# taz.de -- Zweites Treffen von CDU und Grünen: Eine Sache für Brückenbaueri… | |
> Auch die zuvor äußerst strittigen Themen Innere Sicherheit, Verkehr und | |
> Enteignung lassen die schwarz-grüne Koalitionsoption nicht platzen. | |
Bild: Sie würden eine schwarz-grüne Koalition in Berlin anführen: Kai Wegner… | |
BERLIN taz | Wieder vor dem früheren Gasometer in Schöneberg, wieder | |
Händeschütteln und teils Umarmungen. Sogar ein Wangenkuss ist dabei, als | |
sich CDU und Grüne am Mittwochmorgen zum zweiten Mal treffen. Wieder geht | |
es darum auszuloten, ob das in Berlin schier Unmögliche doch möglich ist, | |
nämlich eine schwarz-grüne Koalition. Nach leichterem Beginn beim ersten | |
Sondierungsgespräch vergangenen Freitag soll es nun ans Eingemachte gehen. | |
CDU-Verhandlungsführer Kai Wegner nennt vor Beginn gegenüber Journalisten | |
vor allem Wohnungsbau und Verkehr, Bettina Jarasch fügt für die Grünen | |
innere Sicherheit hinzu. | |
Am späten Nachmittag ist klar: Auch diese umstrittenen Themen, inklusive | |
Enteignung großer Wohnungseigentümer, sorgen nicht für einen Abbruch der | |
Gespräche. Vielmehr soll es am Dienstag weiter gehen. „Wir haben bei all | |
diesen Themen festgestellt, dass man Gräben auch überbrücken kann, wenn man | |
tatsächlich an Lösungen interessiert ist“, wird Jarasch, die sich langem | |
[1][als Brückenbauerin sieht], sieben Stunden später resümieren. Als | |
„lösungorientert“ bezeichnet Wegner das Treffen. | |
Ein Zeitlimit hatten sich beide Seiten nicht gesetzt, man wollte so weit | |
kommen wie möglich. Am Montag, als die CDU an gleicher Stelle mit der SPD | |
tagte, [2][dauerten die Gespräche sechs Stunden], ohne dass alle Bereiche | |
abgearbeitet waren. „Heute geht es um Themen, wo wir durchaus wissen, dass | |
es da unterschiedliche Auffassungen in einigen Bereichen gibt“, beschreibt | |
Wegner am Morgen die Ausgangslage. Die Grünen hatten beispielsweise im | |
Wahlkampf die Vornamen-Anfrage der CDU zur Silvesternacht als rassistisch | |
bewertet. | |
Wegner wiederum konnte sich bei einer RBB-Spitzenkandidatenrunde mit Blick | |
auf die Verkehrspolitik eine Koalition mit den Grünen „nicht vorstellen“. | |
Ausgeschlossen hatte er allerdings dazu nichts, und auch führende Grüne | |
wiesen schon vor der Wahl darauf hin, dass ihre Partei zwar viel an der CDU | |
kritisiert, aber eben nichts ausgeschlossen hätte. | |
Zusammen sitzen sie an diesem Mittwoch an einem Ort, der für das jetzige | |
Treffen durchaus Bedeutung hat. In jenem „Café im Wasserturm“, einem | |
Backsteinbau neben der Baustelle des Ex-Gasometers, in dem künftig die Bahn | |
zu Hause ist, nahm Wegner im März 2019 [3][Anlauf zum CDU-Landesvorsitz] – | |
für ihn die Basis zur Spitzenkandidatur. | |
## Die Grünen loten auch die Option Rot-Grün-Rot aus | |
Seine grünen Gesprächspartner hatten 16 Stunden vor dem Treffen mit der CDU | |
noch mit SPD und Linkspartei zusammengesessen und erstmals offiziell über | |
eine Fortsetzung der bisherigen links-grünen Koalition beraten. Es war | |
danach durchaus einiges an Konjunktiv zu hören vor der Müllerstraße 163 im | |
Wedding, wo der Berliner Landesverband der SPD residiert. Getrennt nach | |
