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# taz.de -- Verkehrswende in den Niederlanden: Mehr Platz für Fahrräder
> Die niederländische Hauptstadt bekommt eine spektakuläre neue Tiefgarage,
> nur für Räder. Das ist nachhaltig, bringt aber auch einige Regeln mit
> sich.
Bild: Parkplatzsuche am Amsterdamer Hauptbahnhof
Amsterdam taz | Das Fahrradland Niederlande und seine Hauptstadt setzen
einmal mehr Maßstäbe: Das neue unterirdische Parkhaus bei der Centraal
Station kommt zwar mit 7.000 [1][Plätzen] nicht an den Weltrekordhalter in
Utrecht (12.000) heran, dafür aber liegt es spektakuläre neun Meter unter
dem Spiegel des IJ, das die Bahnhofsinsel umgibt. Vier Jahre lang war der
Vorplatz eine Bauwüste, das Wasser wurde ab- und wieder zurückgepumpt. Am
Donnerstag eröffnet das neue Prunkstück.
Von innen gleicht das Parkhaus einer geräumigen Halle. Die säulenartigen
Pfeiler verleihen ihm kühle Eleganz. Rollbänder bringen die Kund*innen
von der Bahnhofsachse aus nach unten. Der Zugang erfolgt mit der Chipkarte,
die in den Niederlanden für alle Bus- und Bahnnetze gilt. 7.000 Fahrräder
finden hier Platz, darunter 700 Leihräder, erklärte die kommunale
Umgebungsmanagerin Anouk Busger op Vollenbroek unlängst bei einem
Ortstermin im Lokalsender AT5.
Die ersten 24 Stunden Parken sind gratis, danach werden pro Tag 1,35 Euro
von der Chipkarte gebucht. Sehr bezahlbar – und zugleich ein weiterer Teil
des aufdringlichen Konzepts, mit dem die Karte seit ihrer Einführung 2009
quasi unumgänglich gemacht wurde. Andere Beispiele sind die verbindlichen
elektronischen Zugangstore zum Ein- und Auschecken sowie Abonnements, die
an die Karte gekoppelt sind.
Das neue Fahrradparkhaus steht nicht für sich. Mitte Februar wird hinter
dem Hauptbahnhof ein weiteres mit 4.000 Parkplätzen eröffnen. Beide Garagen
sind Teil eines Städtebauprojekts namens „De Entree“, an dem rund um den
Bahnhof in den letzten vier Jahren gearbeitet wurde. „Die Umgebung wird
übersichtlicher, attraktiver, sicherer“, so Umgebungsmanagerin Busger op
Vollenbroek: „breitere Radwege und Haltestellen, mehr Bäume, Grün und
Wasser.“
## Fahrräder „trocken und ordentlich“ geparkt
In Sachen fahrradfreundlicher Infrastruktur und nachhaltiger Mobilität
setzen niederländische Städte seit einigen Jahren verstärkt auf
Fahrradparkhäuser. Auch in Amsterdam gibt es mehrere davon. Entsprechend
positiv sind die Reaktionen von Akteuren aus diesem Feld. Esther van
Garderen, Direktorin der Radfahrer*innenvertretung „Fietsersbond“,
sagte der taz: „Wir begrüßen eine so große Investition in ein
Fahrradparkhaus. Es ist 24 Stunden gratis, das Risiko des Diebstahls ist
kleiner, das ist sehr positiv. Aber für Menschen mit Behinderung müssen die
Zugänglichkeit verbessert und auch Plätze für Dreiräder geschaffen
werden.“
Maud de Vries, Direktorin der Amsterdamer NGO „Bycs“, die sich weltweit für
städtische Entwicklung durch [2][Fahrradverkehr] einsetzt, findet es „gut
für Amsterdam, dass die Stadt in mehr Kapazitäten investiert, um die
Verbindung von Fahrrad und Zug noch besser und verfügbarer zu machen.
Schön, dass unsere Fahrräder dort trocken und ordentlich geparkt werden
können und dass man direkt im Bahnhof ist.“ Schade findet sie, „dass wir
das 'fiets-flat'als Monument verlieren“.
Das Fahrrad-Hochhaus, eine zweckmäßige Betonkonstruktion, die auf mehreren
Halbetagen 2.500 einfache Fahrradständer enthält, wird tatsächlich
verschwinden – genau wie die Reihen chronisch überfüllter ebenerdiger
Ständer, die es umringen. Im Februar wird die Stadtverwaltung beginnen, die
bisherigen Parkmöglichkeiten zu entfernen, um damit die Umgebung den
Planskizzen des Entree-Projekts anzugleichen.
Als die taz sich am Wochenanfang dort umhörte, waren die Reaktionen
gemischt. Manche begrüßten die neue Garage, weil sie das bisherige Hochhaus
und die Ständer chaotisch oder hässlich fänden. Andere hatten noch nie vom
neuen Projekt gehört oder sahen wenig Bedarf für Veränderung. Vermutlich
würden sie das neue Parkhaus vor allem nutzen, weil Strafen für diejenigen
drohen, die ihre Räder außerhalb abschließen.
Im Zentrum wird das gleiche Prinzip der Strafen und Parkverbote langsam an
immer mehr Orten eingeführt: Dort signalisieren in den Boden eingelassene
rot-blaue Schilder, dass Parken nicht erlaubt ist. Der Verkehrspsychologe
Gerard Tertoolen sagte in der Regionalzeitung Noordholland Nieuws,
Fahrradfahren werde komplexer: „Die Psychologie des Fahrrads ist gerade,
sehr schnell von einem Ort zum anderen zu kommen. Stellt man das infrage,
wird das Fahrrad weniger attraktiv“ – etwa weil man sich plötzlich auch
Gedanken über die Parkregeln machen muss.
Das Beispiel Amsterdam zeigt, dass die Förderung nichtmotorisierter
Mobilität auch die Fahrradkultur verändern kann. Laut Verkehrspsychologe
Tertoolen wird das Rad mehr wie das Auto. Fietsersbond-Direktorin Esther
van Garderen sagt es so: „Die Zeit, als du angekommen bist, dein Rad an
irgendeine Brücke gekettet hast und zum Zug gelaufen bist, ist vorbei.“
26 Jan 2023
## LINKS
[1] /Autogerechte-Infrastruktur/!5901509
[2] /Umsetzung-des-Radentscheids/!5898937
## AUTOREN
Tobias Müller
## TAGS
Verkehrswende
Fahrrad
Niederlande
Schwerpunkt Radfahren in Berlin
Amsterdam
Radverkehr
Parkraumbewirtschaftung
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