Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Polizeipräsenz in Berlin: Wache mit Aussicht
> Die Polizei hat am Mittwoch ihre Räume oberhalb des Kottbusser Tors
> eröffnet. Ihre Präsenz ist in dem problembelasteten Kiez weiter heftig
> umstritten.
Bild: Es gab schon Proteste, da war die Eröffnung noch weit weg
Berlin taz | So blau war das Kottbusser Tor schon lange nicht mehr.
Funkwagen der Polizei, so weit das Auge reicht, Absperrgitter, an denen
Uniformierte Ausweise kontrollieren. Nur wer auf der Gästeliste steht,
erhält an diesem Mittwoch [1][Einlass in die neue Polizeiwache im ersten
Stock des Neuen Kreuzberger Zentrums], auf der Brücke, die die
Adalbertstraße überquert. Direkt nebenan befindet sich das Café Kotti, ein
beliebter Treffpunkt von Refugees, Illegalisierten und der linken
Kreuzberger Szene.
Auf dem Platz protestieren rund 200 Leute gegen die Wache, von ihren
Sprechchören dringt aber kaum etwas ins Innere der neuen Polizeistation,
die wie ein Wachturm über dem Platz thront.
„Wow, ist das ein Ausblick“, ruft Innensenatorin Iris Spranger (SPD) vor
einem der bodentiefen Fenster aus Sicherheitsglas, bevor die
Eröffnungszeremonie beginnt. Nach Norden reicht der Blick bis zum früheren
Mauerstreifen, nach Süden bis zum U-Bahn-Viadukt mit dem Bahnhof Kottbusser
Tor. Rund 200 Quadratmeter groß ist die in sechs Räume unterteilte Wache.
Früher befand sich hier ein Wettbüro.
Alles ist ist hell, modern und mit neuester Technik ausgestattet. Besucher
müssen klingeln. Wenn geöffnet wird, gelangen sie als Erstes in eine
Sicherheitsschleuse, die mit einem Schalter aus Sicherheitsglas und einer
Durchreiche für Papiere ausgestattet ist. Eine Tür weiter, die nur von
innen auf Knopfdruck geöffnet werden kann, befindet sich der richtige
Schalter, wo Face-to-face-Gespräche stattfinden können.
## Sorge vor Anschlägen
Erst am Morgen hat der [2][Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP),
Benjamin Jendro], im rbb-Inforadio seine Sorge um die Sicherheit des
Personals geäußert: Die Wache sei zu klein, die Lage wie auf einem
Präsentierteller. „Wir können wahrscheinlich die Uhr stellen, wann es dort
die ersten Attacken gegen die Polizei gibt“, hatte Jendro schon früher im
Gepräch mit der taz kritisiert.
Sehr genau werde man das beobachten, sagt Iris Spranger dazu bei der
Eröffnungsfeier. Die Kundgebung gegen die Polizeiwache auf dem Platz
betrachtet sie als wenig legitim: „Die Protestler wohnen hier nicht.“ Ganz
so einfach ist es aber nicht: [3][Die Meinung von Anwohnern und
Gewerbetreibenden ist nach wie vor gespalten.]
Das Kottbusser Tor wird von der Polizei als „kriminalitätsbelasteter Ort“
(kbO) eingestuft. Für Verunsicherung sorgen vor allem kriminelle Banden,
die im Windschatten der Drogenszene agieren. Diese hat seit Jahrzehnten im
östlichen Bereich des Kotti ihren Treffpunkt: an einem Seiteneingang des
U-Bahnhofs, [4][wo der freie Träger Fixpunkt im Frühjahr 2022 einen
sogenannten Druckraum aufgemacht hat].
Die zunehmende Verarmung führe dazu, dass „Junkies und Obdachlose präsenter
werden“, hatte die grüne Bezirksbürgermeisterin Clara Herrmann kürzlich
gegenüber der taz eingeräumt. Gemeint war damit, dass Menschen in den
Hausfluren konsumieren, schlafen und auch ihre Notdurft verrichten.
Wenn sich die Bevölkerung am Kotti in etwas einig ist, dann darin: Es
braucht eine Stärkung der Straßensozialarbeit, Toiletten, mehr Beleuchtung
und ein besseres Verkehrskonzept.
## Rundum Videoüberwachung
Zumindest an der Hauswand der Polizeiwache sind nun riesige Scheinwerfer
angebracht worden. Innen- und Außenbereich der Wache sind videoüberwacht.
