| # taz.de -- Misere im Berliner Rettungsdienst: Das darf kein Wahlkampfthema sein | |
| > SPD und Grüne haben sich in kaum nachvollziehbarer Weise lange genug über | |
| > die Misere im Rettungsdienst gestritten. | |
| Bild: Dank der jetzt vereinbarten Änderungen sollen künftig mehr Rettunsgwage… | |
| Wenn die Bundesregierung intern [1][bis zur Selbsterschöpfung über | |
| Atomkraft streitet], dann ist das nicht gut, aber nachvollziehbar: Es geht | |
| schließlich um eine grundsätzliche Frage für tragende Parteien der | |
| Koalition. Wenn sich im Berliner Senat die SPD auf der einen und Grünen und | |
| Linkspartei auf der anderen Seite heftigst über eine Polizeiwache am | |
| Kottbuser Tor auseinander setzten, ist das auch suboptimal, aber in | |
| gleicher Weise erwartbar. Denn alle drei haben ein unterschiedliches | |
| Verhältnis zur Polizei an und für sich. | |
| Warum aber fetzen sich die SPD-geführte Senatsverwaltung für Inneres und | |
| und das grün geführte Gesundheitsressort samt ihren Fachpolitikern im | |
| Abgeordnetenhaus über Wochen, ja Monate wegen Änderungen beim | |
| Rettungsdienst? Dass an dem Thema irgendetwas ähnlich ideologisch | |
| aufgeladen sein sollte wie bei den erwähnten Themen Atomkraft oder Polizei, | |
| ist nicht erkennbar. Die Grünen sind bislang genausowenig als | |
| grundsätzlicher Anwalt der Ärzteschaft in Erscheinung getreten wie die SPD | |
| bislang alleiniger Fürsprecher der Feuerwehr gewesen wäre. | |
| In längst vom Vorwahlkampf zum offenen Wahlkampf übergegangenen Zeiten ist | |
| das offenbar anders. Da verzögert sich eine dringend benötigte Lösung, weil | |
| jede Seite auf ihre Ansicht beharrt hat – in einer Situation, in der die | |
| Rettungsdienste wiederholt den Notstand ausrufen. Dass es nur um | |
| Profilierung der Parteien geht, liegt als Vermutung da nahe. | |
| Am Dienstag immerhin haben die beteiligten Senatorinnen [2][Iris Spranger | |
| (SPD)] und [3][Ulrike Gote (Grüne)] samt Regierungschefin Franziska Giffey | |
| (SPD) [4][eine Lösung präsentiert]: Künftig sollen – zumindest in | |
| Ausnahmefällen – auch Rettungssanitäter und nicht nur die noch eine Stufe | |
| besser qualifizierten Notfallsanitäter Notärzte bei Einsätzen begleiten | |
| dürfen, wenn die im Notarzteinsatzfahrzeug unterwegs sind. Das sorgt dafür, | |
| dass mehr Notfallsanitäter für Einsätze in den großen Rettungswagen frei | |
| sind, die derzeit teils wegen Personalknappheit nicht oder nur verspätet | |
| los fahren können. Zudem soll der Feuerwehrchef, der Landesbranddirektor, | |
| mehr Befugnisse gegenüber der ärztlichen Leitung bekommen. | |
| ## Der Streit geht wohl weiter | |
| Also alles gut seit Dienstag? Leider nein. Denn die Art und Weise, wie die | |
| Pressekonferenz mit Spranger und Gote am Dienstag ablief, ließ stark | |
| vermuten, dass der Streit mindestens unterschwellig weiter geht. Es | |
| entstand dabei nicht der Eindruck, dass beide Senatorinnen unter der | |
| vereinbarten Regelung dasselbe verstehen, vor allem bei der gestärkten | |
| Rolle des Feuerwehrchefs. | |
| Wenn das kein falscher Eindruck ist, wäre das folgenreich für die | |
| Rettungsdienstler. Denn sie sind auf einmütige Unterstützung durch den | |
| Senat angewiesen und können einen Streit der dahinter stehenden Koalition | |
| nicht gebrauchen. Noch viel mehr gilt das für jene, die sehnsüchtig auf | |
| einen Rettungswagen warten. | |
| Die jetzt vereinbarten Regeln sollen im Januar im Abgeordnetenhaus | |
| verabschiedet werden, am Donnerstag stand [5][im Parlament schon die erste | |
| Lesung] an. Es ist darum schwer zu hoffen, dass die Fraktionen von SPD und | |
| Grünen dort den mühsam befriedeten Streit nicht wieder entfachen und für | |
| neue Unruhe im Rettungsdienst sorgen. | |
| Das soll kein Maulkorb für die Abgeordneten sein. Grundsätzlich diskutieren | |
| lässt sich aber noch später im Jahr, wenn es um eine weitere gehende | |
| Veränderung des Rettungsgesetzes gehen soll. Aber an den jetzt vereinbarten | |
| kurzfristigen Verbesserungen für den Rettungsdienst sollte keiner und keine | |
| mehr rütteln – am allerwenigsten aus Wahlkampfgründen. | |
| 17 Dec 2022 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Streit-um-Laufzeitverlaengerung/!5885276 | |
| [2] https://www.berlin.de/sen/inneres/ueber-uns/hausleitung/senatorin-iris-spra… | |
| [3] https://www.berlin.de/sen/wgpg/ueber-uns/leitung/lebenslauf.1160500.php | |
| [4] /Zu-wenig-Personal-bei-der-Feuerwehr/!5899045 | |
| [5] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen/vorgang/d19-0761.pdf | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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