| # taz.de -- Stellenabbau bei Gruner +Jahr: Kabale und Magazine | |
| > Der Stellen- und Magazinabbau von Gruner +Jahr kommt, weil den | |
| > Eigentümern die Inhalte egal sind. Nicht, weil es unprofitabler | |
| > Journalismus wäre. | |
| Bild: „Aktive Mittagspause“ von RTL-Angestellten am 25. Januar 2023 in Hamb… | |
| Er war immerhin persönlich gekommen, um die Hiobsbotschaft am Baumwall zu | |
| überbringen. [1][Bis zu 700 Jobs weg], ein ganzer Schwung lang etablierter | |
| Magazine freigegeben zum Verkauf oder gleich mit „kann wegfallen“-Vermerk | |
| versehen. Überleben, das hat Bertelsmann-Chef Thomas Rabe in Hamburg | |
| überdeutlich verkündet, soll vom einst so stolzen Verlagsimperium Gruner + | |
| Jahr nur das, was nützt. | |
| Genauer gesagt, was noch leidlich Geld bringt auch in diesen Zeiten, wo die | |
| Werbekrise, steigende Papierpreise und die digitale Ungewissheit schwer auf | |
| die Gewinne drücken. Und dann noch das, was sich mit der RTL-Welt und ihrem | |
| auch nicht mehr so taufrischen Programmangebot umsatzfördernd verknüpfen | |
| lässt. | |
| Dass Rabe, der praktischerweise seit letztem Sommer im Nebenjob den | |
| RTL-Boss gleich mitmacht, von einer solchen Aufgabe sonderlich angefasst | |
| wäre, muss niemand befürchten. Rabe ist ein reiner Machtmensch der Zahlen | |
| und erinnert ein bisschen an den dürren Bestatter aus den „Lucky | |
| Luke“-Comics. | |
| So jemand exekutiert leichten Herzens ein knallhartes „Was nicht mehr | |
| passt, muss raus“. Ganz nebenbei sekundiert er den Bertelsmann-Eignern – | |
| den Mohnas aus Gütersloh – beim letzten Sieg über die Verlegerfamilie Jahr | |
| – dem „J“ in G+J –, die sie als Cashcow dringend brauchte. Doch davon | |
| später mehr. | |
| ## „Er hätte mehr lesen als joggen sollen“ | |
| Jetzt schäumt erst mal die Wut vom Baumwall bis zur Binnenalster, Hamburgs | |
| Kultursenator Carsten Brosda (SPD) regt sich auf und Ex-Geo-Chefredakteur | |
| Peter-Michael Gaede noch viel mehr. „Hat er nicht gewusst, was Gruner + | |
| Jahr ist? Dann hätte er mehr lesen als joggen sollen“, ätzt Gaede im | |
| Fachdienst kress über den „dünnlippigen CFO-Asketen“ Rabe, der nun so gar | |
| keine „Verlegerpersönlichkeit“ mehr sei. | |
| Das war Rabe noch nie. Wenn der 57-Jährige über mediale Inhalte spricht | |
| oder gar Journalismus zur Kardinaltugend erklärt, wirkt das nicht nur | |
| immer, als hätte es ihm die Pressestelle aufgeschrieben. Es ist es | |
| vermutlich auch genau so. „Man könnte meinen, die Geschichte, er habe einst | |
| als Bassist in einer Punkband gespielt, sei von PR-Beratern erdacht“, | |
| meinte schon vor über zehn Jahren die Frankfurter Rundschau. | |
| Damals stand Rabe kurz davor, die Financial Times Deutschland | |
| dichtzumachen. Das machte sogar Sinn, schließlich hatte die | |
| prestigeträchtige kleine Schwester des Weltblatts der Wirtschaftselite seit | |
| ihrer Gründung im Jahr 2000 für G+J nur Verluste eingefahren. Von den jetzt | |
| vor der Einstellung oder dem Verkauf stehenden Titeln verbuchen die meisten | |
| allerdings sehr wohl Gewinne. Doch die Renditen sind zu niedrig für Rabe | |
| und Bertelsmann, wo fast immer Zweistelligkeit erwartet wird. Und zur | |
| RTL-Welt passen sie auch nicht – was allerdings alle schon vorher wussten. | |
| ## Die Digitalisierung verschlafen | |
| Das Einzige, was RTL und Gruner + Jahr verband, war die Tatsache, dass | |
| beide Konzerne jeweils auf ihre ganz eigene Weise die Digitalisierung | |
