# taz.de -- Kommune im Harz sieht sich überfordert: Kurort fürchtet Flüchtli… | |
> Die Landesaufnahmebehörde plant in Bad Sachsa eine Außenstelle des Lagers | |
> Friedland. Bürgermeister und Rat der Stadt befürchten eine Überforderung. | |
Bild: Bad Sachsa, durch den Rahmen eines fehlenden Ortsschilds betrachtet | |
BAD SACHSA taz | Gut 7.000 Menschen leben in der kleinen Stadt [1][Bad | |
Sachsa] am Südrand des Harzes. In den nächsten Monaten kommen | |
voraussichtlich einige Hundert dazu. Denn in dem Kurort entsteht eine | |
Außenstelle des [2][Grenzdurchgangslagers Friedland] für rund 500 | |
Geflüchtete. | |
Die Mehrheit, etwa 400 Menschen, sollen in der ehemaligen Paracelsus-Klinik | |
unterkommen, erläutert die Sprecherin der niedersächsischen | |
Landesaufnahmebehörde, Hannah Hintze. Das frühere Reha-Krankenhaus war in | |
finanzielle Turbulenzen geraten und steht nach mehrmaligem Besitzerwechsel | |
[3][seit einiger Zeit leer]. | |
Gegenwärtig laufen dort noch Bauarbeiten, konkret geht es dabei Hintze | |
zufolge um letzte Maßnahmen für die Sicherung des Brandschutzes. Der | |
eigentlich für den Beginn dieses Jahres geplante Einzug der ersten | |
Bewohner:innen ist nun für das zweite Quartal geplant. Die | |
Landesaufnahmebehörde hat das Gebäude für zunächst zehn Jahre angemietet – | |
mit einer vereinbarten Option für zehn weitere Jahre. | |
Weitere 100 Plätze für Flüchtlinge sollen in einem benachbarten Gebäude | |
entstehen, hier verhandelt die Behörde allerdings noch über einen | |
Mietvertrag. Wie in Friedland sollen die Geflüchteten nach ihrer Ankunft in | |
Deutschland zunächst ungefähr zwei Monate in der Erstaufnahmeeinrichtung in | |
Bad Sachsa bleiben. Dort werden sie registriert, können Integrations- und | |
Sprachkurse besuchen und die ersten bürokratischen Hürden für ein mögliches | |
Bleiberecht überwinden. Anschließend werden sie auf andere Kommunen | |
verteilt. | |
Ähnlich wie im „Mutterhaus“ steht die neue Unterkunft in Bad Sachsa | |
Behördensprecherin Hintze zufolge grundsätzlich geflüchteten Menschen aus | |
allen Ländern und mit unterschiedlichem Flüchtlingsstatus offen. Wegen des | |
Sonderstatus von Geflüchteten aus der Ukraine, die ihren Wohnsitz | |
grundsätzlich frei wählen können, würden voraussichtlich aber keine oder | |
nur wenige aus diesem Land stammende Menschen in Bad Sachsa aufgenommen. | |
15 Prozent der Bevölkerung wären Geflüchtete | |
Bei den Verantwortlichen in Bad Sachsa stößt das Vorhaben auf Skepsis. | |
Bürgermeister Daniel Quade (FDP) verweist auf Anfrage darauf, dass die | |
Stadt derzeit bereits etwa 300 Geflüchtete beherberge, davon 200 aus der | |
Ukraine. Die Bürger in Bad Sachsa hätten „viel mehr getan als andere | |
Kommunen“ – sie hätten Schutzsuchende direkt an der Grenze abgeholt, | |
Wohnraum zur Verfügung gestellt, Freizeitangebote organisiert und Spenden | |
gesammelt. | |
Bei 500 weiteren Personen würde der Anteil der Flüchtlinge an der | |
Bevölkerung in der Kernstadt 15 Prozent betragen, rechnet Quade vor: „Wir | |
dürfen die Hilfsbereitschaft der Einwohnerinnen und Einwohner nicht | |
überstrapazieren.“ | |
Der Bürgermeister verweist auch darauf, dass die Stadt fast ausschließlich | |
vom [4][Tourismus] lebe. Dieser bringe jährliche Bruttoumsätze von mehr als | |
46 Millionen Euro ein, mehr als 900 und damit 55 Prozent aller | |
Arbeitsplätze hingen am Fremdenverkehr. „Die Menschen haben Angst vor | |
negativen Auswirkungen auf den Tourismus und daraus resultierende | |
