# taz.de -- Nach Räumung von Lützerath: RWE fehlen noch Grundstücke | |
> Der Ort Lützerath ist geräumt, aber RWE gehören noch nicht alle | |
> Grundstücke im geplanten Kohleabbaugebiet. Drohen weitere Enteignungen? | |
Bild: Lützerath wird für den Tagebau Garzweiler II schon mal abgerissen, 16. … | |
BERLIN taz | Was kommt nach der Räumung des massiven Antikohleprotests im | |
nordrhein-westfälischen Lützerath? Die Landtagsabgeordnete Antje Grothus | |
(Grüne) befürchtet: mehr Konflikte in der Region, in der der Energiekonzern | |
RWE [1][seinen Tagebau Garzweiler ausweiten will]. Es gebe nämlich noch | |
Grundstücke, die im geplanten Abbaugebiet liegen, aber nicht RWE gehören. | |
Laut Grothus wollen die Eigentümer:innen nicht an den Konzern | |
verkaufen, sie habe direkten Kontakt zu ihnen gehabt. Die Grüne warnt, es | |
würden „langwierige und juristisch unsichere Enteignungen“ drohen. „Um d… | |
sozialen Frieden der Region in den nächsten Jahren zu wahren, ist eine | |
Neuplanung des Tagebaus notwendig“, sagt die Politikerin. „Er muss so | |
geführt werden, dass RWE niemandem mehr seinen Acker wegnimmt.“ Seit vielen | |
Jahren ist sie selbst Teil des lokalen [2][Protests gegen RWE]. | |
Sie ist eine der wenigen Grünen, die den Kompromiss zu Lützerath öffentlich | |
kritisiert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und | |
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (beide Grüne) hatten mit RWE eine | |
Vereinbarung zur weiteren Kohlenutzung getroffen: Der Konzern stellt sein | |
letztes Kohlekraftwerk 2030 statt erst 2038 vom Netz. Dafür darf er in der | |
Energiekrise manche der klimaschädlichen Anlagen länger laufen lassen und | |
unter anderem [3][unter Lützerath Kohle fördern]. | |
Das ist lange geplant, die ursprünglichen knapp über 100 | |
Einwohner:innen sind längst umgesiedelt. Stattdessen siedelten sich | |
Klimaaktivist:innen an, um die Kohle unter dem Ort vor der | |
klimaschädlichen Verbrennung zu bewahren. Der Ort selbst gehört RWE. | |
Das gilt nicht für alle Grundstücke in der Umgebung, die der Energiekonzern | |
abbaggern möchte. „Im Geltungsbereich des jüngst zugelassenen | |
Hauptbetriebsplans 2023–25 des Tagebaus Garzweiler haben wir in der Tat | |
noch nicht alle Flächen unter Vertrag“, räumte ein RWE-Sprecher gegenüber | |
der taz ein. „Das ist aber normale Praxis.“ Es sei üblich, dass der Bergbau | |
„die Inanspruchnahme von Ackerflächen“ nach und nach regele. | |
## Der „letzte Lützerather“ | |
Zur Größe der fraglichen Flächen und der Anzahl der Eigentümer:innen | |
machte RWE keine Angaben. Mit Enteignungen rechnet der Konzern nicht. | |
„Grundabtretungsverfahren sind die absolute Ausnahme und enden in der Regel | |
noch vor einem Urteil, doch mit der von RWE in allen Fällen angestrebten | |
gütlichen Einigung“, sagte der RWE-Sprecher. | |
Das muss nicht so harmonisch ablaufen, wie es klingt: Der Landwirt | |
[4][Eckardt Heukamp etwa galt lange als letzter Lützerather], der seinen | |
Hof nicht an RWE verkaufen wollte. Er war noch vor Ort, als | |
Klimaaktivist:innen ihr Lager aufschlugen. Nach Jahren der | |
Auseinandersetzung gab er im vergangenen Frühjahr auf und verkaufte – vor | |
Erschöpfung. | |
David Dresen von der lokalen Initiative „Alle Dörfer bleiben“ sagt zur | |
aktuellen Situation: „Der Konflikt um Lützerath ist wegen der gewaltvollen | |
Räumung ohnehin stark aufgeladen.“ Komme es zu Enteignungen, verlören die | |
Grünen „auch noch den letzten Rest Glaubwürdigkeit als Klimaschutzpartei“. | |
Sie hätten in ihrem Wahlprogramm vor der Bundestagswahl 2021 versprochen, | |
keine Menschen mehr für Braunkohle zu enteignen, argumentiert Dresen. Im | |
Wahlprogramm steht allerdings etwas anderes: „Den durch den | |
Braunkohletagebau Garzweiler von Enteignung und Vertreibung bedrohten | |
Menschen muss das Land Nordrhein-Westfalen endlich Planungs- und | |
Rechtssicherheit für Erhalt und Zukunft ihrer Dörfer geben. Dies wollen wir | |
im Bund mit den richtigen Rahmenbedingungen unterstützen.“ | |
Man könnte mit Verweis auf den von vielen Klimaaktivist:innen | |
ungeliebten RWE-Deal argumentieren, dass die Grünen ihr Versprechen schon | |
erfüllt haben. Die Vereinbarung gab zwar Lützerath zur Abbaggerung frei, | |
[5][rettete aber fünf ursprünglich bedrohte Dörfer], die sogar noch bewohnt | |
sind. | |
16 Jan 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://open.spotify.com/episode/6J2J65IhDYNhqzyUoFrkLy?si=8f2ccb0d4cbe4d8c | |
[2] /Proteste-gegen-die-Raeumung-von-Luetzerath/!5906173 | |
[3] /Polizeigewalt-in-Luetzerath/!5906163 | |
[4] /Der-Hausbesuch/!5719920 | |
[5] /Bundeskabinett-zum-Kohleausstieg/!5888960 | |
## AUTOREN | |
Susanne Schwarz | |
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