# taz.de -- ARD Hörspielfestival: Denken wie ein Bauer | |
> Bei den ARD-Hörspieltagen geht der Jury gutes Handwerk vor künstlerischer | |
> Kreativität. Höhepunkt ist die Verleihung des "Deutschen | |
> Hörspielpreises". | |
Bild: Jan Georg Schütte wurde für sein Hörstück "Alterglühen oder Speed Da… | |
"Ich denke wie ein Philosoph und rede wie ein Bauer", erklärt Jan Weiler | |
und liest dann weiter aus seinem neuen Buch. Seine Familiengeschichten sind | |
amüsant und harmlos. In Karlsruhe wird bei den "ARD-Hörspieltagen 2011" | |
viel darüber gelacht. Seit 6 Jahren findet das 2004 erstmalig in Köln | |
ausgerichtete Publikumsfestival statt. Herzstück der fünftägigen | |
Veranstaltung (9.11.-13.11.) ist die Verleihung des "Deutschen | |
Hörspielpreises der ARD". | |
Aus zehn eingereichten Hörstücken der neun Rundfunkhäuser der ARD und dem | |
Deutschlandradio wählt eine Fachjury die beste Produktion aus. Vergeben | |
werden auch der ARD-Online-Award, der Nachwuchspreis "Premiere im Netz", | |
der Kinderhörspielpreis der Stadt Karlsruhe und der deutsche | |
Kinderhörspielpreis. | |
Neben dem Hörspielpreis der Kriegsblinden gilt die öffentlich-rechtliche | |
Auszeichnung als die Wichtigste der Branche. Das spiegelt sich auch in den | |
Zahlen - 2011 kommen knapp 10.000 Besucher. Der Etat für das kostenlose | |
Publikumsfestival beläuft sich diesjährig auf ca. 150.000 Euro. Auch die | |
Hörspielmacher profitieren: neben der Dotierung mit 5000 Euro bedeutet die | |
Ausstrahlung auf sämtlichen ARD-Wellen einen dicken Bonus für die oft | |
klammen Autoren. | |
## Altersglühen | |
Recht harmonisch fällt das Urteil der Jury zum diesjährig prämierten | |
Hörstück "Alterglühen oder Speed Dating für Senioren" (NDR 2011) von Jan | |
Georg Schütte aus: "Gerade weil Authentizität simuliert, also kunstvoll | |
hergestellt wird, wirkt Altersglühen so real wie lebenswahr." Die | |
Produktion ist innovativ, weil Schütte sich rein auf die | |
Improvisationfähigkeiten seiner 6 Darsteller verlässt. | |
Dem Autor gelingt eine feinfühlige Umsetzung, der schwierigen Partnersuche | |
im Alter, wenn nur ein paar Minuten bleiben um ein ganzes Leben zu | |
erzählen. Ein spontanes und teilweise auch berührend tragisches Stück - | |
eine gute Wahl. Dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass die Jury - | |
Jochen Hieber (FAZ), Jens Bisky (SZ), Sigrid Löffler (freie Publizistin), | |
Uwe Kammann (Grimme-Institut) und Theresia Walser (Autorin) - manches zu | |
engstirnig beurteilt. | |
Zu beobachten bei den inhaltlich harten, aber mutigen Produktionen "Nichts. | |
Was im Leben wichtig ist" (SWR 2010) von Leonard Koppelmann und "2 Uhr 14" | |
(SR/NDR 2010) von David Paquet: Die ablehnende Reaktion ("ästhetisch nicht | |
plausible Figuren") auf Koppelmanns formell sehr konsequente, düstere | |
Romanadaption ("konstruiert") von Janne Teller - "zwischen Grimms Märchen | |
und Andreas Baader", sagt der Regisseur - verrät mehr über die | |
hermeneutisch vernebelte Rezeption der Jury als über die Qualität des | |
Stücks. | |
## Gute Charakterprofile | |
In dem Hörspiel geht es um eine Schulklasse, die ebenso fanatisch wie | |
erbarmungslos den Nihilismus eines Mitschülers bekämpft. Die Buchvorlage | |
war in Dänemark an Schulen lange verboten, ist aber mittlerweile ein | |
weltweiter Bestseller und wird kontrovers diskutiert. | |
Ein wenig besser ergeht es "2 Uhr 14". Der Kanadier David Paquet erzählt | |
die Vorgeschichte eines Amoklaufs, anhand der inneren Stimmen der Opfer und | |
der Mutter des Täters. Paquet gelingt eine ästhetisch bemerkenswerte | |
Herangehensweise, abseits der medial endlos gespiegelten Frage nach dem | |
"Warum". Im Juryurteil heißt es dann, die an sich guten Charakterprofile | |
würden so für das am Ende stehende Ereignis "instrumentalisiert". Sigrid | |
Löffler knurrt noch, man sei bis jetzt an Themen wie 9/11 oder Amokläufen | |
stets "gescheitert". | |
Leider lässt sich das Herangehen der Jury an manches Werk sehr gut mit den | |
Worten Jan Weilers beschreiben: Denken wie ein Bauer, reden wie ein | |
Philosoph. | |
14 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Jan Scheper | |
Jan Scheper | |
## TAGS | |
Fernsehen | |
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