Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bundesverfassungsgericht zu AfD-Stiftung: Kein Geld ohne Gesetz
> Bisher hat die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung kein Geld bekommen.
> Zu Unrecht, sagt Karlsruhe. Der Grund: Die Finanzierung ist unklar
> geregelt.
Bild: Das Bundesverfassungsgericht bei seiner Urteilsverkündung am 22. Februar…
Karlsruhe taz | Der Bundestag hat die Rechte der AfD auf Chancengleichheit
der Parteien verletzt, weil er der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung
ohne gesetzliche Grundlage im Jahr 2019 Zuschüsse verweigerte. Dies
entschied an diesem Mittwoch das Bundesverfassungsgericht und gab damit
einer Organklage der AfD statt. Eine Nachzahlung von Geldern ordnete das
Gericht nicht an.
Derzeit bekommen sechs parteinahe Stiftungen Geld aus dem Bundeshaushalt.
Im Jahr 2019 waren es insgesamt 660 Millionen Euro. Empfänger sind die
[1][Konrad-Adenauer-Stiftung] (CDU-nah), die [2][Friedrich-Ebert-Stiftung]
(SPD-nah), die [3][Heinrich Böll-Stiftung] (grün-nah), die
[4][Friedrich-Naumann-Stiftung] (FDP-nah), die [5][Rosa-Luxemburg-Stiftung]
(links-nah) und die [6][Hanns-Seidel-Stiftung] (CSU-nah).
Zwei Drittel des Geldes fließt in Auslandsprojekte, insbesondere in die
weltweite Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
Zivilgesellschaft. Knapp ein Viertel der Stiftungsgelder erhalten mehr oder
weniger parteinahe Stipendiat:innen. Den Rest, rund 130 Millionen Euro,
erhielten die Stiftungen als „Globalzuschüsse“ für politische Bildung,
Forschung und Politikberatung.
Im Karlsruher Verfahren ging es nur um die Globalzuschüsse. Die AfD
beantragte ab 2019, dass auch die [7][Desiderius-Erasmus-Stiftung] (DES)
staatliche Zuschüsse erhalten solle. Die AfD hatte die DES als parteinah
anerkannt. Vorsitzende ist Erika Steinbach, die zuvor fast 30 Jahre lang
für die CDU im Bundestag saß und seit 2022 AfD-Mitglied ist. Der Bundestag
verweigerte der AfD-nahen Stiftung jedoch Jahr für Jahr die Zuschüsse.
„Eingriff in die Rechte der Partei“
Anfangs hieß es zur Begründung, dass die AfD erst noch zeigen müsse, dass
sie eine dauerhafte Kraft ist. Nach dem zweiten Einzug in den Bundestag
2021 beschlossen die anderen Fraktionen erstmals einen Vermerk zum
Bundeshaushalt 2022, wonach parteinahe Stiftungen nur dann finanziert
werden, wenn keine Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen. Wieder ging
die DES leer aus.
Im aktuellen Urteil ging es nur um das Jahr 2019. Für die Jahre 2020 und
2021 hatte die AfD zu spät geklagt. Und für das Jahr 2022 wurde das
Verfahren abgetrennt, weil die AfD hier ihren Antrag erst zwei Wochen vor
der mündlichen Verhandlung Ende Oktober gestellt hatte. Der Bundestag und
die Bundesregierung hätten sich darauf nicht ausreichend vorbereiten
können. Um die 2022 erstmals geforderte Verfassungstreue ging es daher im
Urteil nur am Rande.
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vizepräsidentin Doris
König stellte fest, dass die Verweigerung der Finanzierung einer
parteinahen Stiftung ein Eingriff in die Rechte der Partei selbst
darstellt. Denn die Arbeit der Stiftung nütze ihr im Parteienwettbewerb,
auch wenn die Stiftungen personell mit den jeweiligen Parteien nicht
identisch sein dürfen und auch keinen Wahlkampf betreiben dürfen. Doch in
der politischen Bildung verbreiten die Stiftungen allgemeines Gedankengut
der jeweiligen Parteien. Bei der politischen Forschung liefern sie
nützliche Erkenntnisse und die Begabtenförderung helfe bei der Gewinnung
und Förderung qualifizierten Nachwuchses. Der Nutzen für die jeweilige
Partei sei zwar nicht messbar, aber es wäre realitätsfremd, einen Nutzen zu
bestreiten, so die Richter:innen.
Dieser Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien ist nur auf
gesetzlicher Grundlage möglich – das ist die zentrale Aussage des aktuellen
Urteils. Ein Vermerk im Haushaltsgesetz (wie 2022) genüge nicht, da das
Haushaltsgesetz keine Außenwirkung habe. Nur weil ein solches Gesetz fehlt,
nahmen die Richter:innen eine Verletzung der Rechte der AfD an.
