# taz.de -- Wagenknecht und die Linke: Was wird aus Lady Voldemort? | |
> Die „progressiven Linken“ denken über eine Zukunft der Partei ohne Sahra | |
> Wagenknecht nach. Gregor Gysi spricht sich für einen gemeinsamen Weg aus. | |
Bild: Die, deren Name nicht genannt wird? Und doch bleibt der Streit in der Lin… | |
BERLIN taz | Die Linke kann nicht mehr mit Wagenknecht. Aber kann sie ohne | |
ihr prominentestes Mitglied? Das ist die Frage, die derzeit viele in der | |
[1][schwer kriselnden Partei] umtreibt. Am Samstag trafen sich in Berlin | |
diejenigen, die gerne lieber heute als morgen eine Antwort darauf erhalten | |
würden. [2][Die „progressiven Linken“] fordern einen Bruch mit dem von | |
Wagenknecht vertretenen [3][„Linkskonservatismus“.] | |
Dass es so nicht weitergehen kann, darin waren sich die rund 100 | |
Linkenmitglieder, die sich in der Jugendherberge Berlin-Ostkreuz zum | |
Krisentreffen versammelt hatten, einig. „Wir stecken in einer tiefen Krise, | |
für deren Lösung nicht mehr lange Zeit ist“, sagte die | |
Bundestagsabgeordnete Cornelia Möhring. | |
Etliche Teilnehmer:innen berichteten von schmerzhaften Austritten in | |
ihren Kreis- und Landesverbänden. Immer öfter bekämen sie zu hören: „Ihr | |
seid für uns unwählbar geworden.“ Das alles vor allem wegen „der, deren | |
Namen wir nicht nennen wollen“. Es ist ein Running Gag, eine nicht nur | |
scherzhaft gemeinte Anlehnung an Harry Potters bösen Zauberer: Wagenknecht | |
sei wie „Lady Voldemort hier im Raum“, so der stellvertretende | |
Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin, einer der Einlader:innen des | |
Treffens. | |
Es müssten endlich Grenzen gezogen werden, forderte der Bremer | |
Landesvorsitzende Christoph Spehr von der Partei- und | |
Bundestagsfraktionsführung. So sei die „Denunziation“, die soziale Frage | |
wäre der Linken wurscht geworden, nicht länger hinnehmbar. „Das kann man | |
finden, aber eigentlich nicht in dieser Partei“, so Spehr. Das gelte auch | |
für die lauten Gedankenspiele über die Gründung einer anderen Partei. Wer | |
über einen anderen Laden nachdenke, sollte nicht mehr für die Partei oder | |
die Fraktion auftreten und sprechen. | |
## Wagenknecht liebäugelt mit neuer Partei | |
Beides [4][zielt auf Wagenknecht] ab, die seit langem schon kein gutes Haar | |
mehr an der eigenen Partei lässt. Dass es in ihrem Umfeld intensive | |
Diskussionen über eine Abspaltung gibt, ist ein offenes Geheimnis. | |
Wagenknecht selbst liebäugelt zwar seit Wochen demonstrativ mit einer neuen | |
Partei, zögert aber noch. So bekundete sie Mitte Oktober bei einer | |
Veranstaltung in Zwickau, es gebe „eine große Leerstelle im politischen | |
System“, es sei „nur so, dass es keine einfache Geschichte ist, mal eben | |
eine Partei zu gründen“. Sie sage nicht, „dass das generell nicht möglich | |
ist, aber man muss sich das sehr überlegen“. | |
Aus ihrer Sicht besteht kein Grund zur Hektik. Als mögliches Szenario gilt, | |
erstmal weiter die Partei von innen zu zermürben und noch die hessische | |
Landtagswahl im Herbst 2023 abzuwarten, bei der der Linkspartei der Verlust | |
ihrer letzten Mandate in einem westdeutschen Flächenland droht. Das könnte | |
als Signal genommen werden, um mit einem alternativen Wahlbündnis gegen die | |
Linkspartei bei der Europawahl im Frühjahr 2024 anzutreten. | |
