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# taz.de -- Razzia bei Freiburger Alternativradio: Linke Geschichte Dreyeckland
> Die Polizei hat die Räume von Radio Dreyeckland durchsucht. Seit seinen
> Anfängen steht der Sender schon im Visier der Ordnungskräfte.
Bild: Die Polizei durchsuchte neben dem Studio von Radio Dreyeckland die Wohnun…
Der 17. Januar 2023 wird für die Mitarbeiter*innen des [1][linken
Freiburger Senders Radio Dreyeckland (RDL)] wohl noch länger im Gedächtnis
bleiben. Am frühen Morgen gegen 6.30 Uhr stand die Polizei mit einem
Staatsanwalt vor den Wohnungstüren der beiden RDL-Redakteure Andreas
Reimann und Fabian Kienert. Sie präsentierte einen Durchsuchungsbefehl und
beschlagnahmte Computer, Handy und andere Datenträger.
Wenig später standen Polizei und Staatsanwaltschaft auch in den Räumen des
Senders RDL. Dort verzichteten sie allerdings auf die Beschlagnahmung von
Computer und Datenträgern, nachdem sich Fabian Kienert als Autor des
inkriminierten Artikels vom 30. Juli 2022 zu erkennen gab, der Anlass für
die Durchsuchung war. In diesem Artikel wurde über die Einstellung des
Verfahrens gegen die [2][linke Internetplattform Indymedia-Linksunten]
berichtet. Sie war im August 2017 wenige Wochen nach den teilweise
militanten Protesten gegen das G8-Treffen in Hamburg vom
Bundesinnenministerium wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen verboten
worden. Im Sommer letzten Jahres wurden alle Ermittlungsverfahren gegen die
fünf Personen eingestellt, die von der Justiz beschuldigt wurden,
Indymedia-Linksunten betrieben zu haben. Doch die linke Plattform blieb
verboten. Dafür hatten Unbekannte [3][auf der Domain] ein Archiv
eingerichtet, in dem Texte der inkriminierten Webseite dokumentiert sind.
## Angebliches Sprachrohr einer verbotenen Vereinigung
Der Link auf dieses Archiv im RDL-Artikel war der Anlass für den
Durchsuchungsbeschluss, der bereits Mitte Dezember 2022 vom Amtsgericht
Karlsruhe ausgestellt wurde. Nach deren Lesart hat sich der Autor des
Artikels zum Sprachrohr der „verbotenen Vereinigung Indymedia-Linksunten“
und damit eines Verstoßes gegen das Vereinsverbot schuldig gemacht. Fabian
Kienert erklärte gegenüber der taz, dass er im letzten Jahr eine Vorladung
der Polizei erhalten hatte, um zum Vorwurf des Verstoßes gegen das
Vereinsgesetz Stellung zu nehmen. Er habe den Termin nach Rücksprache mit
Jurist*innen nicht wahrgenommen. „Ich verspürte kein Bedürfnis, mich
über meine redaktionelle Arbeit mit dem Staatsschutz auszutauschen“,
erklärte Kienert.
Weder er noch sein Kollege Andreas Reimann hätten in ihrer langjährigen
Arbeit seit den 1990er Jahren für den Sender eine solche Polizeimaßnahme
erlebt, versicherten sie der taz. In Erinnerung geblieben ist beiden
Journalisten aber ein Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129a – Bildung
terroristischer Vereinigungen – Mitte der 1990er Jahre. Dieses war gegen
den Sender eingeleitet worden, weil dieser damals den in der linken Szene
beliebten Song „Hey, Rote Zora“ gespielt hatte. Der Name erinnerte nicht
nur an eine beliebte weibliche Märchenfigur, sondern auch an eine damals
noch aktive militante feministische Gruppe. Das Verfahren wurde aber
eingestellt, ohne dass es zu einer Durchsuchung gekommen war.
## Vergangenheit als Piratensender
Geht man allerdings weiter in die Geschichte des Senders zurück, stößt man
auf zwei weitere polizeiliche Razzien. Damals handelte es sich allerdings
noch um einen Piratensender ohne offizielle Frequenz, der sich Radio
Fessenheim nannte. Damals wollte der rechtskonservative Ministerpräsident
mit NS-Vergangenheit Hans Filbinger bei Freiburg das Atomkraftwerk Wyhl
errichten. Es bildete sich eine Opposition aus Winzer*innen und
Landwirt*innen aus der Region und der linksalternativen Szene Freiburgs.
Der Sender wurde zu deren Sprachrohr. Bald gab es in Freiburg auch
zahlreiche Hausbesetzungen, über die die Sender häufig berichtete. Ab 1988
sendete RDL mit einer legalen Frequenz und wurde zum Pionier der Bewegung
der Freien Radios.
Innerlinke Konflikte wurden in den letzten Jahrzehnten auch schon mal mit
Besetzungen der Senderäume ausgetragen, so während des Golfkriegs 1991, als
israelsolidarische Linke gegen Interviews protestierten, die mit
antisemitischen Stereotypen argumentierten. Bis heute hat der Sender in
Freiburg und Umgebung eine stabile Unterstützung. Das zeigte sich in den
letzten Tagen nach der Durchsuchung. Es kam zu zahlreichen
Solidaritätserklärungen. Menschen kamen direkt beim Sender vorbei, um den
Mitarbeiter*innen ihre Unterstützung auszusprechen. Auf mehreren
Kundgebungen wurde in Freiburg gegen die Polizeimaßnahme protestiert.
20 Jan 2023
## LINKS
[1] /Razzia-bei-Radio-Dreyeckland-in-Freiburg/!5909781
[2] /Ermittlungen-gegen-linke-Plattform/!5871408
[3] https://linksunten.indymedia.org
## AUTOREN
Peter Nowak
## TAGS
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Schwerpunkt Pressefreiheit
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