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# taz.de -- Verbannte Literatur in Belarus: „Extremistische“ Bücher
> Ein 400 Seiten langes Register führt in Belarus Texte auf, die als
> extremistisch gelten und verboten sind. Manche davon erscheinen dann im
> Ausland.
Bild: Bücherverbieter: Alexander Lukaschenko
Kürzlich habe ich Kolleg*innen aus der ehemaligen Sowjetunion im Ausland
getroffen. Weil der Präsident eines dieser Länder davon träumt, die UdSSR
wiederzuerrichten, hatten wir viel Gesprächsstoff. Zurück in Minsk ertappte
ich mich bei dem Gedanken, dass mein Reisepass an der Grenze beängstigend
lange angesehen wurde. Denn aus Sicht der belarussischen Machthaber, die 32
meiner Journalistenkolleg*innen [1][ins Gefängnis gesteckt] haben,
bin ich eine ausländische Agentin. Das haben sie aber zum Glück nicht
bemerkt.
In Belarus gibt es bislang noch keine „Festlichkeiten am Feuer“, wie in
Deutschland 1933, aber wenn man die Liste der „[2][als extremistisch“]
eingestuften Texte sieht, die mehr als 400 Seiten umfasst, scheint es, als
sei das belarussische Informationsministerium bereit dafür. 2021 wurde hier
fast täglich „Extremismus“ in unterschiedlichsten Formen festgestellt, vor
allem im Internet.
Für Kommentare bei Facebook wurden Menschen für durchschnittlich drei Jahre
eingesperrt. Auch Bücher, die man bei Hausdurchsuchungen findet und die
nicht der offiziellen Ideologie entsprechen, können Grund für eine
Verhaftung sein. Verboten wurden 2022 vor allem Bücher belarussischer
Autor*innen in belarussischer Sprache. Die meisten von ihnen zu
historischen Themen.
Am 23. Mai 2022 wurde [3][der Roman von Alherd Bacharewitsch] „Hunde
Europas“ als extremistisch eingestuft. Die beschlagnahmte Auflage des
Buches wurde nach Worten des Autors von einem Traktor platt gefahren. Sie
zu verbrennen wäre nicht ökologisch gewesen und sie zu verkaufen war
verboten.
Jetzt lebt Alherd Bacharewitsch in Graz und sein Buch wird von
Literaturpreisträger Thomas Weiler ins Deutsche übersetzt. Zwischen 2020
und 2022 wurde es als Theaterstück im Freien Theater Belarus in London
aufgeführt, nachdem dessen Regisseur Nikolai Chalezin 2011 politisches Asyl
in Großbritannien erhalten hatte.
In den Theaterstücken der Belarussen spielten auch die größten Stars
Großbritanniens, wie Steven Fry, Jude Law und andere. Sie sind natürlich
auch für das Lukaschenko-Regime nicht angenehm und passen nicht zur
aufgezwungenen Kultur. Man müsste sie darum eigentlich auch verbieten.
Auf der „Extremisten“-Liste stehen neben Büchern auch beliebte
Telegram-Kanäle, aber auch Zeichen, Flaggen, Publikationen, Internetseiten
und der Slogan „Es lebe Belarus“. Und das, obwohl dieser Slogan vor noch
nicht allzu langer Zeit von Beamten und auch von Alexander Lukaschenko
selbst verwendet wurde und es sogar eine belarussische Parlamentszeitung
mit diesem Titel gab.
Den Sammelband „Krieg und Frieden. Ein Tagebuch“, in dem auch diese Kolumne
erscheint, habe ich nicht riskiert, in die Heimat mitzunehmen. Denn solange
die Diktatur es nicht kennt, kann sie es auch nicht verbieten. So soll es
auch bleiben.
Aus dem Russischen [4][Gaby Coldewey]
Finanziert von der [5][taz Panter Stiftung].
Einen [6][Sammelband mit den Tagebüchern] hat der Verlag edition.fotoTAPETA
im September 2022 herausgebracht.
4 Jan 2023
## LINKS
[1] /Politische-Opposition-in-Belarus/!5869474
[2] /Zensur-der-Presse-in-Belarus/!5776135
[3] /Belarussische-Autoren-zum-Ukrainekrieg/!5858906
[4] /Gaby-Coldewey/!a23976/
[5] https://shop.taz.de/product_info.php?products_id=245248
[6] https://www.edition-fototapeta.eu/taz-tagebuch_krieg_und_frieden
## AUTOREN
Janka Belarus
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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Belarus
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