| # taz.de -- Weihnachten für umme (13): Ein kostenloses Grundbedürfnis | |
| > taz Adventskalender: Am Kottbusser Tor gibt es jetzt eine | |
| > Trockentoilette. Die Benutzung ist sogar für Menschen mit Vulva gratis. | |
| Bild: Diese Ecotoiletten kommen ohne Wasser aus | |
| Die taz Berlin sucht in Zeiten von Inflation und Energiekrise Türchen für | |
| Türchen nach Wegen, wie es ganz ohne Geld etwas werden kann mit dem ach so | |
| besinnlichen Fest. | |
| Ein kleines Häuschen steht seit Kurzem auf der Grünfläche im Kreisverkehr | |
| am Kottbusser Tor. Es handelt sich um eine mobile Toilette der Berliner | |
| Firma Ecotoiletten, gemietet vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Das | |
| Häuschen ist in drei Kabinen unterteilt. In schicken Holzbuchstaben steht | |
| dort Toilette, Missoir und Pissoir. Freie Wahl für die Benutzer*innen | |
| also, ihr Geschäft zu erledigen, ohne sich dabei im binären | |
| Geschlechtersystem verorten zu müssen. So weit, so gut. | |
| Unentschlossen stehe ich vor dem Häuschen, ein Tourist weist mich | |
| freundlich darauf hin, dass das Pissoir geöffnet sei. Blöd nur, dass das | |
| Missoir, ein Äquivalent für Menschen mit Vulva, geschlossen ist. | |
| Die Ecotoilette ist keine normale Toilette. Denn eine solche sorgte schon | |
| mal für viel Streit am Kotti: Anwohner*innen hatten den Bau einer | |
| Wall-Toilette am Kottbusser Tor abgelehnt, so [1][Bezirksbürgermeisterin | |
| Clara Herrmann] (Grüne). Stattdessen steht deshalb nun eine | |
| umweltfreundliche Trockentoilette dort – und die sorgt nun ebenfalls für | |
| Diskussionen. | |
| Neben der schmutzanfälligen Ausstattung wird die fehlende | |
| [2][Barrierefreiheit] bemängelt. Auch der Standort wird von vielen als | |
| problematisch betrachtet – das Häuschen könnte zum Drogenumschlagplatz | |
| werden. | |
| ## Spart 4 bis 8 Liter Wasser | |
| Die Rückwand der Toilette ziert ein Save-the-planet-Schriftzug. Ein Besuch | |
| dieser Trockentoilette soll im Vergleich zu einer herkömmlichen Toilette 4 | |
| bis 8 Liter Wasser sparen. | |
| Nach Knopfdruck befördert diese per Förderband flüssige und feste | |
| Hinterlassenschaften in getrennte Behälter. Deshalb stinkt es auch nicht. | |
| Geschäft erledigt? Nicht ganz, ein an der Tür befestigtes Schild fordert | |
| freundlich dazu auf, per QR-Code ein Feedback zu hinterlassen. Außerdem | |
| wünscht mir die Toilette, oder besser gesagt das Schild, noch einen schönen | |
| Tag. | |
| Eine öffentlich zugängliche Toilette an diesem Ort sei längst überfällig, | |
| sagt mir eine Rentnerin. Sie schwärmt von der silber-glänzenden Toilette in | |
| ihrer Nachbarschaft. Denn die sei sehr sauber und sie werde regelmäßig | |
| gereinigt. | |
| Im Gegensatz zur ökologischen Toilette am Kotti sei sie aber | |
| kostenpflichtig und damit auch anfällig für Versuche, den Münzautomaten zu | |
| knacken. Das sei schon öfter vorgekommen, berichtet die ältere Dame. | |
| ## Erstmal nur für ein Jahr | |
| Laut Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg handelt es sich bei den Toiletten | |
| um ein Modellprojekt, das vorerst auf ein Jahr befristet ist. Danach | |
| erfolgt eine Auswertung mit dem Betreiber und den Akteur*innen vor Ort. | |
| Passant*innen auf einem Winterspaziergang oder beim Weihnachtsbummel | |
| jedenfalls können hier nun durchatmen und ihre Blase erleichtern. Denn das | |
| spricht ja letztendlich für das Toiletten-Häuschen am Kotti: seine bloße | |
| Existenz, und die damit einhergehende Anerkennung menschlicher | |
| Grundbedürfnisse. Ohne für diese zu bezahlen. | |
| 13 Dec 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Leah Schmezer | |
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