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# taz.de -- Die Wahrheit: Reserverad voll im Eimer
> Die wahre, königliche und ein für alle Mal letztgültige Rezension des
> englischen Prinzenbuches namens „Reserve“ nur bei uns.
Die Enttäuschung ist groß unter der königstreuen Leserschaft royaler
Indiskretionen. Zwar ist die untertänigst wie sehnlichst erwartete
Autobiografie „Reserve“ des britischen Skandalprinzen Harry endlich auf
Deutsch erschienen, aber mit maßgeblichen Enthüllungen oder gar saftigen
Skandalen kann der schmale Band (Pinguin Verlag, London, 512 Seiten) nicht
aufwarten.
„Harry beschreibt sein Elternkönigshaus als Sumpf aus Sex, Drogen und
Gewalt“, fasst der deutsche Adelsexperte Royal-Rolf Eggnogg-Semmelbrecht
zusammen. „Man liest also nichts, was man nicht bereits aus einschlägigen
Publikationen wie [1][Frau im Spiegel] oder dem Klatschklassiker ‚Die 120
Tage von Sodom‘ erfahren hätte.“
Wie seine Peers im britischen Oberhaus, aber auch sämtliche Bankerte,
Bastarde sowie als Geiseln genommene Kinder verfeindeter Stammesfürsten
(die Kanzlersöhne Walter und Peter Kohl werden noch heute im Londoner Tower
gefangen gehalten) hat der junge Harry eine erstklassige, wenn auch
reichlich konventionelle Erziehung am englischen Hofe erfahren. Bereits als
Toddler Tyrant, wie throngeile Hosenscheißer von Stand im Vereinigten
Königreich genannt werden, wurde Harry in Heraldik, Pneumatik und
Sphragistik unterwiesen, auf dem Stundenplan des jungen Prinzen standen
ferner Belagerung und Handarbeiten wie Epilierkunde (mit dem Zweihänder)
sowie Astronomie (Schwerpunkt Morgensternkunde).
Mit fünf Jahren entwickelte Harry zum ganzen Stolz seiner herrlich
intriganten Uroma Elizabeth Angela Marguerite Beelzebub Bowes-Lyon sein
erstes Mordkomplott, um den verhassten Bruder und Thronfolger William aus
dem Weg zu räumen. Der diabolische Plan scheiterte lediglich, weil William
– anders als seine Mutter – partout nicht mit Höchstgeschwindigkeit in den
dunklen Tunnel rasen wollte. Außerdem war Klein-William damals noch in
einem Bobby-Car unterwegs, wie die mit Fußbetrieb ausgestatteten
Polizeiautos im Vereinigten Königreich genannt werden.
## Alles begann damals
Mit zwölf Jahren wurde Harry beim Debütantenball der britischen Krone
behutsam ans Koks-Büffet auf der Herrentoilette herangeführt, mit dreizehn
hatte sich der leidenschaftliche De Quincey-Leser bereits mit Opium-Lollis
zur führenden Pfeife der Britischen Ostindien-Kompanie hochgelutscht. Wie
es die angelsächischen Tradition seit Aethelhelm dem Erschlafften gebietet,
wurde der heranwachsende Höfling von der Lieblingsstute Queen Victorias,
der schier unverwüstlichen Night Mare (1512–2008), in die Geheimnisse der
körperlichen Liebe eingeweiht. Eine peinliche Tortur, die bereits Onkel
Andrew und Urahn Heinrich VIII. erdulden mussten – aber auch ihrer gesunden
sexuellen Entwicklung hat der altehrwürdige Initiationsritus im
Buckingham-Stall schließlich nicht geschadet. Sogar Harrys eigentümliche
und gut dokumentierte Liebe zu Nazi-Uniformen nimmt sich wenig
skandalträchtig aus, bedenkt man, dass sein deutschstämmiger Großvater
Philipp von Enkeln wie Eingeborenen stets mit „Herr Obersturmbannführer“
angesprochen werden wollte. Braune Schafe und schwarze Flecken gibt es
schließlich in jeder Sippe, und wessen Familiengeschichte nicht von
Psychopathen geschrieben wurde, der werfe den ersten Stein.
