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# taz.de -- Havarie im Berliner Aquadom: Suche nach den Ursachen
> In einer Lagerhalle in Bad Belzig soll ermittelt werden, warum das
> Berliner Riesenaquarium zu Bruch ging. Das gleicht echter Detektivarbeit.
Bild: Ein Teilstück des geplatzten Riesenaquariums in der Werkstatt in Bad Bel…
Berlin dpa | Es war ein großer Schreck, als das 16 Meter hohe [1][Aquadom]
in den frühen Morgenstunden des 16. Dezembers mitten in der Berliner
Innenstadt zerbarst. Etwa eine Million Liter Wasser ergossen sich in die
Umgebung des Hotels nahe des Alexanderplatzes, in dessen Lobby das Aquarium
stand. International sorgte das Unglück für viel Aufmerksamkeit.
Es kann von Glück gesprochen werden, dass neben zwei Leichtverletzten
niemand ernsthaft zu Schaden gekommen ist. Neun Tonnen wog das größte der
insgesamt mehr als 700 Bruchstücke. Von den 1500 Fischen hingegen starben
fast alle. Nach dem Unglück wurde viel über die Ursache spekuliert: [2][War
es Materialermüdung?] Kleine Risse an der Oberfläche? Oder vielleicht
Temperaturschwankungen?
In einer Lagerhalle in Bad Belzig in Brandenburg versucht ein Team aus
Ingenieuren im Auftrag der Firma, der die Hotelimmobilie gehört, in
akribischer Kleinstarbeit herauszufinden, was wirklich geschehen ist. Dafür
setzen sie die Bruchstücke möglichst so zusammen, wie sie ursprünglich
angeordnet waren. „Wir machen es wie bei einem Puzzle: Mit den Ecken fängt
man an“, sagt Ingenieur Robert Kirchner. Da ein Zylinder aber nun mal keine
Ecken habe, verwendeten sie andere Merkmale und arbeiteten sich vom Rand zu
Mitte vor.
An einem warmen Frühlingstag im Mai steht der Spezialist für Material- und
Bauteilprüfung inmitten der riesigen Bruchstücke, die aussehen wie gläserne
Eisschollen. Je nach Form haben die Mitarbeiter ihnen liebevolle Spitznamen
geben – wie „der Zahn“ oder „der Schwinger“, ein wellenförmiges Bruc…
## Aquarium wird rekonstruiert
Gemeinsam mit einem weiteren Ingenieur und mehreren Hilfskräften arbeitet
Kirchner seit mehreren Monaten in Vollzeit an der Rekonstruktion des
Aquariums. Unterstützung bekommen sie durch den Ingenieur und
Kunststoffexperten Christian Bonten, der im regelmäßigen Austausch mit dem
Team vor Ort steht. Bonten wird am Ende das Gutachten über die
Unglücks-Ursache schreiben – das spielt auch eine Rolle bei der
Kostenübernahme durch die Versicherung. Die Schadenserfassung sei „die
Königsdisziplin“ der Ingenieure, sagt Bonten.
Dabei müsse man vorgehen wie ein Detektiv. In einem ersten Schritt wurde
noch am Unfallort die genau Position der Bruchstücke bestimmt und eine
Karte erstellt. Das erleichtere die Rekonstruktion in der Lagerhalle. Dort
wird der Zylinder seit einigen Wochen Stück für Stück wiederhergestellt.
Allerdings nicht in dreidimensionaler Form, sondern auf dem Boden liegend,
als würde man ihn ausrollen, erklärt Bonten.
Bisher haben die Experten etwa die Hälfte der Bruchstücke erfasst. „Geduld
ist nicht unbedingt ein Adjektiv, das mich beschreibt“, sagt Kirchner und
lacht. Dabei braucht es für die Rekonstruktion des Aquariums davon eine
ganze Menge. Jedes Teil wird auf den Millimeter genau digital erfasst –
Dicke und Krümmung des Acrylglases oder etwa Bruchlinien geben Aufschluss
darüber, wohin das Bruchstück gehört. Stück für Stück setzt sich so das
Puzzle zusammen. Parallel suchen die Ingenieure nach Auffälligkeiten an den
Bruchstücken, die Rückschlusse auf die Ursache ermöglichen.
Können die Experten inzwischen schon etwas über Ursache des Platzens sagen?
„Nein, wir machen hier Detektivarbeit und dürfen uns dabei nicht zu früh
festlegen“, sagt Bonten. Eine Erklärung können sie zum derzeitigen
Zeitpunkt demnach offiziell noch nicht bieten. Die Ursache könne aber an
vier unterschiedlichen Faktoren liegen: einer Fehlnutzung, einer
fehlerhaften Konstruktion, einer fehlerhaften Herstellungsweise oder einem
fehlerhaften Werkstoff. Von einer Fehlnutzung spreche man etwa dann, wenn
sich zu viel Wasser im Aquarium befunden hätte, erklärt der Ingenieur. Das
könne aber im Fall des Aquadoms ausgeschlossen werden.
Potenzielle Schwachstellen sind laut Bonten prinzipiell die Fugennähte. Das
sind die Stellen, an denen die einzelnen Teile des Aquariums während des
Baus zusammengesetzt wurden. Denn bereits vor dem Unglück bestand der
Zylinder nicht aus einem einzelnen großen Stück Acrylglas, sondern aus
mehreren zusammengesetzten Teilen. Für das bloße Auge ist das kaum
erkennbar. „Die Art und Weise, wie der Kunststoff an den Fugennähten, aber
auch das Acrylglas selbst gebrochen ist, kann uns Hinweise auf den
Schadenshergang geben“, erklärt Bonten. Bis Mitte Juli soll die
Untersuchung abgeschlossen sein. Dass die Ursache des plötzlichen
Auseinanderbrechens eindeutig festgestellt werden könne, kann Bonten nicht
versprechen.
## Kein neues Aquadom
Für die Gebäudeeigentümer des Berliner Hotels, das in diesem Jahr noch
nicht wiedereröffnen soll, steht inzwischen fest: Einen Aquadom 2.0 wird es
in der Immobilie nicht geben. „Es war ein Besuchermagnet“, sagt Sprecher
Fabian Hellbusch rückblickend. Der Bau eines neuen Beckens sei zu teuer.
Eine Neugestaltung der Hotellobby sei in Planung.
Eine positive Nachricht gibt es schon jetzt: Von den rund 630 Fischen, die
aus unterirdischen Becken gerettet werden konnten, haben fast alle
überlebt. Sie sind in die Aufzuchtstation zurückgekehrt oder bei privaten
Aquaristen sowie im Zoo Berlin untergekommen. Es gehe ihnen sehr gut, sagte
eine Zoo-Sprecherin.
7 May 2023
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/AquaDom
[2] /Geplatztes-Aquarium-in-Berlin/!5903079
## TAGS
Berlin-Mitte
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Polizei Berlin
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