# taz.de -- Der Hausbesuch: Deutsch-amerikanische Freundschaft | |
> Michael Bauer und Amy Padula versuchen ihr Bestes, um sich zwei Länder, | |
> Deutschland und die USA, anzueignen – und machen dabei auch noch | |
> Karriere. | |
Bild: Noch wohnen Amy Padula und Michael D. Bauer in Hamburg – nächtes Jahr … | |
Er ist Deutscher, sie US-Amerikanerin. Idealerweise wären sie Riesen, damit | |
sie mit je einem Bein in beiden Ländern stehen könnten. | |
Draußen: Es ist wuselig in der Osterstraße, der Hauptschlagader des | |
Hamburger Stadtteils Eimsbüttel. Die Leute flanieren die Straße entlang, | |
sitzen in Restaurants, vor Cafés. Den meisten Menschen, die hier leben, | |
geht es gut, zumindest finanziell. Bei der letzten Bundestagswahl erhielten | |
die Grünen 29,8 Prozent der Stimmen, dicht gefolgt von der SPD. | |
Drinnen: Mit ihren kleinen Kindern Lucas und Lina leben Amy Padula, 44, und | |
Michael Bauer, 43, im zweiten Stock eines schicken Neubaus. Familienfotos | |
säumen die Wände. Vor zweieinhalb Jahren sind sie nach Hamburg gezogen. | |
„Das hier war die erste Wohnung, die wir uns angeschaut haben und wir haben | |
uns sofort wohlgefühlt.“ Auf dem Tisch steht Kaffee, die Kinder naschen aus | |
bunten Tüten vom letzten Kindergeburtstag. Lina berichtet aufgeregt von | |
ihrem Schwimmkurs. | |
Tugenden: Michael Bauer wächst in Ahrensburg auf, einer Kleinstadt vor den | |
Toren Hamburgs. Sein Vater ist ein Kaufmann, die Mutter, eine Französin, | |
leitet das Büro einer Schülerhilfe bis heute. „Mein Vater stand für | |
norddeutsche, bürgerliche Tugenden. Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Fleiß. | |
Meine Mutter sorgte für Wärme und Verständigung.“ Aus der ersten Ehe seines | |
Vaters gibt es zwei Halbbrüder, einer von ihnen war Bauers Trauzeuge. „Er | |
ist immer noch mein bester Freund. Als ich Kind war, war mein Vater viel | |
auf Reisen. Da hat mein großer Bruder diese Rolle ein bisschen übernommen.“ | |
Subkultur und Ehrgeiz: Als Teenager spielt Hiphop für ihn eine große Rolle, | |
und Sport. Sich verausgaben. „Ich habe Basketball gespielt, war viel auf | |
Partys, Scratchen, Deejayen. Das war die Zeit damals.“ Aber da ist noch | |
eine andere Seite: Er verdient sich sein Geld mit Nachhilfe, macht ein sehr | |
gutes Abitur. „Dieses Jonglieren zwischen Subkultur und Ehrgeiz war bei mir | |
immer ein bisschen ambivalent.“ Während der Schulzeit verbringt er ein | |
halbes Jahr in Seattle; von da an steht für ihn fest, dass er mehr von den | |
USA sehen will. | |
Der amerikanische Traum: Amy Padulas Vorfahren sind aus Italien in die USA | |
gekommen, verwirklichen den American Dream. „Meine Urgroßeltern waren noch | |
Feldarbeiter, mein Vater dann first generation college und seine drei | |
Kinder waren schon wie selbstverständlich auf der Uni.“ Ihr Vater ist | |
Chirurg, auch ihre Mutter ist Ärztin, ihre beiden älteren Brüder ebenfalls. | |
Ihre Heimatstadt Philadelphia erinnere sie ein bisschen an Hamburg, sagt | |
Amy Padula, die zwischen Englisch und Deutsch wechselt – „a cool, | |
underrated city“. Als sie acht ist, fährt sie zur Hochzeit ihrer Patin nach | |
Kalifornien, von da an hat auch sie einen Traum: „Ich wollte unbedingt dort | |
leben.“ | |
Karriere: Michael Bauer geht nach dem Abitur zum Bund. „Dort hat mich | |
beeindruckt, Jungs mit ganz verschiedenen Hintergründen, Mentalitäten, | |
Reifegraden kennenzulernen. Das war eine Vielfalt, Diversität, die ich so | |
aus dem homogenen Pulk der Ahrensburger Gymnasiasten nicht kannte.“ Nach | |
dem Bund war die Marschroute klar. Er studiert Wirtschaft an der | |
Universität St. Gallen, einer staatlichen Kaderschmiede in der Schweiz. | |
Einen Großteil des Studiums finanziert er selbst. | |
Kalifornien: Amy Padula studiert Anthropologie in Pennsylvania. In ihrer | |
Mediziner:innen-Familie wird sie dafür belächelt. Sie hält das aus, liebt | |
Sport, Schwimmen, Squash, Klettern. Im Jahr 2000 macht sie ihren Master und | |
endlich ist es soweit: Sie fährt mit dem Auto 3.000 Meilen von der Ostküste | |
zur Westküste. An der University of California fängt sie als | |
wissenschaftliche Mitarbeiterin an, fünf Jahre macht sie den Job, bis sie | |
doch noch das Medizin-Virus packt: Sie beginnt eine Doktorarbeit in | |
Epidemiologie an der Eliteuniversität Berkeley, wird Postdoktorandin in | |
Stanford. „Ich fand meine Arbeit an der Uni interessant, aber ich wollte | |