Für die Linkspartei wäre das ein Horrorszenario. Doch wie dem begegnet | |
werden kann, darüber gehen die Auffassungen stark auseinander: Sollen | |
Wagenknecht und ihr Anhang schon vorher dazu getrieben werden, in den Sack | |
zu hauen, um dann noch genug Zeit zu haben, sich wieder zu sammeln? Oder | |
soll alles unternommen werden, um zusammenzuhalten, was nicht mehr | |
zusammenzuhalten ist? | |
## Gysi kämpf um Wagenknecht | |
Vor allem der Parteigrande Gregor Gysi kämpft darum, seine einstige | |
Intimfeindin auf Biegen und Brechen in der Partei zu halten. Er glaubt, | |
dass im Falle [5][einer Spaltung] seine alte wie Wagenknechts neue Partei | |
schlechte Karten hätten. Deswegen sollten jetzt alle „mal ihre Widersprüche | |
beiseitelassen und sagen: Aber was wollen wir denn eigentlich gemeinsam“, | |
forderte er jüngst in einem Interview mit dem MDR. | |
Erst kürzlich hat Gysi ein längeres Gespräch mit Wagenknecht geführt, um | |
sie zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Auch die Parteivorsitzenden Janine | |
Wissler und Martin Schirdewan haben sich gemeinsam mit den | |
Fraktionsvorsitzenden Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch mit ihr | |
getroffen. Herausgekommen ist dabei allerdings nichts. Wie bei ihren | |
öffentlichen Auftritten soll Wagenknecht nur stoisch und unversöhnlich ihre | |
Grundsatzkritik wiederholt haben, heißt es. Und sie habe keinen Zweifel | |
daran gelassen, keine Perspektive mehr für die Partei zu sehen. Gleichwohl | |
soll es demnächst noch eine weitere Zusammenkunft des geschäftsführenden | |
Parteivorstandes mit Wagenknecht geben. Es ist nicht zu erwarten, dass | |
dabei mehr herauskommen wird. | |
Die aus unterschiedlichen Parteiströmungen stammenden progressiven Linken | |
halten solche Bemühungen für Zeitverschwendung. Grundsätzliche Widersprüche | |
dürften nicht beiseitegelassen, sondern müssten entschieden werden. „Die | |
Linke ist eine politische Errungenschaft, die wir verteidigen“, heißt es in | |
ihrer „Berliner Erklärung“, die am Samstagabend einstimmig verabschiedet | |
wurde. „Wir gehen aber davon aus, dass die Sicherung ihrer Existenz nur mit | |
klaren Richtungsentscheidungen möglich ist.“ | |
Im öffentlichen Bewusstsein werde „insbesondere die in der | |
Bundestagsfraktion hartnäckig tolerierte Koexistenz unvereinbarer | |
Positionen zu Recht als unwählbare ‚Zerstrittenheit‘ reflektiert“. Das | |
müsse schnellstmöglich geändert werden. Gerade weil dadurch die gesamte | |
Partei erodiere, dürfe „weder sie sich noch eine ihrer Vertretungen in den | |
Parlamenten durch Spaltungsdrohungen erpressen lassen“, verlangen die | |
progressiven Linken. Wer dauerhaft nicht bereit sei, Beschlüsse und | |
Grundwerte der Linken zu respektieren, solle diese nirgends vertreten. „Wir | |
wollen, dass in dieser Frage Klarheit geschaffen wird.“ | |
Eine Gelegenheit dazu würde ein Krisengipfel bieten, zu dem sich die | |
Partei- und Fraktionsvorsitzenden aus dem Bund und den Ländern am kommenden | |
Wochenende in Leipzig treffen. Doch wie zu hören ist, dürfte es wieder | |
einmal nur dazu reichen, sich auf unverbindliche Allgemeinplätze zu | |
verständigen. Die Hängepartie geht weiter. | |
4 Dec 2022 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
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