# taz.de -- Das Jahr mit Friedrich Küppersbusch: „Da müsst Ihr durch“ | |
> 2022 war: Krieg in der Ukraine, Habeck in Katar, Kartoffelbrei auf van | |
> Gogh. Doch was bringt die Zukunft? Friedrich Küppersbusch blickt nach | |
> vorn. | |
Bild: CDU-Vorsitzender Merz auf dem Höhenflug | |
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht dieses Jahr? | |
Friedrich Küppersbusch: Die Ahnung, es könne nicht schlimmer kommen. | |
Und was wird besser nächstes? | |
Keine Ahnung. | |
Ein Jahr Friedrich Merz! Seit Januar 2022 haben wir es mit [1][Merz als | |
Parteivorsitzendem der CDU] zu tun. Seitdem hat er eine neue Brille und | |
ziemlich viel Unfug erzählt. Wie viel Spaß werden wir in diesem Jahr mit | |
Merz haben? | |
„40 Jahre tapsiges Füllen“ sind doch auch ein schönes Jubiläum. Merz’ … | |
Linie bestimmt sich durch die Leitplanken, vor die er mit schöner | |
Regelmäßigkeit dullert: ukrainische Kriegsflüchtlinge als | |
[2][„Sozialtouristen“]. Dann will er gleich [3][die Nato offiziell | |
hinschicken]. Ab und an homophobt es heftig durch ihn durch, die | |
[4][Frauenquote] kriegt er ohne Ketchup nicht runtergewürgt. Das reicht für | |
einen bündig-aggressiven Auftritt der Union im Bundestag. | |
Merz kriegt ’ne Eins in „Was die andern falsch machen“, bei „Wir machen… | |
besser so“ ist die Versetzung gefährdet. Der Parteichef kassiert | |
Wahlerfolge – in Berlin, Bremen, Hessen kann er 2023 hoffen – und mag sich | |
so zu Tode siegen: Wüst und Günther drängeln schon, und jetzt muss er auch | |
noch zehn Monate bis zur Bayernwahl Markus Söder dufte finden. Merz hat | |
also alle Chancen, erster Trümmermann der Union zu werden. | |
Am 24. Februar begann der Krieg gegen die Ukraine. Der Bundeskanzler | |
spricht später von „Zeitenwende“. Wird die noch kommen? | |
Diese Deutschen nun wieder! Fangen diesmal den Krieg gleich mit der | |
Kapitulation an: Von Steinmeier bis Kubicki tritt man beherzt aus mal 20, | |
mal gleich 50 Jahren deutscher Politik aus. Nun waren die Minsk-Verträge, | |
oft das Erdgas-Röhren-Geschäft und immer [5][Nord Stream] dumme Fehler. | |
Der Nebenwiderspruch, dass der „Wandel durch Annäherung“ die deutsche | |
Einheit bahnte, wird von Tumulten übertöst. Vom Riesencomeback des | |
Hundertjährigen, der aus dem Fenster sprang, um die Welt anzuzünden: der | |
„Siegfrieden“. Diese Vision ist jetzt gesetzt, und ob mit ein paar | |
Rüstungsmilliarden mehr oder weniger: Sie wird uns lange zu schaffen | |
machen. | |
Auf der Suche nach neuen Energielieferanten besuchte [6][Robert Habeck im | |
März Katar] und verneigte sich vor dem katarischen Minister für Handel und | |
Energie. [7][Viele kritisierten den Auftritt]. Jetzt, wo wir schön heizen, | |
alles schon vergessen? | |
Der „Bückling“ leitet sich vom niederdeutschen „bok“ ab und bezieht si… | |
auf den strengen Geruch des Fischs beim Verzehr. Sorry, falsche Spalte. | |
Noch mal. „Your Highness, what an honour“ war die wohl infamste | |
Kommentarlücke in einem „Tagesschau“-Beitrag dieses Jahr. | |
Man taumelte zwischen Fremdscham, wie der deutsche Menschenrechts-Warrior | |
zur Begrüßung jede Moral abwarf – und Bewunderung seiner Demut gegen die | |
Zwänge des Amtes. Unterm Strich hat Katar mehr Huldigung kassiert als | |
Deutschland Gas. Habecks Image als ein Stück weit nachdenklicher | |
Lausbubator konnte es wenig anhaben. | |
Nach nur 14 Monaten als Co-Chefin von Die Linke [8][trat Susanne | |
Hennig-Wellsow im April zurück]. Als Gründe nannte sie persönliche Motive, | |
aber auch den [9][Umgang mit Sexismus-Vorwürfen in der Partei]. Tritt Die | |
Linke 2023 vollständig von der Bühne ab? | |
Eine Spaltung wäre ein Upgrade – derzeit ist die Partei zersplittert: | |
Regierungsbeteiligte, Reformer, marxistische Fundamentalisten und | |
Rechtsoffene. Paradox genug wartet ausgerechnet Die Linke auf das rechte | |
Konzept „Führungsfigur“. Ramelow tut sich das nicht an, Wagenknecht hat | |
viel zu recht, Bartsch verwaltet den Rostfraß. Wer immer da ein Streitthema | |
reinwirft, bekommt auf einen Ball drei zurück. „Linke – die ARD unter den | |
Parteien“ ist jetzt auch wieder kein Zukunftsslogan. | |
Forscher*innen ist im Mai zum ersten Mal die Aufnahme eines Schwarzen | |
Lochs in der Milchstraße gelungen. Wen schicken wir als Erstes hin? | |
