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# taz.de -- Lieblingsstück 2022: Allzumenschliches am Schaalsee
> Das Beste des vergangenen Kulturjahres im Norden: Jan Georg Schüttes
> tolles Impro-Fernsehen lagert erfreulicherweise auf den Festplatten der
> ARD.
Bild: „Das Begräbnis“: Jan Georg Schütte (2. v. l.) mit einigen Darstelle…
„Es war, wie so oft die tollen Sachen, ein Notfall“: Wie er zu diesem so
anderen Arbeiten gekommen sei, anders zumindest für die hiesige Branche,
das [1][fragte neulich] erst wieder die NDR-Moderatorin Bettina Tietjen den
Schauspieler, Regisseur, Autor Jan Georg Schütte: Den hatte, es ist schon
ein paar Jahre her, das Hamburger Thalia-Theater nicht weiter als
Darsteller beschäftigen wollen.
„Ich stand auf der Straße und dachte, das Fernsehen kommt und bietet mir
ganz viele Rollen an – da kam aber original gar nichts.“ Also versuchte der
gebürtige Oldenburger sich an Drehbüchern: „Die waren sehr schlecht“, sagt
er dem NDR.
Was persönlich-beruflich eine Krise gewesen sein mag, fürs Publikum anfangs
[2][das Radio hörende], später dann die Menschen vorm TV-Gerät und sogar im
Kino – war es ein Segen: Weil der Erfolg mit konventionellen Ansätzen nicht
recht kommen mochte, verlegte sich Schütte auf die erwähnte Arbeitsweise:
eine, bei der Improvisation eine Hauptrolle spielt, eine nur sehr grobe
Festlegung darauf, was am Ende eines Drehs erreicht sein soll – und eine
inzwischen beeindruckende Zahl von Kameras: Bis zu 50 davon sollen im
Einsatz gewesen bei Schüttes famoser, früh im vergangenen Jahr
ausgestrahlten Familien-Miniserie „Das Begräbnis“.
Ganz zu Beginn seines Neuanfangs lud er die frisch ehemaligen
Kolleg:innen ein, also Theaterleute, zu einem „Spielenachmittag“; aus
einer DIN-A4-Seite und viel Freude am Miteinander-Spielen wurde am Ende
sogar ein Kinofilm, „Swinger Club“, der, so Schütte, eingeschlagen sei „…
’ne Bombe“. Das war 2006, es folgten weitere, teils enorm prominent
besetzte Arbeiten, Senta Berger, [3][2014 bei „Altersglühen – Speed Dating
für Senioren“ dabei], soll sich bis heute für sein Tun interessieren.
Schauspieler:innen, die wissen, wen sie spielen und „was diese Figur will
oder nicht will“, so Schütte, dazu ein Konflikt und, eben, ein Plan, was
sich am Ende einer Szene wie entwickelt haben soll: Das anfangs so
exotische Vorgehen kennen wir inzwischen auch, zum Beispiel von der
ihrerseits schon recht langlebigen US-Serie „Curb Your Enthusiasm“
(deutscher Titel: „Lass’ es, Larry“). Schütte empfindet solches Spiel als
„lustvoller“, hat er mal gesagt, und als eine Art Rückkehr zu den Anfängen
aller Schauspielerei.
Idealerweise steckt seine Begeisterung auch die tatsächlich Spielenden an –
darunter manchmal Schütte selbst, der einst Absagen von acht
Schauspielschulen kassierte, und aus dem doch einer von Deutschlands besten
Darstellern geworden ist: Ausgehend von einer über zehn Jahre zurück
liegenden Hörspielproduktion hat er in zwei TV-Staffeln den gleichermaßen
sympathischen wie dubiosen Immobilienmakler und Paartherapeuten Klaus
Kranitz gegeben.
Mit manche:r Kolleg:in hat er schon wiederholt gearbeitet, [4][Charly
Hübner] etwa war schon bei „Kranitz“ dabei, als therapiebedürftiger
Verschwörungsgläubiger mit schwacher Impulskontrolle. Im gigantisch
besetzten „Begräbnis“ nun, einer Verarbeitung eines deutsch-deutschen, aber
auch schlicht ganz normalen Familien-Traumas, gibt er den verhinderten
Erben eines Klempnereibetriebs am Schaalsee. Aus immer wieder neuen
Perspektiven wird diese Geschichte erzählt, sie erweitert sich nach und
nach – es ist eine große Freude.
Schalten Sie also ein und wertschätzen Sie diesen Schütte, ehe der
womöglich demnächst nach Hollywood entschwindet: Ein Remake von
„Altersglühen“ nämlich, auch das sagte er dem NDR, das sei doch sehr leic…
vorstellbar; talentierte Ü-60-Jährige gibt es dort drüben ja mindestens so
viele wie hierzulande.
8 Jan 2023
## LINKS
[1] https://www.ardmediathek.de/video/das/das-mit-schauspieler-jan-georg-schuet…
[2] /Archiv-Suche/!5459056
[3] /Archiv-Suche/!268908
[4] /Portraetfilm-Wildes-Herz/!5495529
## AUTOREN
Alexander Diehl
## TAGS
Fernsehen
Thalia-Theater
Jan Georg Schütte
Film
Hörspiel
Drehbuch
Filmbranche
ARD
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