# taz.de -- Kein Bleiberecht für Nicht-Ukrainer: Hamburg lässt Geflüchtete i… | |
> Studierende aus der Ukraine ohne ukrainische Staatsbürgerschaft müssen um | |
> ihren Aufenthalt bangen, weil ihre Aufenthaltsgenehmigungen auslaufen. | |
Bild: Bleiben dürfen erstmal nur Ukrainer: Studierende im Hörsaal | |
HAMBURG taz | Noch immer ist Krieg. Noch immer müssen die einen mehr um ihr | |
Bleiberecht in Hamburg kämpfen als die anderen. Es ist bald ein Jahr her, | |
seit Russland die Ukraine angegriffen hat. Seitdem sind Tausende | |
Geflüchtete nach Hamburg gekommen. Darunter auch Menschen, die keine | |
ukrainische Staatsbürgerschaft besitzen, aber in der Ukraine gelebt, | |
studiert oder gearbeitet haben. Sie müssen nun um ihren Aufenthalt bangen. | |
Denn ihre vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigungen, sogenannte | |
Fiktionsbescheinigungen, laufen aus. | |
„Die Situation ist deprimierend und frustrierend“, findet Carola Ensslen, | |
Fachsprecherin für Flucht und Migration der Linksfraktion in der | |
Hamburgischen Bürgerschaft. [1][Aktuell gebe es für Personen aus | |
Drittstaaten keine Möglichkeit, ihre Fiktionsbescheinigungen zu | |
verlängern.] | |
Wie das Amt für Migration auf taz- Nachfrage mitteilt, wird es dafür auch | |
keine neuen Regelungen geben. Studierende aus Drittstaaten würden nun eine | |
dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhalten, sofern alle | |
„Erteilungsvoraussetzungen vorliegen“. Anforderungen für eine dauerhafte | |
Aufenthaltsgenehmigung sind in erster Linie: Sprachkurse und Geld. | |
Laut Ensslen sei es kaum möglich, diese Voraussetzungen zu erfüllen. Das | |
liege vor allem daran, dass die Fiktionsbescheinigungen nur für sechs | |
Monate ausgestellt wurden. Dadurch bliebe nur begrenzt Zeit, um die | |
Anforderungen für einen Aufenthaltstitel zu erfüllen. Ensslen findet das | |
unverständlich, Niedersachsen habe Fiktionsbescheinigungen für zwölf Monate | |
ausgestellt. | |
## Hohe Hürden | |
Neben der begrenzten Zeit seien die Anforderungen selbst die Tücke, sagt | |
[2][Asmara Habtezion, Gründerin der Hamburger | |
Geflüchteten-Hilfsorganisation Asmaras World]: „Die erwarten Sachen, die | |
kann niemand erreichen“, sagt sie. Seit Anfang des Jahres hätten bereits | |
über 200 geflüchtete Drittstaatler*innen ihre Organisation um Hilfe | |
gebeten. | |
Alle hätten eine Anordnung erhalten, Deutschland zu verlassen, da sie die | |
Anforderungen für eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis nicht erfüllen. Die | |
Betroffenen stammen ursprünglich aus Ländern wie dem Jemen, Marokko, Iran | |
oder Irak. Sie hielten sich bis zum Kriegsbeginn legal in der Ukraine auf. | |
Insgesamt, hätten bis zum 23. Januar dieses Jahres in Hamburg bereits 624 | |
Drittstaatler*innen eine solche Ausreiseanordnung erhalten, so das Amt | |
für Migration. Eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis würde all denjenigen | |
zustehen, die studienvorbereitende Maßnahmen und eine | |
Lebensunterhaltssicherung nachweisen können. | |
Habtezion lobt zwar, dass der Hamburger Senat als erstes Bundesland die | |
Fiktionsbescheinigungen eingeführt hat. Doch „was nützen ein paar Monate, | |
wenn die Anforderungen nicht erfüllt werden können“, bemängelt sie. Die f�… | |
die Aufenthaltserlaubnis geforderten Sprachkurse würden nicht ausreichend | |
angeboten werden, also könne man sie auch nicht absolvieren. | |
Das sah auch die Hamburger Wissenschaftsbehörde ein. Sie stellt über | |
400.000 Euro bereit, um Angebote für [3][Sprachkurse] an Hamburger | |
Hochschulen zu unterstützen. Die Förderung wurde im vergangenen Jahr | |
bewilligt. Laut Wissenschaftsbehörde werden die ersten Maßnahmen | |
„voraussichtlich in Kürze“ anlaufen. | |
Die Ablehnungsbescheide lägen jedoch jetzt vor, beklagt Habtezion. Deshalb | |
müssten Organisationen wie Asmaras World nun die Aufgaben der Behörde | |
übernehmen. Jeden Tag sei sie damit beschäftigt, Widersprüche gegen | |
Ausreiseverfügungen einzulegen. | |
Neben den fehlenden Integrations- und Sprachkursen stehen Geflüchtete aus | |
Drittstaaten vor einem weiteren Problem: Lebensunterhaltssicherung. Und das | |
Problem ist ziemlich teuer, 11.208 Euro müssen für eine | |
Aufenthaltserlaubnis nachgewiesen werden. „Wer es sich leisten kann, kann | |
hierbleiben“, [4][beklagt die Linken-Politikerin Ensslen]. | |
Für jene, die es sich nicht leisten können, habe es bislang die Möglichkeit | |
gegeben, einen freiwilligen Dienst zu absolvieren. Doch auch das reiche | |
nicht aus, um die Lebensunterhaltssicherung gewähren zu können. Auch | |
Sprachkurse könnten neben der Arbeit nicht belegt werden. Diese seien | |
wiederum für eine Aufenthaltsgenehmigung nach dem freiwilligen Dienst | |
gefordert. | |
## Viele Widersprüche zu erwarten | |
„Eigentlich kann man das alles nur als kompletten Irrsinn bezeichnen“, sagt | |
Ensslen. Abgesehen davon sehe sie die Behörden auf weitere Probleme zu | |
steuern. Es sei davon auszugehen, dass die meisten der Betroffenen einen | |
Widerspruch einlegen werden. Wenn der Widerspruch von dem Amt für Migration | |
abgelehnt wird, dann kann in einem letzten Schritt eine Eingabe gemacht | |
werden. | |
Damit würde der Fall noch ein letztes Mal von der Hamburger Bürgerschaft | |
geprüft werden. Meistens seien diese Verfahren hoffnungslos, so Ensslen. | |
Doch sie verschaffen den Geflüchteten mehr Zeit. Die Konsequenz sei jedoch: | |
totale Überforderung aller Betroffenen. | |
In 320 Fällen sei bereits Widerspruch eingelegt worden, das geht aus einer | |
Kleinen Anfrage Ensslens an den Hamburger Senat hervor. Mit einer | |
Verlängerung der Fiktionsbescheinigung könne man allen Beteiligten eine | |
Menge Arbeit abnehmen. Die Fachsprecherin der Linken findet: „Der | |
Innensenator sollte diesen ganzen Wahnsinn stoppen.“ | |
1 Feb 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Ukraine-Fluechtlinge-aus-Drittstaaten/!5904513 | |
[2] /Flucht-ausgegrenzter-Menschen/!5841523 | |
[3] /Neue-Sonderbeauftragter-fuer-Migration/!5900750 | |
[4] https://www.carola-ensslen.de/ | |
## AUTOREN | |
Emma Philipp | |
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