| zuerst verschlafen und dann höchst halbherzig in Angriff genommen haben. | |
| Doch Minus mal Minus wird nur in der mathematischen Theorie zum Plus. | |
| Viel zu viele haben viel zu lange die Augen geschlossen. Denn der Tod kam | |
| mit Ansage. Das dicke Ende begann schon vor knapp zehn Jahren, als es | |
| Bertelsmann endlich gelang, der Familie Jahr die Anteile am Hamburger | |
| Magazindampfer G+J abzukaufen. 1965 hatten John Jahr, Richard Gruner und | |
| Zeit-Erfinder Gerd Bucerius G+J gegründet. | |
| Später verkauften Gruner und Bucerius ihre Anteile an Bertelsmann-Boss | |
| Reinhard Mohn. Die Jahrs blieben am Ball und garantierten über die | |
| Sperrminorität von 25,1 Prozent ihrem Verlag die größtmögliche Freiheit im | |
| Gesamtkonzern, Sitz im Bertelsmann-Vorstand inklusive. Der Preis war eine | |
| Garantierendite für die Jahrs wie die Mohns, die ihnen über Jahrzehnte | |
| Millionenbeträge brachte und den Bertelsmann-Konzern überhaupt erst richtig | |
| groß werden ließ. | |
| ## Zweite und dritte Generation keine Lust mehr am Geschäft | |
| Über Jahre biss sich Bertelsmann an John Jahrs Tochter Angelika die Zähne | |
| aus. Angelika Jahr-Stilcken gilt bis heute als Intimfeindin von Liz Mohn, | |
| der Witwe von Bertelsmann-Patriarchen Reinhardt Mohn (1921–2009), die bis | |
| heute über die Bertelsmann-Stiftung mit ihren Kindern den Konzern | |
| beherrscht. Doch wie in vielen anderen Verlegerfamilien hatte auch bei den | |
| Jahrs die zweite und dritte Generation keine große Lust mehr am Geschäft. | |
| Im Oktober 2014 war es so weit: Angelika Jahrs Bekenntnis, ihre Familie | |
| werde aus Liebe zum Verlag „wie Pech und Schwefel“ zusammenhalten, galt | |
| nicht mehr. Da hatte G+J seinen Sitz im Bertelsmann-Vorstand bereits | |
| verloren, und die Einschläge aus Gütersloh kamen bedrohlich näher. Wobei | |
| natürlich auch G+J mehr als einen Fehler gemacht hatte: Das Magazingeschäft | |
| lahmte – und dass ein überzeugendes Digitalisierungskonzept bei G+J nur am | |
| mangelnden Investment aus Gütersloh gescheitert wäre, ist eher mal fromm | |
| gelogen. | |
| Doch schon damals war klar, was kommen würde: „Denkbar ist, dass | |
| Bertelsmann zunächst einen Kernbereich von G+J aus Stern, Brigitte und Geo | |
| behält und [2][den Rest aufteilt und verkauft]. Denn Liz Mohn versteht | |
| vielleicht nichts vom Journalismus, aber sie weiß, wie man sich Macht und | |
| Relevanz verschafft. | |
| ## Die Beteiligung nutzt auch dem Ruf | |
| Dass ihre Beteiligungen am Stern und Spiegel ihr Bedeutung in Berlin | |
| verschaffen und vor allem auch dem Ruf ihrer Stiftung nutzen, steht für sie | |
| außer Frage“, schrieb Bertelsmann-Experte Thomas Schuler im November 2012 | |
| im damals noch lesbaren Zeitgeistmagazin Cicero. | |
| Genau so ist es jetzt, schlappe elf Jahre später, gekommen, | |
| [3][„bereichert“ um den Faktor RTL]. Wie ein eigenständiger, wenn auch | |
| schwächelnder Privatfernsehmarktführer mit dem G+J-Erbe umginge, wäre | |
| vielleicht ganz interessant. Doch da auch bei RTL der Chef Thomas Rabe | |
| heißt, dürfte die Antwort klar sein. Immerhin hat Rabe bis 2025 | |
| Investitionen von rund 80 Millionen Euro in die verbleibenden 13 ehemaligen | |
| G+J-Publikationen wie Stern, Geo, Capital, Brigitte, Gala und Schöner | |
| Wohnen angekündigt. Nur dass sie jetzt natürlich RTL-Magazine sind. | |
| Nehmt die Kohle und rennt! | |
| 10 Feb 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Steffen Grimberg | |
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