Existenzängste. Das bekomme ich regelmäßig in Gesprächen mitgeteilt.“ | |
Auch die im Stadtrat vertretenen Parteien teilen die Bedenken. Die | |
Aufnahmeeinrichtung solle die Zahl an 150 Plätzen nicht überschreiten, | |
heißt es unisono bei der SPD-Fraktion und den beiden anderen im | |
Kommunalparlament vertretenen Gruppen – Grüne und FDP bilden eine solche | |
Gruppe zusammen mit zwei Bürgerlisten, die CDU hat sich mit einem früher | |
der AfD und später der Lucke-Partei „Alfa“ angehörenden Ratsherrn zu einer | |
Gruppe zusammengetan. | |
Sie alle betonen ihre Bereitschaft, weiterhin Menschen in Not zu helfen. | |
Das dürfe aber nicht zu einer Überforderung der Stadt führen, weder in der | |
Verwaltung, noch in der Wirtschaft oder dem Ehrenamt. Zudem dürfe auch die | |
Willkommenskultur an sich keinen Schaden nehmen – was leicht passieren | |
könne, wenn die Menschen vor Ort das Gefühl bekämen, dass ihr Engagement zu | |
sehr strapaziert werde. | |
## Nährboden für gewisse Tendenzen | |
Die Kommunalpolitiker:innen verwahren sich zugleich dagegen, in eine | |
rechte Ecke gedrängt zu werden. Eine „überdimensionierte“ | |
Flüchtlingsunterkunft könne den Nährboden für gewisse Tendenzen in diese | |
Richtung bieten, „auch das wollen wir mit aller Macht verhindern“. Ihre | |
Position, sagen die Ratsmitglieder, sei schließlich auch im Sinne der | |
Flüchtlinge. Deren Unterbringung solle menschenwürdig gestaltet sein. | |
Niemand wolle, „dass die Menschen dort zusammengepfercht werden, das schürt | |
nur neue Konflikte.“ | |
Dass Bad Sachsa eine Flüchtlingsunterkunft bekommen soll, ist nicht neu. | |
Bereits 2015 sollte in der ehemaligen Paracelsus-Klinik eine solche | |
Einrichtung entstehen, damals für knapp 250 Personen. Umgesetzt wurde | |
dieses Vorhaben letztlich nicht. Die damaligen Eigentümer planten, dort ein | |
Seniorenheim oder wieder ein Krankenhaus zu errichten. Doch auch aus dieses | |
Plänen wurde nichts. | |
15 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bad-sachsa.com/ | |
[2] /75-Jahre-Lager-Friedland/!5714823 | |
[3] https://www.harzkurier.de/lokales/bad-sachsa/article237101093/400-Fluechtli… | |
[4] /Klimawandel-im-Harz/!5655005 | |
## AUTOREN | |
Reimar Paul | |
## TAGS | |
Geflüchtete | |
Flüchtlinge in Niedersachsen | |
Flüchtlinge | |
Harz | |
Flüchtlingslager | |
Schwerpunkt Flucht | |
Nancy Faeser | |
Nancy Faeser | |
Schwerpunkt Flucht | |
Geflüchtete | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern: Flucht aus der Verantwortung | |
Der Flüchtlingsgipfel mit Nancy Faeser liefert nur dürftige Resultate. Der | |
Bund müsste sofort mehr Geld für Strukturen in die Hand nehmen. | |
Flüchtlingsgipfel im Innenministerium: Faesers Gipfel ohne echtes Ergebnis | |
Die Bundesinnenministerin hatte am Donnerstag zum Krisentreffen mit Ländern | |
und Kommunen geladen. Heraus kam dabei nicht viel, und die Kritik ist groß. | |
Unterbringung von Geflüchteten: Faeser lädt zu Gipfel ein | |
Die Zahl der Geflüchteten steigt, ihre Unterbringung ist eine | |
Herausforderung. Innenministerin Faeser plant deshalb einen | |
Flüchtlingsgipfel. | |
Deutsche Asylpolitik: Geflüchtete lindern Fachkräftemangel | |
2015 flohen über eine Million Syrer nach Deutschland. Die Wirtschaft | |
stünde ohne sie viel schlechter da, sagt Andrea Nahles, Chefin der | |
Bundesagentur für Arbeit. | |
Skandalöse Flüchtlingsunterbringung: Willkommen im Wartesaal | |
Geflüchtete machen dem überfüllten Ankunftszentrum im niedersächsischen | |
Bramsche-Hesepe schwere Vorwürfe: Die Zustände seien unhaltbar. |