| # taz.de -- Karlsruhe zu Zitaten des Ex-Kanzlers: Kein Schmerzensgeld für Kohl… | |
| > Maike Kohl-Richter wollte eine Million Euro Entschädigung erben, die | |
| > Helmut Kohl erstritten hatte. Sie scheiterte nun auch am | |
| > Bundesverfassungsgericht. | |
| Bild: Auch am höchsten deutschen Gericht gescheitert: Maike Kohl-Richter (hier… | |
| Freiburg Maike Kohl-Richter kann nicht das Schmerzensgeld erben, das Helmut | |
| Kohl im Streit um das Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ erstritten | |
| hatte. [1][Die Witwe des 2017 verstorbenen früheren Bundeskanzlers] kann | |
| auch nicht durchsetzen, dass die vertraulichen Zitate nach seinem Tod gar | |
| nicht verbreitet werden dürfen. Das hat das Bundesverfassungsgericht am | |
| Donnerstag entschieden. In beiden Verfassungsbeschwerden Kohl-Richters ging | |
| es um das „postmortale“ Persönlichkeitsrecht des Altkanzlers, als Schutz | |
| seines Ansehens nach dem Tod. | |
| Das Buch „Vermächtnis“ erschien 2014 und sorgte vor allem deshalb für | |
| Furore, weil es zahlreiche deftige Kohl-Zitate über andere wichtige | |
| Politiker:innen enthielt. Unter anderem hatte Kohl die Tischsitten der | |
| damaligen Kanzlerin Angela Merkel kritisiert. | |
| Autor des Buches war der Journalist Heribert Schwan, der die ersten drei | |
| Bände von Kohls Memoiren geschrieben hatte. Zur Vorbereitung hatte Schwan | |
| mit Kohl 2001 und 2002 rund 600 Stunden lang über dessen Leben gesprochen. | |
| Beim vierten Band der Autobiographie kam es jedoch zum Streit und die | |
| Zusammenarbeit wurde beendet. Im Buch „Vermächtnis – Die Kohl-Protokolle“ | |
| wertete Schwan dann die alten Tonbänder aus. | |
| ## Anspruch auf Schmerzensgeld ist nicht vererbbar | |
| Kohl klagte gegen Schwan, dessen Co-Autor Tilman Jens und deren Verlag | |
| Random House. Er verlangte fünf Millionen Euro Schmerzensgeld. Die | |
| Keller-Gespräche mit Schwan seien vertraulich gewesen. Dass Schwan ihn nun | |
| mit der Veröffentlichung bloßstelle, verletze sein Persönlichkeitsrecht. | |
| Kurz vor Kohls Tod sprach ihm das Landgericht Köln im April 2017 Kohl | |
| immerhin eine Million Euro Schmerzensgeld zu. Es war der höchste Betrag, | |
| der bis dahin nach deutschem Recht wegen einer | |
| Persönlichkeitsrechtsverletzung zugesprochen wurde. | |
| Das Urteil war bei Kohls Tod im Juni 2017 aber noch nicht rechtskräftig, | |
| denn sowohl Kohl als auch Schwan und der Verlag hatten Rechtsmittel | |
| eingelegt. Seitdem wird darüber gestritten, ob der Anspruch auf das | |
| Schmerzensgeld vererbbar ist und auch von Maike Kohl-Richter eingeklagt | |
| werden kann. Das Oberlandesgericht Köln [2][und der Bundesgerichtshof haben | |
| dies verneint]. Das Schmerzensgeld diene der Genugtuung des Verletzten, die | |
| nicht mehr erreicht werden kann, wenn der Betroffene tot ist. | |
| Auch das Bundesverfassungsgericht lehnte also nun die Verfassungsbeschwerde | |
| von Kohl-Richter ab. Sie hatte sich auf ihr Eigentumsrecht und auf Helmut | |
| Kohls postmortales Persönlichkeitsrecht berufen. Das hohe Schmerzensgeld | |
