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# taz.de -- Sky-Serie „Interview with the Vampire“: Der Vampir ist queer
> Endlich weg von der schwülstigen Südstaaten-Gothic-Romantik: Die Serie
> „Interview with the Vampire“ thematisiert Queerness und Rassismus.
Bild: Vampire Lestat De Lioncourt (Sam Reid) und Louis de Point du Lac (Jacob A…
Das Päckchen, dass der Journalist Daniel Molloy eines Morgens aus dem
Briefkasten fischt, lässt ihn kurz erstarren. Denn die elegant
geschwungene Handschrift auf der beiliegenden Karte gehört einem gewissen
Louis de Pointe du Lac, und wer vertraut ist mit Anne Rices Bestseller
„Interview with the Vampire“ aus dem Jahr 1976 oder der Neunziger
Jahre-Verfilmung mit [1][Brad Pitt] und Tom Cruise, weiß, wer sich hinter
diesem Namen verbirgt. Und warum Molloy nun in der neuen Serien-Adaption
kurz das Blut in den Adern gefriert.
Louis de Pointe du Lac (Jacob Anderson) ist ein Vampir, der dem jungen
Molloy (Eric Bogosian) in den Siebziger Jahren bereits einmal Rede und
Antwort stand. Die Sache nahm damals kein gutes Ende, doch nun bittet der
Untote erneut zur Audienz. Und weil der Journalist inzwischen an Parkinson
erkrankt und die Zeit der großen Cover-Geschichten und Buchverträge rar
vergangen ist, hat er nichts zu verlieren und setzt sich ins Flugzeug, um
in einem Designer-Apartment in Dubai Louis' Biografie womöglich doch noch
in einen Bestseller zu verwandeln.
Als Beihilfe zum Suizid bezeichnet Louis' Assistent (Assad Zaman) das
Projekt: Sobald Moloy die Existenz von Vampiren veröffentliche, dürfte kaum
ein Weg daran vorbeiführen, dass Louis aus Rache von Seinesgleichen
umgebracht wird. Legt er es genau darauf an? Oder sieht er seine Gespräche
mit dem durchaus auf Krawall gebürsteten Molloy vielmehr als dringend
nötige Therapiesitzung? In jedem Fall berichtet Louis ausführlich aus
seinem Leben – und hat dabei wohl einiges aufzuarbeiten.
Geboren 1878 und aus gutem Hause stammend, schlägt er sich zu Beginn des
20. Jahrhunderts in New Orleans findig und geschäftstüchtig als
Bordellbetreiber durch, als ihn der charismatische, aus Frankreich
stammende Lestat de Lioncourt (Sam Reid) zum Vampir macht und Louis ihm in
glühender Leidenschaft verfällt. Später nehmen die beiden, quasi als
Tochter-Ersatz und Rettung bei Beziehungskonflikten, die 14-jährige Claudia
(Bailey Bass, aktuell auch im neuen „Avatar“ mit von der Partie) bei sich
auf, die durch einen Biss vor dem Tode gerettet wird.
## Sexy Schauer-Soap
Über Jahrzehnte ringt Louis mit dem Ungleichgewicht in der Beziehung zu
Lestat und mit seinem Dasein als Untoter, inklusive Entfremdung von der
Familie und dem Drang Menschen zu essen. Hinzu kommen aber eben auch
Alltagserfahrungen als Schwarzer, queerer Mann in den Südstaaten. Klar: Am
Ende dieser siebenteiligen ersten Staffel kann kein heiles
Vampir-Patchwork-Familienglück stehen.
Rassismus und die lange nachwirkenden Traumata der Sklaverei wurden bei
Rice und nicht zuletzt in der Kino-Fassung von Neil Jordan zugunsten
schwülstiger Südstaaten-Gothic-Romantik fast komplett ausgeblendet, und
auch gleichgeschlechtliches Begehren wurde eher in den Subtext verschoben.
Showrunner Rolin Jones kehrt das in seiner Version nun um – und macht die
Geschichte, die in ihren Grundstrukturen dem Roman dennoch treu bleibt, so
interessant und reizvoll wie nie.
Auch der Serie geht es immer noch darum, in erster Linie eine erotisch
aufgeladene Schauer-Soap zu erzählen, was trotz manch läppischem Dialog
sehr sexy gelingt, zumal gerade Hauptdarsteller Anderson (bekannt aus
„[2][Game of Thrones]“) charismatische Bildschirmpräsenz entfaltet. Als
Segen erweist sich dabei auch, wie viel Raum für Humor bleibt, sei es in
den Gesprächen mit Molloy oder in den Off-Kommentaren Claudias, die im
Spagat zwischen pubertierendem Teenager und mordlüsterner Bestie immer
wieder an ihre Grenzen kommt.
Doch spannend ist hier eben weniger das blutrünstige, letztlich von
Einsamkeit geprägte Vampirtreiben fernab des Tageslichts, sondern alles
andere, was diese Figuren ausmacht. Louis und Claudia sind viel mehr
aufgrund ihrer Hautfarbe gesellschaftliche Außenseiter*innen als durch
ihre Unsterblichkeit oder die Fangzähne. Auch die Deutlichkeit in der
Darstellung von Queerness, wenn der bisexuelle Lestat und der sich als
schwul identifizierende Louis zusammen in einen Sarg schlüpfen, bereitet
Freude. Entsprechend groß ist schon jetzt die Vorfreude auf die nächste
Staffel, in der es unter anderem um den Zweiten Weltkrieg gehen soll.
6 Jan 2023
## LINKS
[1] /Neues-von-Brad-Pitt-und-Jennifer-Aniston/!5655751
[2] /Serienfinale-von-Game-of-Thrones/!5596465
## AUTOREN
Patrick Heidmann
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