Über große, geschwungene Bildschirme, die am Mittwochvormittag noch nicht
angeschaltet sind, lässt sich im Inneren das Geschehen verfolgen. Die Räume
sollen rund um die Uhr mit drei Beamten besetzt sein.
Die Behauptung der GdP, es habe sich kein freiwilliges Personal für die
Wache gefunden, dementiert Stefan Kranich, Leiter des Kreuzberger
Abschnitts 53, dem die Kotti-Wache unterstellt ist. Große Teile der
Belegschaft würden aus dem Abschnitt rekrutiert, geplant sei ein Wechsel
zwischen sogenannter Präsenz-Streifentätigkeit und Dienst auf der Wache.
Die Fremdsprachenkenntnisse der Polizeikräfte reichten von Türkisch,
Russisch und Polnisch bis hin zu fünf verschiedenen arabischen Dialekten
und Gebärdensprache. „Wir waren schon immer ein bunter Haufen“, sagt
Kranich.
„Ich bin unwahrscheinlich stolz darauf, dass wir es gemeinsam geschafft
haben“, sagt die Innensenatorin bei der symbolischen Schlüsselübergabe an
den Abschnittsleiter. Sehr viel Gegenwind habe es gegeben. Nach jahrelangen
Diskussionen an runden Tischen müsse nun aber auch mehr am Kottbusser Tor
geschehen. Sie sei bereit, ihren Beitrag dazu zu leisten.
Aber auch der Bezirk sei in der Pflicht. „Nach fünf Jahren eine Toilette
auf den Platz zu stellen wird nichts lösen“, so Spranger. Der Satz geht ins
Leere, die Bezirksbürgermeisterin ist nicht zur Eröffnung gekommen. Aus
terminlichen Gründen, so Herrmanns Pressesprecherin zur taz.
Ercan Yaşaroğlu, Inhaber des Café Kotti, steht vor seinem Laden und schaut
hinüber zu den neuen Nachbarn. Yaşaroğlu war nicht gegen eine Wache am
Kotti, aber gegen diesen Standort. Jetzt sagt er, vielleicht werde es ja
doch eine bürgernahe Wache, wie die Davidwache in Hamburg. „Mal sehen, was
passiert.“
15 Feb 2023
## LINKS
[1] /Drogenszene-am-Kottbusser-Tor/!5907956
[2] /Polizeiwache-am-Kottbusser-Tor/!5843620
[3] /Drogenszene-am-Kottbusser-Tor/!5166174
[4] /Neuer-Drogenkonsumraum-in-Berlin/!5841571
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Kottbusser Tor
Innensenatorin Iris Spranger
Polizei Berlin
IG
Kottbusser Tor
Görlitzer Park
Polizei Berlin
Polizei Berlin
Kottbusser Tor
Kotti und Co
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kriminalitätsanstieg trotz neuer Wache: Das Kotti-Paradox
Die Zahl der Straftaten nahe der neuen Kotti-Wache ist stark angestiegen.
Die Kritik am „Prestigeprojekt“ ist groß.
Vergewaltigung in Berlin-Kreuzberg: Görli-Debatte mit falschen Zahlen
Nach angeblich vielen Vergewaltigungen wird über die Sicherheit im
Görlitzer Park in Kreuzberg gestritten. Doch von 6 Taten fand nur eine dort
statt.
Clara Herrmann über Law and Order: „Das passt nicht zusammen“
Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann,
sieht Schwarz-Rot als Absage an bürgerrechtlich orientierte Politik.
Demo gegen Kotti-Wache: Kommt immer drauf an, wer Geld verbrennt
Das Bündnis „Kotti für alle“ protestierte am Mittwoch gegen die Eröffnung
der neuen Polizeiwache. Die erhöhe für viele das Unsicherheitsgefühl.
Wahlen in Berlin: „Wir sind ein wichtiges Korrektiv“
Taser und Videoüberwachung wären in Berlin ohne die Linke schnell auf der
Tagesordnung, sagt deren innenpolitischer Sprecher Niklas Schrader.
Drogenszene am Kottbusser Tor: Polizeiwache verändert den Kiez
Am 15. Februar macht die umstrittene Polizeiwache am Kottbusser Tor auf.
Viele hoffen, das diesmal auch die sozialen Probleme angegangen werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.