Falls der Bundestag der AfD-nahen Stiftung weiter Gelder verweigern will,
muss er also ein Gesetz beschließen. Hierfür habe das Parlament einen
gewissen „Gestaltungsspielraum“, so die Richter:innen. Unbedenklich sei
jedenfalls eine Norm, die parteinahen Stiftungen nur dann Anspruch auf
Finanzierung gibt, wenn es sich um eine „dauerhafte, ins Gewicht fallende
Grundströmung“ handelt. Möglich sei auch, so Karlsruhe, eine parteinahe
Stiftung von der Finanzierung auszuschließen, wenn dies „zum Schutz der
freiheitlichen demokratischen Grundordnung“, also zum Schutz von
menschenwürde, Demokratie und Rechtsstaat „erforderlich“ ist. Details
hierzu nannten die Richter:innen nicht.
Ulrich Vosgerau, der Rechtsvertreter der AfD, forderte eine Nachzahlung von
Zuschüssen für das Jahr 2019. Dies hat das Gericht jedoch nicht angeordnet.
Es hat nur festgestellt, dass die Verweigerung der Zuschüsse für die DES
2019 verfassungswidrig war. Inzwischen kündigten alle Ampelparteien an,
dass sie kurzfristig ein entsprechendes Gesetz erarbeiten wollen. „Kein
Geld für Verfassungsfeinde – nach diesem Grundsatz werden wir nun schnell
ein Stiftungsgesetz im Deutschen Bundestag erarbeiten und verabschieden“,
sagte etwa Johannes Fechner, Justiziar der SPD-Fraktion.
„Es ist Ausdruck der wehrhaften Demokratie der Bundesrepublik Deutschland,
dass der freiheitliche Staat nicht die Feinde der Freiheit alimentieren
muss“, betonte der FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle, „jeder Euro
Steuergeld für die AfD-Stiftung wäre ein Euro zu viel“, Für die Grünen wi…
Konstantin von Notz darauf hin, dass die Fraktion schon in der letzten
Wahlperiode einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt hatte.
Mit der Verabschiedung eines Stiftungsgesetzes dürfte die
Auseinandersetzung um die AfD-nahe Stiftung aber nicht zu Ende sein. Wenn
der Bundestag zu hohe Anforderungen an die Verfassungstreue von Stiftungen
stellt, dürfte die AfD gegen das Gesetz klagen. Das
Bundesverfassungsgericht müsste dann prüfen, ob die Anforderungen
unverhältnismäßig sind. Außerdem könnte die Stiftung selbst gegen eine
Verweigerung von Geldern klagen, mit dem Argument, sie sei gar nicht so
extremistisch wie angenommen. Hierüber würde dann ein Verwaltungsgericht
entscheiden.
Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, sieht solchen Klagen
gelassen entgegen: „In Vorstand und Kuratorium der AfD-nahen Stiftung
finden sich neben der Vorsitzenden Erika Steinbach Personen, die in der
rechtsextremen Szene aktiv sind und direkte Verbindungen in das
rechtsextreme Umfeld der Identitären Bewegung haben.“ Davor warne die
Bildungsstätte schon seit Jahren, so Mendel.
22 Feb 2023
## LINKS
[1] https://www.kas.de/de/home
[2] https://www.fes.de/
[3] https://www.boell.de/de
[4] https://www.freiheit.org/de
[5] https://www.rosalux.de/
[6] https://www.hss.de/
[7] https://erasmus-stiftung.de/
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Schwerpunkt AfD
Desiderius-Erasmus-Stiftung
Bundesverfassungsgericht
Karlsruhe
Schwerpunkt AfD
Desiderius-Erasmus-Stiftung
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt AfD
## ARTIKEL ZUM THEMA
AfD-nahe Erasmus-Stiftung: Verfassungstreue als Maßstab
Wie lässt sich die staatliche Förderung einer AfD-nahen Stiftung
verhindern? Nicht direkt per Gesetz, sagt ein Rechtsgutachten dazu.
Urteil zur AfD-nahen Erasmus-Stiftung: Millionen für rechte Denkfabrik?
Am Mittwoch urteilt das Verfassungsgericht über die Stiftungsfinanzierung.
Die AfD klagt gegen ihren Ausschluss.
10 Jahre AfD: Von Blau zu Braun
Vor zehn Jahren gründeten ein paar ältere Herren die AfD. Seitdem hat sie
sich immer weiter radikalisiert. Welche Verantwortung tragen ihre Gründer?
Geld für Desiderius-Erasmus-Stiftung: Das Abwarten ist absurd
Die AfD-Stiftung mit Steuergeldern nähren? Ein liberaler Rechtsstaat
zeichnet sich eben nicht dadurch aus, dass er seine Gegner auch noch
finanziert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.