Christian Lindner. Ein Loch, in dem alle Materie verschwindet, wäre ein | |
hilfreicher Blick in die Zukunft seines Haushalts. | |
Im Juni begann die Documenta. [10][Es kommt zum Antisemitismus-Skandal], | |
bei dem jeder alles sagen dürfen soll, aber keiner Verantwortung übernehmen | |
will. Was hinterlässt die documenta fifteen außer einem Scherbenhaufen? | |
Zu Kulturstaatsministerin Claudia Roth mag vielen vieles einfallen, auch | |
Ungerechtes, doch die Selbstbezichtigung „Ich hätte lauter sein müssen“ | |
erfrischt dann doch. Geht das? Ein Kunstereignis, an dessen Ende die | |
Forderung nach mehr politischer Gängelung steht, ist zwar ein Fiasko, aber | |
eine sensationelle Performance. | |
Das [11][9-Euro-Ticket erfreute sich ab Juli großer Beliebtheit]. Die | |
Debatte über die Weiterführung jedoch endete im Chaos. Wer profitiert am | |
meisten vom Billigticket: Schnäppchenjäger? Armutsbetroffene? Die FDP? Die | |
Bahn? | |
Wir haben ungefähr die Hälfte der Bahn, die wir brauchen. Das hat sich | |
herumgesprochen. „Hallo, Zugchefin!“ – „Hallo, Stresstest“. | |
Nach Massagesesseln, Vetternwirtschaft und italienischen Parkettböden: | |
[12][Im August geriet die RBB-Führung ziemlich in Verruf]. Übersteht der | |
öffentlich-rechtliche Rundfunk das Jahr 2023? | |
ARD- und WDR-Chef Tom Buhrow schlug in der losgetretenen Debatte einen | |
„runden Tisch“ für einen „neuen Gesellschaftsvertrag“ vor. Klingt nach… | |
kurz vor Untergang. Gutes Timing. Tatsächlich sind die Bedrohungen der | |
Meinungsfreiheit heute globale Digitalkonzerne mit mehr als | |
nationalstaatlicher Macht. Dort wäre eine Begründung zu finden für | |
nationale, lieber gleich europäische Konkurrenten von Facebook, Twitter, | |
Insta und den Streamingdiensten – unter öffentlich-rechtlicher Kontrolle. | |
Dieses Ziel muss definiert werden, gesellschaftliche Mehrheiten organisiert | |
–, bevor man das Vorhandene demoliert. Noch mal die Programmfolge | |
überdenken in der Intendanz. | |
Die [13][Queen ist tot]. Mit dem Ableben von Elizabeth II. im September | |
wurde [14][Charles III. König der britischen Insel]. Wird er Begründer | |
einer modernen Monarchie oder versinkt England in selbst gemachter | |
Orangenmarmelade? | |
Charles ist so alt, wie Friedrich Merz sein wird, falls er Kanzler wird. | |
Tauschen? | |
Klimaaktivist:innen bewerfen [15][im Oktober die „Sonnenblumen“ von | |
Vincent van Gogh] und andere teure Gemälde mit Tomatensuppe und | |
Kartoffelbrei und kleben sich an Straßenkreuzungen fest. Verklebt die | |
Klimabewegung sich die Zukunft? | |
Gewalt- und gehaltfrei gehen Hand in Hand: Das sind Scheindebatten, die wie | |
das endlose Gendergemoser vom Kernanliegen eher ablenken. Wir vom | |
AKW-Gegner-Seniorenheim rufen den Jungen zu: Da müsst Ihr durch, es dauert | |
trotzdem kotzlange. Und übrigens wäre es klug, Sympathien einzukassieren, | |
statt zu verprellen. | |
Der Bundestag beschließt im November [16][den Weiterbetrieb der letzten | |
drei Atomkraftwerke in Deutschland] bis April 2023. Deutschland mal wieder | |
gerettet? | |
Letzte-Generation-Aktivisten sehen die angegrauten Grünen zustimmen und | |
sagen: dann lieber Kartoffelbrei. | |
Ausgelöst durch die [17][Proteste der Frauen im Iran] fordern im ganzen | |
Land Menschen das Ende des Regimes. Dieses lässt unterdessen seit Dezember | |
die ersten Protestteilnehmer hinrichten. Was muss die [18][feministische | |
Außenpolitik] Deutschlands als Nächstes tun? | |
Das Streitwort hilft wenig. Merkels Außenpolitik ist just mit Applaus | |
geächtet worden, zugleich steigen Überraschungsfeministen wie Selenski und | |
Klitschko zu Heldinnen auf. Außenministerin Baerbock brilliert in | |
mannhaftem Trotz gegen Verhandlungen mit dem Bösen, Weltklassechauvi | |
Erdoğan macht den Friedensengel. Ja, „feministische Außenpolitik“ ist mehr | |
und anders als Fraußenpolitik. Ich gebe mir 2023, das genauer zu verstehen. | |
Und was machen die Borussen? | |
Sechster in der Tabelle, neun Punkte hinter Bayern. Jetzt werden | |
irgendwelche Spieler ge- und verkauft, dann passiert so einiges, und am | |
Saisonende sind wir Sechster mit … usw. | |
Die Fragen stellten: Ann-Kathrin Leclère, Doris Akrap, Peter Weißenburger | |
1 Jan 2023 | |
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