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# taz.de -- Kriminalitätsanstieg trotz neuer Wache: Das Kotti-Paradox
> Die Zahl der Straftaten nahe der neuen Kotti-Wache ist stark angestiegen.
> Die Kritik am „Prestigeprojekt“ ist groß.
Bild: Das Kottbusser Tor gilt als Kriminalitätsschwerpunkt in Berlin
Es klingt widersinnig: Die Errichtung der neuen Polizeiwache am Kottbusser
Tor in Kreuzberg sollte die hohe Kriminalitätsrate in der Umgebung
eindämmen, stattdessen steigt sie an. Das zumindest ist der Befund, der
sich aus einer Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage des
Grünen-Abgeordneten Vasili Franco ziehen lässt.
Erst im September hatte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) die im Februar
eröffnete und stark umstrittene Polizeiwache als „Erfolgsgeschichte“
bezeichnet. Die [1][drei Millionen Euro teure] Wache über der
Adalbertstraße gilt als Sprangers persönliches Prestigeprojekt.
Wie die Antwort der Innenverwaltung nun zeigt, stieg die Zahl der erfassten
Straftaten tatsächlich aber stark an: verglichen mit dem Vorjahreszeitraum
um 15 Prozent. Die Umgebung des Kottbusser Tors scheint dabei besonders
hervorzustechen, im gesamten Abschnitt 53 – zuständig für den kompletten
nördlichen Teil von Kreuzberg – wuchs die Anzahl aller erfassten Straftaten
nur um 2 Prozent.
Besonders auffällig am Kottbusser Tor: eine Verdreifachung der erfassten
Nötigungen und Bedrohungen. Auch die Zahl der Anzeigen wegen Diebstahls,
Körperverletzung und Widerstandshandlungen sind dieses Jahr deutlich höher.
Ein Erklärungsansatz hierfür: Durch die Wache werden mehr Polizeikontrollen
am Kottbusser Tor durchgeführt, wodurch mehr Straftaten erfasst werden.
Möglich auch, dass nun mehr Straftaten angezeigt werden. Trotzdem, gibt die
Innenverwaltung zu, sei der extreme Anstieg der Kriminalitätszahlen nicht
allein dadurch zu erklären. Wie stark der Anstieg ohne die neue Wache
ausgefallen wäre, ist allerdings unklar.
## Kritik am „Prestigeprojekt“
Vasili Franco, Innenexperte der Grünen-Fraktion, hat angesichts der Zahlen
dennoch starke Zweifel an der Wirksamkeit der Kotti-Wache. „Ohne
ganzheitliches Konzept, das soziale, gesundheitliche und städtebauliche
Aspekte mitdenkt, bleibt die Wache lediglich ein Prestigeprojekt“, sagt
Franco. Einzelne Anwohner*innen und Gewerbetreibende vom Kottbusser Tor
würden sich laut Innenverwaltung zwar sicherer fühlen, repräsentative
Umfragen gibt es aber keine.
Und noch etwas zeigt die Antwort von Innenstaatssekretär Christian
Hochgrebe (SPD): Die Kotti-Wache hat zu Verdrängungseffekten geführt. Wie
Hochgrebe schreibt, „scheint“ sich „das dem Kriminalitätsbrennpunkt
entsprechend polizeilich relevante Personenpotenzial“ inzwischen in den
Bereich Reichenberger Straße und damit einfach nur aus dem Sichtbereich der
Wache verlagert zu haben. Effekte, wie sie auch bei der von Schwarz-Rot
vorangetriebenen [2][„Befriedung“ des Görlitzer Parks] mittels nächtlicher
Schließung befürchtet werden.
„Solange kein soziales Auffangnetz besteht, wird die Polizei den
Drogenkonsum, die Beschaffungskriminalität oder die zunehmende
Verwahrlosung lediglich von einem Ort zum nächsten verlagern können“, sagt
auch Grünen-Politiker Franco. Die 250.000 Euro, die in den vergangenen
Jahren für die Umsetzung [3][ganzheitlicher Konzepte] bereitgestellt
wurden, sollen im neuen Haushaltsentwurf aber gestrichen werden.
9 Oct 2023
## LINKS
[1] /Demo-gegen-Kotti-Wache/!5912772
[2] /Sicherheit-um-den-Goerlitzer-Park/!5959927
[3] /Polizeiwache-in-Berlin-Kreuzberg/!5912786
## AUTOREN
Clara Heuermann
## TAGS
Kottbusser Tor
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