# taz.de -- Comickünstler über Workshop in Bremen: „Was Farbe im Comic verm… | |
> Tiefe und Nuance erzielen per Aquarell-Technik: Der | |
> Graphic-Novel-Künstler Gaspard Njock kommt für einen Workshop ans Bremer | |
> Institut Français. | |
Bild: In „Comment faire l'amour avec un n-word…“ thematisiert Gaspard Njo… | |
taz: Dass Sie eine Verwandtschaft von Oper und [1][Comic] behaupten – | |
meinen Sie das Ernst, Monsieur Njock? | |
Gaspard Njock: Aber ja! Ich bin ja nicht nur Comic-Künstler, sondern | |
arbeite als Musikwissenschaftler an der Sorbonne, wo ich [2][die | |
Beziehungen von klanglichen und visuellen Elementen] in Wagner-Opern | |
erforsche. Dabei, aber auch schon zuvor, in meiner Master-Arbeit, habe ich | |
Ähnlichkeiten der gattungsspezifischen Strukturen entdeckt. | |
Nämlich? | |
Die Frage des Rhythmus der Erzählung und der Bilder hat im Comic dieselbe | |
Funktion wie in der Oper. Oder die Farbe, der in der Musik die | |
Instrumentierung entspricht: Das Timbre dient in der Oper der | |
Charakterisierung von Personen und dazu, die Spannung innerhalb der | |
Handlung zu modellieren. Das zeigt, was Farbe im Comic vermag. Sie ist | |
nicht nur ein Schmuck, sondern hat eine erzählerische Funktion. Das | |
diskutiere ich auch in meinem Comic über die Kindheit der Sängerin Maria | |
Callas. | |
Lustigerweise kommt die Oper gerade bei Klassikern der ligne claire in den | |
Blick, in der [3][Karikatur der Sopran-Diva] in Hergés „Tim und Struppi“; | |
oder bei [4][Edgar P. Jacobs], der Comics selbst als „Papieropern“ | |
bezeichnet hat. Diesen Autoren galt Kolorieren aber als niedere Arbeit. Und | |
Ihnen wäre jetzt Farbe im Gesamtkunstwerk Comic wichtiger als die Linie? | |
Es kann keine Hierarchie der Elemente geben, die zusammen die Sprache einer | |
Kunstform bilden. Ein Künstler muss für sich erkennen, welchen Hebel er für | |
seine Zwecke am sinnvollsten betätigt. Es gibt Autor*innen, bei denen die | |
Linie eine grundlegende Funktion für ihre Ästhetik hat. Bei mir variiert | |
das je nach Thema. Bei „Un Voyage sans retour“ habe ich einen sehr | |
impulsiven Strich genutzt, die Farbgebung ist dagegen sehr viel | |
ausgefeilter, als im Callas-Buch. | |
Sie bevorzugen Aquarelltechniken. | |
Das stimmt. Das Aquarell erlaubt, intuitiver zu arbeiten. Das ist eine | |
Technik, die man nicht zu 100 Prozent kontrollieren kann. Diesen | |
Überraschungseffekt liebe ich, dass sich ungeplante Konturen bilden. | |
Ist das Aquarell eine Antwort auf die [5][Tendenz zum rassistischen | |
Stereotyp], die der ligne claire innewohnt und deren Meisterwerke prägt? | |
Es ist wahr, dass die ligne claire eine Kolorierung ohne Zwischentöne | |
begünstigt. Ich nutze diese Technik gelegentlich, allerdings selten. Auch, | |
weil ich aus der italienischen Schule komme, aber vor allem, weil ich es | |
mag, mir die Hände schmutzig zu machen, und weil es ein so schön altmodisch | |
ist Das Papier anzufassen, die vielen Farben, diese sinnliche Seite, die | |
liebe ich. | |
Sie leben in Paris, Sie behandeln die Diva Callas oder den | |
Renaissance-Buchdrucker Aldo Manuzio: Das sind sehr europäische Stoffe. | |
Fühlen Sie sich wohl im Rahmen einer Ausstellung zu „Comics aus Afrika“? | |
Wichtige Frage. Wenn du Autor und Afrikaner bist, wirst du sehr oft zu | |
Inhalt deiner Arbeiten befragt. Man ist total erstaunt, dass ich mich für | |
eine so italienische Figur wie Manuzio interessiere, den Erfinder des | |
Taschenbuchs. Dabei bin ich ja in Rom ausgebildet worden und mache Bücher: | |
Natürlich liegt mir diese Geschichte am Herzen! Andererseits habe ich mit | |
„Un voyage sans retour“ [6][einen Comic geschrieben, der von Migration | |
handelt], – einem Thema, das Afrika betrifft, aber ebenso Europa. | |
Malik, die Hauptfigur, ist in Douala aufgewachsen, überlebt das Mittelmeer, | |
landet in Lampedusa. | |
Allerdings beschäftige ich mich in letzter Zeit mehr und mehr mit den | |
afrikanischen Realitäten, zumal in Kamerun. Und ja, es stimmt: Da gibt es | |
Schönheiten zu erkunden, Kulturen. Der Comic kann diese vielleicht besser | |
als andere Medien transportieren. In meinen künftigen Arbeiten wird es | |
Einblicke in die Art, in Afrika zu leben geben. Es ist wichtig, diesen | |
Kontinent in einer Weise erzählen, von der noch niemand etwas ahnt. | |
30 Nov 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Comic/!t5009912 | |
[2] https://www.iremus.cnrs.fr/fr/theses-en-cours | |
[3] https://tim-und-struppi.fandom.com/wiki/Bianca_Castafiore | |
[4] /Neuauflage-von-Edgar-P-Jacobs-Comics/!5678815 | |
[5] https://www.unesco.org/en/articles/breaking-free-racial-representations-inh… | |
[6] https://www.lemonde.fr/afrique/article/2018/04/20/bande-dessinee-cahier-d-u… | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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