# taz.de -- Wie Indien Fußballmacht werden will: Visionen von gestern | |
> Indien möchte zu den besten vier asiatischen Fußballnationen zählen. Mit | |
> „Vision 2047“ gibt es auch einen Plan dafür – und ein Problem. | |
Bild: Derby vor vollen Rängen: East Bengal und ATK Mohun Bagan aus Kalkutta im… | |
Wenn es nach Kalyan Chaubey geht, dauert es nur noch schlappe 25 Jahre, | |
dann gehört Indien zu den vier besten Fußballnationen Asiens. Chaubey ist | |
der Präsident der Aiff, der All India Football Federation. Er sagt auch: | |
„Es ist unser Recht zu träumen und unsere Pflicht, alles zu tun, um diesen | |
Traum zu erfüllen.“ Doch sein Traum steht vor dem Problem, dass ein | |
erfolgloser Verband wenig zu melden hat, wenn es neben ihm eine starke | |
oder, im Fall Indiens: eine finanzstarke Profiliga gibt. | |
Aktuell ist Indiens Frauennationalteam 61. der Fifa-Weltrangliste, die | |
Männer finden sich auf Platz 106. Von Japan, China oder Saudi-Arabien ist | |
Indien weit entfernt. Allerdings gibt es seit 2014 die mit [1][viel Geld | |
hochgepumpte Indian Super League (ISL)]. Das ist eine Profiliga, die sich | |
von der anderen, der I-League, vor allem dadurch unterscheidet, dass die | |
Aiff bei der ISL nichts zu sagen hat. In der ISL haben schon [2][der | |
deutsche Ex-Nationalspieler Manuel Friedrich] gespielt, auch Alessandro Del | |
Piero (Delhi Dynamos), David Trezeguet (FC Pune City), Nicolas Anelka | |
(Mumbai City), und aktuell ist Ex-DFB-Nationalspieler Thomas Brdarić | |
Trainer beim Meister Chennaiyin FC. | |
Kalyan Chaubey und sein Verband haben nun eine Roadmap vorgelegt, wie der | |
indische Fußball bis 2047 besser werden soll. Um seine „Vision 2047“ zu | |
verkünden, musste Chaubey aber zunächst einmal die „Lakshya 2022“ | |
beerdigen. Lakshya bedeutet Ziel, und schon vor elf Jahren, 2012, hatte die | |
Aiff einen Plan, wie Indiens Fußball besser wird. | |
Die Diagnose war damals wie heute gleich: Die Nationalteams sind schlecht, | |
die Nachwuchsförderung ist schlecht. Zu den konkreten Zielen gehörte die | |
Ausrichtung von zwei U17-Weltmeisterschaften, einmal männlich, [3][einmal | |
weiblich.] Im Frauenfußball wurde Spielerinnen versprochen, ihnen nach | |
ihrer Karriere Arbeitsplätze zu suchen. | |
## Nicht viel Neues | |
Hätte man diesen Plan heute vorgelegt, lautete der Kommentar vermutlich: | |
Ambitioniert, aber ernstzunehmen. Zur Diagnose heute gesellt sich aber die | |
Erkenntnis, dass „Lakshya 2022“ krachend gescheitert ist. Dennoch findet | |
sich in der neuen Roadmap nicht viel Neues. Für Frauen etwa soll es statt | |
späterer Jobs nun ein Mindestgehalt geben. Wie viel und wann, weiß man | |
nicht. | |
„Ich träume davon, die ruhmreiche Zeit des indischen Fußballs in den 1950er | |
und 60er Jahren wieder aufleben zu lassen“, sagt Chaubey, und damit deutet | |
der Verbandspräsident nolens volens an, warum alle Pläne wieder scheitern | |
könnten. Damals war tatsächlich nur die Aiff für den indischen Fußball | |
zuständig. Für die WM 1950 war Indien qualifiziert, angeblich aber verbot | |
die Fifa eine Teilnahme, weil das Team barfuß spielen wollte. 1956 wurde | |
Indien Vierter im Olympischen Turnier. Doch danach verlor es seine starke | |
Rolle im asiatischen Fußball. In einigen Provinzen jedoch, etwa in Bengalen | |
oder im Punjab, blieb Fußball populär. | |
Wenn die Verbandsfunktionäre nun beklagen, dass ihr Top-Down-Ansatz, mit | |
Spitzenprodukten wie zwei U17-Weltmeisterschaften den Nachwuchs zu | |
begeistern, gescheitert ist, dann liegt ihr Problem auf der Hand. Das | |
Spitzenprodukt ISL ist nicht dafür da, die Nachwuchsprobleme zu beheben | |
oder Mädchen- und Frauenfußball zu stärken. Das einzige Ziel ist es, aus | |
dem investierten Geld mehr Geld zu machen. Ob es Chaubey und seiner Aiff | |
gelingt, binnen der nächsten 25 Jahre diesen Zweck des Profifußballs zu | |
seinen Gunsten zu verändern? Hm. | |
12 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Martin Krauss | |
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