Dem Lesevergnügen tut soviel demonstrative Normalität jedoch empfindlich
Abbruch. Wer auf Ranküne und Intrigen wie bei „Game of Thrones“ gehofft
hatte, wird bitter enttäuscht. Dem Inzest innerhalb der Herrscherfamilie
werden nur fünf Kapitel gewidmet, die britischen Drachen Huey, Dewey and
Louie, die allesamt der prächtigen Trident-Klasse angehören, werden sogar
nur im Vorwort erwähnt.
„Im Großen und Ganzen geht es bei Königs auch nicht verderbter und
lasterhafter zu als in der bürgerlichen Kleinfamilie, der Keimzelle des
Faschismus“, zeigt sich auch Hofschranze Eggnogg-Semmelbrecht von dem
Wälzer enttäuscht. Geschrieben hat die mageren 512 Seiten ohnehin nicht
Prinz Harry selber, sondern Meghan Markle, seine amerikanische Ehefrau und
heutige Duchess of Sussex, wie die einzige Weinkönigin des gesamten
Vereinigten Königreichs betitelt ist.
## Harry im Homeland
Von Harrys eigener Hand stammen nur ein paar Illustrationen, allesamt mit
Wachsmaler ausgeführte Penismotive, und ein paar persönliche Bemerkungen am
Seitenrand wie „Help!“ (S. 23), „Netflix abducted me!“ (S. 186) und „…
kill me!“ (S. 346)“. Leider hat die US-Autorin Markle einige geografische
Ungenauigkeiten begangen, so liegt Schloss Balmoral weder in Haines City,
Florida, noch entstammen die Windsors einer Schwarzbrennerdynastie aus
Moonshine Stills, Kentucky. Auch verfügt das UK über keine gemeinsame
Grenze mit Mexiko, die in der Schlacht von Hastings hätte verteidigt werden
müssen. Aber das sind Petitessen, über die man leicht hinwegliest. Schwerer
fällt ins Gewicht, dass das seichte Werk weder unerwartete
Kriegserklärungen an Drittstaaten noch wirklich spektakuläre Beichten
enthält. Dass Harrys Mutter, Lady Di, bisweilen das Blut ihrer Zofen trank,
war ja hinlänglich bekannt. Auch die zahlreichen Giftmorde der heutigen
Queen Consort Camilla haben die Regenbogenpresse bereits ausgiebig
beschäftigt.
Nicht einmal die Tatsache, dass Prinz Harry während seines Militäreinsatzes
in Afghanistan die Taliban vom Hubschrauber aus wie „Schachfiguren“
abschoss, vermag zu schockieren. Andere gekrönte Häupter von Nero bis
Bokassa veranstalteten während ihrer Feldzüge weitaus blutigere
Gesellschaftsspiele als eine Partie Hubschrauberschach mit lebensgroßen
Figuren.
Interessant werden könnte Harrys Autobiografie „Reserve“ höchstens noch
wegen einer Sammelklage, die wütende Leser und Leserinnen unlängst im
Verlagsgebäude der Pinguin-Gruppe mit Fackeln und Mistgabeln einbrachten.
Der sensationsgierige Mob forderte die bedingungslose Herausgabe des
Originalmanuskripts. Gerüchten zufolge soll sich Harry, das international
heißgeliebte Enfant terrible des britischen Königshauses, darin
handschriftlich als illegitimer Spross einer legitimen Beziehung zwischen
Boris Johnson und der [2][Satanic Church of England] outen.
Außerdem gibt der Skandalprinz darin endlich zu, eine brennende Kippe ins
Foyer des Londoner Grenfell Tower geworfen zu haben und beim
Rückwärtseinparken versehentlich den Brexit ausgelöst zu haben.
14 Jan 2023
## LINKS
[1] https://www.funkemedien.de/de/geschaeftsfelder/print/portfolios/Frau-im-Spi…
[2] https://thesatanictemple.com/
## AUTOREN
Christian Bartel
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