Momentan liefern wir | |
| kaum Medikamente, sondern transportieren alles, was die Menschen so im | |
| Haushalt brauchen: Decken, Kochplatten, auch warme Kleidung und | |
| Hygieneartikel. | |
| Wie verkraftet man das? Wenn man dann wieder in den Bus steigt und nach | |
| Deutschland zurückfährt? | |
| Karina S.: Ich fahre nicht mit. Ich bin zwar aus der Ukraine, kann es mir | |
| aber bisher nicht vorstellen, hinzufahren. | |
| Renée Somnitz: Ich bin zweimal gefahren. Einerseits ist es eine lange | |
| Strecke, andererseits aber auch irgendwie gar nicht. Wir sind meistens drei | |
| Tage lang unterwegs: Freitags fahren wir hin, samstags treffen wir die | |
| Partner:innen, verteilen die Hilfsgüter, tauschen uns aus, am Sonntag | |
| fahren wir wieder zurück. Trotz der kurzen Zeit vor Ort ist man sofort in | |
| einer anderen Welt. Auch in der Ukraine gibt es einen Alltag, die Leute | |
| sind draußen, die Cafés haben alle offen. Dass die Menschen sich nicht | |
| entmutigen lassen, hat mir auch Kraft gegeben. Gleichzeitig ist es | |
| natürlich überhaupt kein Alltag. Wir nehmen auf jeder Rückfahrt auch | |
| [2][Menschen aus der Ukraine mit zurück nach Berlin]. Dann sitzt man zehn | |
| Stunden zusammen im Bus und kommt ins Gespräch. Das ist natürlich sehr | |
| bewegend. | |
| Woher nehmt ihr eure Motivation? | |
| Karina S.: Ich lebe schon seit 2009 in Deutschland. Als ich nach Berlin | |
| gekommen bin, hatte ich zwar immer noch meine Familie in der Ukraine, aber | |
| ich war nie so stark mit meiner Heimat verbunden. Das ist inzwischen ganz | |
| anders geworden. Ich habe Freunde, die an der Front sind, ich habe einen | |
| Freund, der in Gefangenschaft ist. Es gibt keine Pause vom Krieg. Und die | |
| Gruppe ist für mich dabei wirklich wie ein Boot. | |
| Renée Somnitz: Ich habe Slawistik studiert, Russisch und Polnisch und war | |
| selbst lange in Russland. Ich habe zwar keine Verbindungen in die Ukraine, | |
| fühle mich aber trotzdem sehr verbunden mit der Region. Für mich ist es | |
| weiterhin eine Selbstverständlichkeit zu helfen. Es gibt Menschen, die | |
| Unterstützung brauchen, und die kann die Ukraine als Staat gerade nicht | |
| bereitstellen. Mit unserer Gruppe können wir einen kleinen Beitrag leisten, | |
| der direkt bei den Menschen ankommt. Ich brauche danach aber auch ein paar | |
| Tage, um wieder in meinem Alltag anzukommen. | |
| 24 Feb 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Gesundheitssystem-in-der-Ukraine/!5857732 | |
| [2] /Ukrainische-Gefluechtete-in-Berlin/!5878031 | |
| ## AUTOREN | |
| Lea Fiehler | |
| ## TAGS | |
| Hilfsorganisation | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Geflüchtete | |
| Solidarität | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Schwerpunkt Krieg in der Ukraine | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Vier weitere Leopard-2-Kampfpanzer | |
| G7 sagen der Ukraine weiterhin unbefristete Unterstützung zu. Bundeskanzler | |
| Olaf Scholz fordert die Beendigung des Krieges. Deutschland schickt weitere | |
| Leopard-2-Kampfpanzer in die Ukraine. | |
| Erster Jahrestag des Ukrainekriegs: Wie der Krieg enden könnte | |
| Was sind die roten Linien Russlands? Welche Interessen haben die USA? Der | |
| Versuch einer Vorschau auf schmerzhafte Entwicklungen und schmutzige Deals. | |
| Hilfstransporte nach dem Erdbeben: „Syrien im Stich gelassen“ | |
| Die UN werden für ihre zögerliche Erdbebenhilfe in Syrien kritisiert. Noch | |
| immer wird über mehr Zugang zu den Rebellengebieten gestritten. | |
| Ukraine-Hilfsprojekt in Berlin: „Jeder gibt so viel, wie er kann“ | |
| Der Verein „Be an Angel“ unterstützt Menschen in der Ukraine und arbeitet | |
| in Odessa. Ein Gespräch über Evakuierungen und die Lage vor Ort. |