| # taz.de -- Berliner Theatertreffen 2023: In der Wirrnis der Gegenwart | |
| > Der Platz fürs Spielerische wird auf dem Theatertreffen gerahmt von | |
| > politischen Themen. So geht es etwa um Militarisierung und Feminismus. | |
| Bild: „Der Sommernachstraum“ aus dem Theater Basel | |
| Zahlen und Namen. Sie werden im Mai eine Rolle beim Theatertreffen in | |
| Berlin spielen. Fünf Inszenierungen von Regisseurinnen wurden eingeladen: | |
| von Lucia Bihler, Mateja Koležnik, [1][Felicitas Brucker], [2][Florentina | |
| Holzinger] und [3][Rieke Süßkow]. Vier Inszenierungen kommen von den | |
| Regiseuren [4][Philipp Stölzl], [5][Sebastian Hartmann], Antú Romero Nunes | |
| und Philipp Preuss und eine von dem Regieteam De Warme Winkel. | |
| Damit wird die Frauenquote, die sich das Theatertreffen vor vier Jahren | |
| gesetzt hat, wieder eingehalten. | |
| Aber nicht nur darum ging es bei einem Pressetermin am Donnerstag, an dem | |
| die eingeladenen Inszenierungen von der siebenköpfigen Jury aus | |
| Theaterkritiker:innen vorgestellt und mit Begeisterung beworben | |
| wurden. Sondern auch um zehn Treffen, die die Aufführungen begleiten | |
| werden. | |
| Matthias Pees, Intendant der Berliner Festspiele seit September 2022, hat | |
| die Leitung des Theatertreffens in die Hände von vier Frauen gelegt, der | |
| Regisseurin und Kuratorin Olena Apchel aus der Ukraine, der | |
| Produktionsleiterin Marta Hewelt, der Dramaturgin Carolin Hochleichter und | |
| Joanna Nuckowska, Kulturmanagerin aus Polen. Ihnen oblag, einen Rahmen der | |
| Betrachtung aus europäischer Perspektive um die Aufführungen des | |
| deutschsprachigen Theaters zu flechten. In der Absicht, der Kunst einen | |
| politischen und gesellschaftlichen Resonanzraum zu schaffen. | |
| Zwölf Leute saßen auf dem Podium, entsprechend kurz musste jeder Beitrag | |
| ausfallen, die Informationen kamen geballt. Unter den zehn Treffen sind | |
| mehrere Panels, die der angespannten Gegenwart Rechnung tragen wollen. Beim | |
| Responsibility-Treffen geht es um Verantwortung gegenüber Künstler:innen | |
| aus der Ukraine, die ihre Arbeitsmöglichkeiten verloren haben. | |
| ## Frauen im Krieg und nachhaltige Kunst | |
| Beim Herstory-Treffen stehen Frauen im Krieg im Mittelpunkt und die Frage, | |
| was eine Militarisierung der Gesellschaft für den Feminismus bedeutet. Beim | |
| Green-Treffen geht es um Strategien ökologischer Nachhaltigkeit im | |
| Kulturbetrieb und ob dadurch der Freiheitsanspruch der Kunst eingeengt | |
| werde. | |
| Das alles klingt sinnvoll und nach viel organisatorischer Arbeit. Aber auch | |
| nach einem überbordenden Rahmen, in dem das Spielerische der Kunst in einem | |
| immer kleineren Feld erscheint. So, als wäre sie nicht das Kerngeschäft des | |
| Theatertreffens. | |
| Da ist es gut, dass das Spiel im Theater sich dann manchmal selbst feiert. | |
| Und das scheint es einigen der eingeladenen Inszenierungen der Fall. Wie in | |
| dem „Sommernachtstraum“, den Antú Romero Nunes in Basel inszeniert hat. | |
| Weil dieses Shakespeare-Stück sich einer großen Beliebtheit unter | |
| Theateramateuren erfreut, spielt das Ensemble aus Basel zuerst mal ein | |
| Lehrerkollegium, das sich dem Theaterspielen widmet und in Shakespeares | |
| Zauberwald herumtreibt. | |
| ## Philosophie als Musical | |
| Ein äußerst verblüffendes Spiel bietet auch „Der Einzige und sein Eigentum… | |
| von Sebastian Hartmann nach einem Text, den Max Stirner 1844 schrieb, im | |
| Deutschen Theater in Berlin als ein sehr eigenwilliges Musiktheater | |
| inszeniert. Einzelne Sätze werden zu Songs, die ein eigenartiges | |
| Schlaglicht auf die Egoismen der Gegenwart werfen, und mit der Musik von PC | |
| entwickelt die Aufführung einen unwiderstehlichen Sog. | |
| Ein hinterhältiges Spiel deutet sich an in der Inszenierung „Zwiegespräch“ | |
| vom Burgtheater Wien. Rieke Süßkow bearbeitet einen Text von Handke, der | |
| zur Rede von zwei Altenheimbewohner wird. Ihr Gegenüber sind zwei | |
| gnadenlose Pflegerinnen, die nicht im Text stehen und harsch mit den beiden | |
| Männern verfahren. Und den Text zum Geplapper von machtlosen alten Männern | |
| machen. | |
| Ein mutiges Spiel verspricht die Inszenierung „Der Bus nach Dachau. Ein | |
| 21st Century Erinnerungsstück“ zu sein, von De Warme Winkel am | |
| Schauspielhaus Bochum inszeniert. Es geht dabei um das Gedenken an den | |
| Holocaust und die Frage, wieviel Fiktion es braucht, damit die Erinnerung | |
| nicht in Ritualen erstarrt. Die Möglichkeit zu scheitern sei dabei, so die | |
| Jury, immer mitgedacht. | |
| Es passiert noch was im Theater, auf das man gespannt sein kann. Die | |
| Ausgabe von 2023 ist übrigens das 60. Theatertreffen, für das eine | |
| Kritikerjury durch Deutschland, Österreich und die Schweiz gereist, um 10 | |
| „bemerkenswerte“ Inszenierungen auszusuchen. | |
| 28 Jan 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Katrin Bettina Müller | |
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