# taz.de -- „Coral World“ in Lichtenberg: Kein Bock auf noch ein Aquarium | |
> Nachdem der Aquadom geplatzt ist, gerät auch das Großaquarium an der | |
> Rummelsburger Bucht in den Fokus der Kritik. | |
Bild: Wenig motiviert, an die Rummelsburger Bucht zu ziehen: Zwei Fische aus de… | |
Über tausend verendete Fische, zwei verletzte Menschen, eine Million Liter | |
ausgelaufenes Wasser und ein noch nicht zu beziffernder Sachschaden in | |
mehrstelliger Millionenhöhe – die Folgen des am Freitagmorgen | |
[1][geborstenen Großaquariums Aquadom] sind katastrophal. Das Unglück nährt | |
die Kritik an einem weiteren Großaquarium, das bald in Berlin eröffnet | |
werden soll – das Coral World in Lichtenberg. | |
„Es kann nicht sein, dass Gäste und Tiere aufgrund von Sensationslust in | |
Gefahr gebracht werden“, kritisiert Linke-Abgeordnete Hendrikje Klein am | |
Dienstag die Pläne gegenüber der taz. Sie fordert vom Investor und Bezirk | |
ein Sicherheitskonzept für Fische und Gäste, mit dem Katastrophen wie beim | |
Aquadom verhindert werden können. | |
Besonders kritisch sieht Klein, dass es sich bei dem Aquarium um eine reine | |
Touristenattraktion handelt, mit der der Investor Gewinn machen will – | |
spektakuläre Installationen, wie die Aqua-Tunnel in Coral Worlds anderen | |
Standorten wie auf Mallorca, gehörten ihrer Ansicht nach daher auf den | |
Prüfstand. | |
Laut einem Bericht des Tagesspiegels kündigte Coral World am Montagabend | |
gegenüber dem Bezirk Lichtenberg an, die Pläne für das Aquarium noch einmal | |
überprüfen zu wollen. | |
## Umstrittenes Aquarium | |
„Die Baugenehmigung haben wir gegeben und kann nicht zurückgezogen werden. | |
Aber die konkrete Genehmigung für die Tiere steht noch aus.“ sagt | |
Lichtenbergs Baustadtrat Kevin Hönicke auf taz-Anfrage. Über die Details | |
und ob die Planung noch angepasst werden könne, will Hönicke am | |
vorraussichtlich am Freitag mit dem Investor besprechen. | |
Der Investor Benjamin Khan plant an der Rummelsburger Bucht [2][ein | |
Großaquarium mitsamt Hotel] zu bauen. Das Projekt ist schon seit dem | |
Bekanntwerden der Pläne 2017 hoch umstritten. Kritisiert wurde vor allem, | |
dass die Verwertung der vormals landeseigenen Grundstücke durch einen | |
Investor kaum Mehrwert für die Nachbarschaft bringe. Eine Bürgerinitiative, | |
mehrere Großdemonstrationen, Klagen und Petitionen mit mehreren Tausend | |
Unterschriften konnten das Aquarium nicht verhindern. Mittlerweile wurden | |
bereits die Bodenarbeiten begonnen; eine Fertigstellung ist 2025 geplant. | |
Warum der Aquadom, das als größtes zylindrisches Aquarium der Welt galt, am | |
Freitagmorgen in der Lobby des Radisson Blue Hotels in Mitte zerbarst, ist | |
weiterhin unklar. Mittlerweile sucht ein amerikanisches Spezialunternehmen | |
nach den Ursachen. | |
Von den über 1.500 Fischen des Aquadoms überlebten nur ein paar Dutzend, | |
die von der Feuerwehr aus Pfützen gerettet werden konnten. Die überlebenden | |
Fische wurden in den Zoo und das benachbarte Aquarium Sea Life gebracht. | |
## Artgerechte Haltung nicht möglich | |
Anlässlich des Unglücks fordert die Tierschutzpartei, den Bau eines | |
weiteren Aquariums zu verhindern: „Die Ursache ist zwar noch unklar, aber | |
wir sehen an diesem schlimmen Ereignis, dass Menschen sich immer irren | |
können“, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Presseerklärung der | |
Partei. „Ein neues Aquarium darf auf keinen Fall gebaut werden.“ | |
Bereits im Januar wurde ein gemeinsamer Antrag der Tierschutzpartei mit der | |
Linksfraktion mit dem Titel „Keine Tierquälerei in Lichtenberg“ in der | |
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Lichtenberg beschlossen. Darin forderte | |
die BVV das Bezirksamt auf, Coral World die Haltung von exotischen | |
Meerestieren nicht zu genehmigen und auf eine artgerechte Form der Haltung | |
zu bestehen. | |
Auch die Tierschutzorganisation Peta lehnt Großaquarien wie Coral World | |
oder Aquadom grundsätzlich ab. „Aquarien sind Gefängnisse und – wie wir | |
vergangene Woche gesehen haben – tödliche Fallen“, sagt die promovierte | |
Meeresbiologin und Peta-Aktivistin Tanja Breining. | |
Egal wie groß die Bemühungen sind, eine „artgerechte“ Umgebung in den | |
Aquarien nachzubauen, bleibe es im Vergleich zum Ozean ein „kahler und | |
einfältiger Lebensraum“. Strömungen, Licht, Kommunikation mit Artgenossen | |
und komplexe Symbiosen mit anderen Arten – all das ließe sich auch in dem | |
besten Aquarium nicht nachbilden. | |
## Lieber virtuelles Aquarium | |
Auch das Argument, Großaquarien würden durch Nachzucht zum Artenschutz | |
beitragen weist Breining entschieden zurück: „Über 90 Prozent der | |
Meeresfische in Aquarien stammen aus dem Meer und lassen sich nicht | |
nachzüchten“, sagt sie. Die Fische würden in der Wildnis gefangen, ein | |
Großteil würde schon beim Transport verenden. | |
Sowohl der Bezirk als auch Investor bewerben Coral World [3][als | |
Bildungsort für Meeresbiologie und Ökologie]. Doch Breining hält auch | |
dieses Argument für vorgeschoben: „Für Wissensvermittlung müssen keine | |
lebenden Tiere eingesperrt werden.“ Stattdessen schlägt die Peta-Aktivistin | |
ein virtuelles Aquarium mit Videoprojektionen vor. Peta selbst will sich | |
für eine Gedenkstele einsetzen, die an die verendeten Fische erinnern soll. | |
20 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Geplatztes-Aquarium-in-Berlin/!5903079 | |
[2] /Coral-World-in-der-Rummelsburger-Bucht/!5841625 | |
[3] /Coral-World-an-der-Rummelsburger-Bucht/!5850725 | |
## AUTOREN | |
Jonas Wahmkow | |
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