| diene auch der Prävention gegen weitere Rechtsverletzungen. Die | |
| Verfassungsrichter:innen hielten es nun aber für eine zulässige | |
| Entscheidung des Gesetzgebers und der Fachgerichte, dass ein Schmerzensgeld | |
| nicht vererbbar ist. Es gebe hier einen weiten Gestaltungsspielraum. Die | |
| verfassungsrechtliche Pflicht zum Schutz der Menschenwürde sehe weder vor, | |
| dass eine Verletzung stets zu Entschädigungsansprüchen führen müsse, noch, | |
| dass solche Ansprüche an Erben übergehen. | |
| ## Streit mit Autor und Verlag geht noch weiter | |
| In einer zweiten Verfassungsbeschwerde ging Kohl-Richter gegen die | |
| Entscheidung der Fachgerichte vor, dass der Verlag nur die Verbreitung von | |
| Falschzitaten oder misinterpretierten Aussagen unterlassen muss. Auch diese | |
| Urteile verletzten Helmut Kohls postmortales Persönlichkeitsrecht, so die | |
| Witwe. | |
| Doch auch hier scheiterte Kohl-Richter. Nach dem Tod Helmut Kohls werde nur | |
| noch dessen Menschenwürde geschützt. Die Veröffentlichung korrekter | |
| Kohl-Zitate, die dieser aber selbst nie veröffentlicht hätte, sei keine | |
| Verletzung von Kohls Menschenwürde. Er werde dadurch nicht grob | |
| herabgewürdigt und erniedrigt, so die Verfassungsrichter:innen. | |
| Derzeit ist das Zitate-Buch nur noch als e-Book erhältlich. Das Buch war | |
| mehr als 200.000 Mal vekauft worden. | |
| Maike Kohl-Richter streitet immer noch mit dem Verlag und Heribert Schwan | |
| vor Gericht. Das Oberlandesgericht Köln hat im November die Beweisaufnahme | |
| zur Frage neu aufgenommen, ob es vielleicht doch eine | |
| Vertraulichkeitsabrede gab – was eine weitere Verbreitung vieler Passagen | |
| des Buches verhindern würde. Eine Entscheidung wird im Frühjahr 2023 | |
| erwartet. | |
| (Az.: 1 BvR 19/22 und 110/22) | |
| 15 Dec 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Die-Macht-der-Witwen-maechtiger-Maenner/!5421128 | |
| [2] /Urteil-des-Bundesgerichtshofs/!5818503 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
| ## TAGS | |
| Helmut Kohl | |
| Bundesverfassungsgericht | |
| Schmerzensgeld | |
| Gerichtsurteil | |
| Helmut Kohl | |
| Klarnamen | |
| Netflix | |
| Vorratsdatenspeicherung | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| CDU will Helmut-Kohl-Platz in Berlin: Unbeliebter als Rosenkohl | |
| Die CDU möchte einen zentralen Platz Berlins nach Helmut Kohl benennen. Das | |
| dürfte nicht alle begeistern. | |
| Kennzeichenpflicht für Polizei: Polizei-Namensschild bleibt | |
| Eine Kommissarin aus Brandenburg wollte nicht mit Namensschild arbeiten. | |
| Das Bundesverfassungsgericht hat ihre Klage abgelehnt. | |
| Verleumdungsklagen gegen Netflix: Zu falsch, um wahr zu sein? | |
| Der Streaminganbieter Netflix sieht sich wegen Filmbiografien mit | |
| Verleumdungsklagen konfrontiert. Wie frei darf Fiktion mit Wahrheit | |
| umgehen? | |
| EuGH und Vorratsdatenspeicherung: Gutachten für Persönlichkeitsrechte | |
| Generalanwalt Sánchez-Bordona hält die anlasslose Speicherung von | |
| Internetverkehrsdaten für unzulässig. Der Europäische Gerichtshof dürfte | |
| dem folgen. |