| # taz.de -- Konflikt in Kosovo: „Abschaum“ und „Krimineller“ | |
| > Zwischen Belgrad und Prishtina stehen die Zeichen auf Sturm. Der Konflikt | |
| > ist ein Schlagabtausch zwischen Serbiens Staatschef und Kosovos Premier. | |
| Bild: Festgefahren: Straßenblockade in der Nähe der zwischen Serben und Kosov… | |
| Belgrad taz | Das Kosovo, Brüssel und Washington sind wieder in | |
| Alarmbereitschaft: Protestierende errichteten erneut Straßenblockaden im | |
| mehrheitlich von Serben bewohnten Norden des Kosovo. Hintergrund der Aktion | |
| war die Verhaftung eines ehemaligen serbischen Polizeibeamten der | |
| kosovarischen Polizei – wegen „Terrorismus“. Wie alle anderen Serben in d… | |
| Region hatte er Anfang November die Kosovo-Polizei verlassen, weil die | |
| Regierung in Prishtina die im Kosovo lebenden serbischen Pkw-Fahrer zwingen | |
| wollte, [1][ihre Fahrzeuge mit kosovarischen Kennzeichen zu registrieren]. | |
| Serbische Nummernschilder werden symbolisch als letzte institutionelle | |
| Präsenz des serbischen Staates im Kosovo empfunden. | |
| Eine Kettenreaktion von ähnlichen – mehr oder minder gewalttätigen – | |
| Aktionen im und um das Kosovo lassen sich seit Jahrzehnten verfolgen. Es | |
| ist ein Dauerkonflikt in Europa, dessen Lösung nicht abzusehen ist. | |
| Der Kernstreitpunkt: Kosovo will seine Unabhängigkeit vervollkommnen, | |
| Serbien die Selbstständigkeit seiner „südlichen Provinz“ keinesfalls | |
| anerkennen. Belgrad beruft sich auf das Völkerrecht und die Resolution des | |
| UN-Sicherheitsrats 1244, die das Kosovo als Bestandteil Serbiens unter | |
| internationalem Protektorat definiert. Das sehen auch fünf EU-Staaten so. | |
| Serbien beharrt auch auf der Gründung eines Bundes von vier mehrheitlich | |
| von Serben bewohnten Gemeinden im Norden des Kosovo, was [2][Kosovos | |
| Premier Albin Kurti] als „Instrument der Destabilisierung“ ablehnt, | |
| allerdings sein Vorgänger im Rahmen des „Brüsseler Abkommens“ noch vor | |
| Jahren unterzeichnet hatte. Das Scheitern der Umsetzung zeigt die Ohnmacht | |
| der EU, was wiederum eine antieuropäische Stimmung in Serbien provoziert. | |
| ## Serbische Narrative, kosovarische Narrative | |
| Die Lektüre serbischer Zeitungen erweckt den Eindruck, dass ein | |
| Kriegsausbruch im Kosovo unmittelbar bevorsteht: Serbische Streitkräfte | |
| befinden sich in erhöhter Bereitschaft, der Chef der Kosovo-Kanzlei der | |
| serbischen Regierung Petar Petković spricht vom Plan des kosovarischen | |
| „Quasi-Ministerpräsidenten“ Albin Kurti, das Kosovo von Serben „ethnisch… | |
| säubern“. Serbiens Staatschef Aleksandar Vučić bezeichnet Kurti als | |
| „terroristischen Abschaum“. Alle Entscheidungsträger versprechen den Serben | |
| im Kosovo, „ihren Staat“ vor der „Vernichtung“ zu bewahren. | |
| Auf der anderen Seite spricht Kurti vom serbischen Staatschef als „Anführer | |
| krimineller Banden“ und „Wladimir Putins Mann auf dem Balkan“. Serbien sei | |
| das einzige Land Europas, das mit seiner „brüderlichen“ Beziehung zu Moskau | |
| prahle, Sanktionen gegen Russland ablehne, aber versuche, [3][seine Außen- | |
| und Sicherheitspolitik mit der EU in Einklang zu bringen]. So bekommen Gut | |
| und Böse mit Kurti und Vučić ein Gesicht. | |
| Die EU, die USA, die Mission der EU im Kosovo Eulex, die internationale | |
| Friedenstruppe im jüngsten Staat Europas Kfor, die Nato, diverse | |
| Sondergesandte, spezielle Beauftragte, Vermittler, die amerikanische und | |
| britische Botschaft in Belgrad und Prishtina in einer koordinierten Aktion, | |
| Deutschland und Frankreich mit einem, bislang geheimen gemeinsamen Plan für | |
| eine Konfliktlösung: Sie alle rufen zur Deeskalation im Kosovo auf und üben | |
| Druck auf Vučić und Kurti aus, sich an den Verhandlungstisch zu begeben. | |
| Bislang vergebens. Beide Konfliktparteien sehen sich im Recht, beide wollen | |
| nicht nachgeben. Und so bewegt sich die jüngste Eskalation im Kosovo | |
| Schritt für Schritt unaufhaltsam auf eine gewalttätige Auseinandersetzung | |
| zu, und dass alles während des russischen Kriegs gegen die Ukraine – eine | |
| der größten Krisen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg. | |
| Dabei begann alles mit Kfz-Kennzeichen: Zuerst erkannte Serbien jahrelang | |
| nicht die Kennzeichen des „falschen Staates Kosovo“ an, auf denen „RKS“… | |
| Republik Kosovo – steht, dann führte Prishtina Gegenmaßnahmen ein. | |
| Schließlich einigte man sich auf eine beiderseitige Anerkennung, doch dann | |
| sollten die Serben im Kosovo nur noch mit kosovarischen Kfz-Zeichen fahren, | |
| worauf sich alle Serben aus allen kosovarischen Institutionen zurückzogen. | |
| So landete man dort, wo man eben heute ist: Zehn Jahre Verhandlungen unter | |
| der Vermittlung der EU sind in wenigen Wochen zunichte gemacht. Der Ballast | |
| der unbeglichenen historischen Rechnungen hängt wie ein Klotz am | |
| Westbalkan. | |
| 13 Dec 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Andrej Ivanji | |
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