Parteien traten die führenden Köpfe der drei Parteien dort auf den | |
Bürgersteig und schilderten rund einem Dutzend Journalisten ihre Sicht auf | |
das Treffen. „… wenn wir weitermachen würden“, war etwa von der grünen | |
Delegationschefin Jarasch zu hören, und bei der SPD klang, untermalt vom | |
Lärm vorbei rauschender Autos, auch manches nach „wäre“ und „müsste“. | |
Und während von der Linkspartei zu hören war, in die inhaltliche Analyse | |
werde man erst bei einem zweiten Treffen am Donnerstag einsteigen, ging es | |
laut SPD-Co-Landeschefin Franziska Giffey durchaus schon um Inhalte. | |
„Selbstverständlich kann man eine Diskussion über Gründe nicht führen, oh… | |
über Themen zu sprechen“, sagte die seit 2021 amtierende Regierende | |
Bürgermeisterin. Allen sei klar gewesen, dass es Veränderungen geben müsse, | |
sowohl inhaltlicher Art als auch im Umgang miteinander. | |
Auf die Frage, ob es moralisch vertretbar sei, wenn Rot-Grün-Rot trotz | |
klarer Verluste weitermacht, konterte Linkspartei-Landeschefin Katina | |
Schubert: „Haben Sie sich mal die Mehrheitsverhältnisse im Parlament | |
angeschaut? Rot-Grün-Rot ist die Kombination mit der bei Weitem größten | |
Mehrheit.“ Für Kultursenator Klaus Lederer, Spitzenkandidat bei der Wahl am | |
12. Februar und Jurist, wäre eine Fortsetzungen des bisherigen Bündnisses | |
„total legitimiert“. | |
Raed Saleh, Giffeys Co-Vorsitzender an der Spitze der SPD, sagte, man habe | |
„in der Sache durchaus hart“ über [4][das Wahlergebnis] diskutiert. Bei der | |
hatten alle drei bisherigen Koalitionspartner gegenüber der für ungültig | |
erklärten Wahl vom 26. September 2021 verloren. Am meisten gilt das für die | |
SPD, die um drei Prozentpunkte auf 18,4 Prozent absackte, ihr schlechtestes | |
Berliner Ergebnis seit dem 2. Weltkrieg, am wenigsten die Grünen, die einen | |
halben Prozentpunkt verloren, und ebenfalls auf 18,4 Prozent kamen. Vorn | |
liegt die SPD bloß, weil sie nach bisherigem Stand landesweit rund 100 | |
Stimmen mehr bekommen hat bekommen hat als die Grünen. | |
Ob es dabei bleibt, bleibt mindestens bis Montag offen. Dann tagt der | |
[5][Landeswahlausschuss] und stellt nach zahlreichen Kontrollen und | |
Überprüfungen in den Bezirken das amtliche Endergebnis der Wahl fest. | |
Liegen die Grünen dann vor der SPD, könnten sie anders als bei einer | |
Koalition mit der CDU über ein grün-rot-rotes Bündnis erstmals die Berliner | |
Regierungschefin stellen. In diesem Amt wäre Bettina Jarasch die erste | |
grüne Ministerpräsidentin in Deutschland. Wobei bislang offen ist, ob die | |
SPD eine solche Rolle als Juniorpartnerin annähme und nicht lieber erstmals | |
seit 34 Jahren in die Opposition ginge. | |
22 Feb 2023 | |
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[1] /Landesparteitag-Gruene-in-Berlin/!5756829 | |
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[3] /Archiv-Suche/!5582553&s=Wegner+Gr%C3%BCtters&SuchRahmen=Print/ | |
[4] https://wahlen-berlin.de/wahlen/BE2023/AFSPRAES/agh/index.html | |
[5] https://www.berlin.de/wahlen/organisation/landeswahlleitung/artikel.749726.… | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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