nicht, dass alte, weiße Männer über meine Arbeit entscheiden. Deshalb | |
brauchte ich den Doktortitel.“ | |
San Diego: Nach seinem Masterabschluss in VWL heuert Michael Bauer bei | |
einer Schweizer Privatbank an, aber da ist auch noch der Traum von der | |
Promotion in den USA. Er wird für ein Programm in San Diego angenommen, | |
2005 packt er seine Koffer. Es sei noch besser gewesen, als er es sich je | |
erträumt hatte, sagt er. „Auf dem Campus vibriert das Leben.“ Den | |
Studienstress gleicht er mit Surfen aus, man lebe in San Diego mehr oder | |
weniger am Strand, erzählt Bauer. „Auch intellektuell war die Zeit sehr | |
anregend, da wurde Top-Ökonomie gemacht, Forschung auf höchstem Level.“ | |
Möglich war das alles nur, weil seine Mutter eine Hypothek auf ihr Haus | |
aufgenommen hat, für die Studiengebühren und ein gebrauchtes Auto. „Das | |
rechne ich ihr immer noch sehr hoch an.“ | |
San Francisco: 2010 macht Bauer seinen Doktor und findet einen Job in San | |
Francisco [1][bei der Fed], der US-Notenbank Federal Reserve. Bauer forscht | |
zu Geldpolitik und ist wieder begeistert: „San Francisco ist eine | |
Weltmetropole der Toleranz, religiös, sexuell, gesellschaftspolitisch. | |
Dagegen war San Diego provinziell.“ Amy Padula nickt, erzählt von den | |
Partys, den vielen Möglichkeiten, der Sonne, der Landschaft. Auf einer | |
Russian Theme Party lernen sie sich schließlich kennen. Er ist als Gangster | |
verkleidet, sie als Diva. | |
Verbindung: Er hat den schwarzen Gürtel in Karate, fragt sie, ob sie ihn | |
mal zum Training begleiten will. Von da an ist sie dabei. Es ist der Sport, | |
der sie verbindet, zusammen laufen sie unter anderem einen Halbmarathon auf | |
Hawaii. Ihre Vorstellungen davon, wie ein Leben zu leben ist, verbinden sie | |
ebenfalls „Wir wollen uns beide beruflich verwirklichen und Karriere | |
machen“, sagt sie. In Kalifornien habe er seinen Traumjob und seine | |
Traumfrau gefunden, sagt er. | |
Rückkehr: Als Bauer eine Professur an der Uni Hamburg angeboten wird, | |
ziehen sie nach Deutschland. Lina und Lucas wachsen zweisprachig auf, | |
sollen die Heimat des Vaters kennenlernen. Es war „trial and error“, sagt | |
Amy, aber die richtige Entscheidung. Inzwischen ist sie Professorin für | |
Epidemiologie an der University of California, kann aber remote, also aus | |
der Entfernung, arbeiten. „Es war ein großes Glück, dass wir die Coronazeit | |
nicht in Amerika verbracht haben. Es war eine Katastrophe dort.“ | |
Germany: Amy Padula gefällt an Deutschland, dass die Menschen sich | |
füreinander verantwortlich fühlen. „Neulich hat mich jemand darauf | |
aufmerksam gemacht, dass mein Schnürsenkel offen ist, das würde in den USA | |
nicht passieren.“ Es gebe Regeln, an die man sich halte, für die | |
Gemeinschaft. „Bei uns steht das Individuum im Vordergrund, jeder kämpft | |
für sich.“ Auch die staatlichen Leistungen seien hier besser. „In Amerika | |
kannst du ein gutes Leben haben, wenn du es dir leisten kannst.“ | |
Und jetzt das: „Wir gehen zurück.“ Heute in einem Jahr sind sie wieder in | |
San Francisco. „Ich werde bestimmt weinen“, sagt Michael Bauer. In erster | |
Linie sei es eine Karriereentscheidung. „Meine wissenschaftliche Karriere | |
ist in den USA“, sagt sie. Die Videokonferenzen und die Zeitverschiebung | |
zehren an ihr. Wenn sie das mit der Gleichberechtigung hundertprozentig | |
durchziehen wollen, dann geht das nur in Amerika. „Dort ist die | |
Spitzenforschung in meinem Bereich.“ Er kann zurück in seinen alten Job, | |
wird bei der Fed weiterforschen. | |
Mit Wenn und Aber: Die aktuellen Entwicklungen in den USA machen beiden | |
Angst. „Das wäre ein Grund, hier zu bleiben.“ Amy Padula forscht zu | |
Geburtshilfe, Gynäkologie und Reproduktionswissenschaften, die Rückschritte | |
für Frauen, [2][etwa beim Abtreibungsrecht], erfüllen sie mit Sorge. „Da | |
kommt ein politisches Desaster auf uns zu.“ Trotzdem ist da auch Sehnsucht. | |
Amerika sei so viel mehr, sagt er. „Toleranz, Warmherzigkeit. Kreativität, | |
Kultur, Natur, Freunde. Auf all das freuen wir uns.“ Trotz allem sei es das | |
Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Und die Kinder? „Die verstehen es noch | |
nicht so richtig.“ | |
22 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Lea Schulze | |
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