# taz.de -- Die Wahrheit: Nägelkauen an der Klappermaschine | |
> Das Zeitalter der Schreibmaschine ist lange vorbei. Aber die Träume von | |
> damals sind noch am Leben. | |
Zu meinem vierzehnten Geburtstag wünschte ich mir eine Schreibmaschine. | |
Warum mich dieses Gerät so faszinierte, kann ich heute nicht mehr genau | |
sagen; ich war zwar noch jung, glaubte aber trotzdem nicht mehr, dass so | |
eine Maschine alles allein dichten würde. | |
Ich denke, ich setzte darauf, dass das Ding meinem Heranwachsendenleben | |
eine Aura von Professionalität verleihen würde. Irgendwas wollte ich | |
schließlich auch haben, wenn ich schon nicht das beliebteste Mädchen der | |
Schule sein konnte. (Spoiler: auch nicht das zweitbeliebteste.) | |
Gerne würde ich behaupten, dass der frühe Wunsch ein Zeichen meiner | |
schriftstellerischen Berufung war, doch eigentlich schwebte mir damals eine | |
Karriere als Sängerin oder Schauspielerin vor. Meine Eltern, denen keine | |
Idee zu blöd war, ließen mich bei einer Probe im Hamburger Thalia Theater | |
hospitieren, wo ich Klaus Maria Brandauer bei der Arbeit zusehen durfte. | |
Vielleicht hatten sie dabei an Abschreckung gedacht (ein ganzer kostbarer | |
Ferientag im dunklen Theater), aber ich, die ich bloß das Büro meines | |
Vaters kannte, erlag dem Charme der Kunst sofort – das war Arbeit? Dafür | |
konnte man sich bezahlen lassen? Es gab wirklich Männer da draußen, die | |
keine Schlipse trugen und sich alle duzten? | |
## Bühnenwelt | |
Da ich nicht ganz blöd war, ahnte ich nach meinem Ausflug in die | |
Bühnenwelt, dass für diese Arbeit irgendeine Art von Talent eine hilfreiche | |
Voraussetzung sein könnte, während übermäßiges Lampenfieber sich als eher | |
hinderlich erweisen würde. Deshalb dachte ich daran, Journalistin zu | |
werden, und begann ein Praktikum in einer Lokalredaktion. Talent war nur in | |
kleinen Dosen erforderlich, während ich das mit dem Lampenfieber | |
unterschätzt hatte. Welcher Ortsbürgermeister lässt sich schon gern von | |
einem zittrigen Nervenbündel interviewen, dem der Notizstift aus den | |
verschwitzten Händen rutscht? | |
Dabei hatte ich mit dem Berufsbild der Journalistin ein glamouröses, | |
unkonventionelles Leben mit vielen Partys verbunden. Was soll ich sagen, | |
als taz-Korrespondentin für Hohne-Spechtshorn hat sich dieser Traum für | |
mich vor vielen Jahren erfüllt. | |
Keine Ahnung, warum die spannenden Berichte vom Streit um die Biogasanlage | |
und meine Gesellschaftsreportagen vom Feuerwehrball es trotzdem nie ins | |
Blatt schaffen. Es muss am Urbanismus der verfluchten Berliner liegen. Oder | |
doch eher daran, dass ich am Schreibtisch nägelkauend auf eine Dosis | |
Inspiration warte und das pulitzerpreisverdächtige Porträt der prämierten | |
Milchkuh niemals fertigbekomme? Denn das habe ich schon mit vierzehn vor | |
der Klappermaschine gelernt: Schreiben ist eine üble Quälerei. Wenn ich | |
heute noch mal vierzehn wäre, würde ich mir lieber einen dichtenden Chatbot | |
wünschen und dazu ein Sofa zum Füße-Hochlegen. | |
11 Jan 2023 | |
## AUTOREN | |
Susanne Fischer | |
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