# taz.de -- Grusel in Berlin-Mitte: Schlafen unter der Fahne Nordkoreas | |
> In bester Lage steht auf dem Gelände der nordkoreanischen Botschaft ein | |
> Gebäude leer. Bis zur Pandemie war hier ein Hostel untergebracht. | |
Bild: Wer will hier schlafen? | |
BERLIN taz | Hinter einem der Fenster sieht man stapelweise ausrangierte | |
Matratzen. Ansonsten versperren zugezogene Vorhänge den Blick. Nur irgendwo | |
ganz oben steht ein einzelnes Fenster offen. Vielleicht ist in diesem | |
Zimmer dem sich über Jahre hinweg eingeschlichenen Hostelmief anders nicht | |
mehr beizukommen. | |
Dabei ist das Gebäude, ein riesiger Plattenbau in bester Lage in Berlin und | |
nur ein paar Gehminuten vom Brandenburger Tor entfernt, seit zweieinhalb | |
Jahren gar keine Touristenabsteige mehr. Das City Hostel Berlin wurde mit | |
dem Corona-Ausbruch geschlossen. | |
## Unterstützung fürs Atomprogramm | |
Allerdings hatte die Schließung weniger etwas mit der Pandemie zu tun: Die | |
Bettenburg in Berlin [1][finanzierte mutmaßlich das nordkoreanische | |
Atomprogramm mit], denn sie befand sich mitten auf dem Grundstück der | |
nordkoreanischen Botschaft. Der Pächter, der 435 Betten an Traveller und | |
Low-Budget-Reisende anbot, überwies monatlich um die 40.000 Euro an die | |
Botschaft. Die leitete das Geld wohl direkt weiter nach Pjöngjang. | |
Nach der Wiedervereinigung war die Botschaft, die nur zur DDR, nicht aber | |
zur alten BRD diplomatische Beziehungen unterhielt, erst einmal geschlossen | |
worden. Seit der Neueröffnung Anfang der Nullerjahre ging es los mit dem | |
Hostel, doch jahrelang interessierte sich dafür eigentlich niemand. | |
Erst vor ein paar Jahren, seit der Verschärfung der UN-Sanktionen gegen | |
Nordkorea wegen dessen immer aggressiveren Atomprogramms, schauten sich die | |
deutschen Behörden das Treiben auf dem Botschaftsgelände [2][genauer an]. | |
Was gar nicht so einfach war, schließlich ist es nordkoreanisches | |
Hoheitsgebiet. Trotzdem fanden sie einen Weg, die Schließung anzuordnen, | |
die nach einem längeren Rechtsstreit auch durchgesetzt wurde. | |
## Großer Führer im Schaukasten | |
Steht man nun vor der „Botschaft der Demokratischen Republik Korea“, wie es | |
am Eingang heißt, und die verschlossen ist, fühlt sich das schon ein wenig | |
gespenstisch an. Das Gelände wirkt absolut tot. Keine Menschenseele ist zu | |
sehen und der leerstehende Hostel-Plattenbau hat was von einem Geisterhaus, | |
an dem man in einer sternenlosen Nacht auch nicht unbedingt vorbeigehen | |
möchte. | |
In einem Schaukasten sieht man ein paar Bilder von [3][Nordkoreas großem | |
Führer Kim Jong Un], die freilich auch schon ein paar Jahre alt sind. Sie | |
zeigen den Diktator, umkreist von Kindern und bei bester Laune. Ein | |
Begleittext zu den schon leicht vergilbten Fotos beginnt mit dem Satz: | |
„Alle Kinder Koreas reden den hochverehrten Genossen Kim Jong Un mit Vater | |
an und folgen ihm.“ | |
Als das Hostel noch wirklich ein Hostel war und keine leerstehende | |
Immobilie in bester Lage, wurde dessen leicht unappetitliche | |
Nordkoreaverbindung nicht unbedingt an die große Glocke gehängt. Im | |
Internet preisen immer noch unzählige Übernachtungsportale die Vorzüge des | |
City Hostel Berlin an, ganz so, als könne man hier weiterhin Schlafplätze | |
buchen. Doch über Nordkorea wird da kein Wort verloren. | |
Und die meisten Kommentare, die immer noch einsehbar sind, beschäftigen | |
sich eher mit den miesen Matratzen, auf denen man dort wohl liegen musste, | |
oder loben die sensationellen Preise. Immerhin konnte man hier im | |
Sechserzimmer für gerade mal 10 Euro eine Pritsche bekommen. | |
Schließlich hätte man ja auch Werbung mit ein wenig Nordkorea-Thrill machen | |
können: Übernachten in der Kim-Jong-Un-Suite, das wäre doch ein echter Hit | |
gewesen. Oder man hätte ein typisches Hostelfrühstück mit verwässertem | |
Rührei als Pjöngjang-Breakfast anbieten können. | |
## Verzicht auf Nordkoreakult | |
Aber offensichtlich wollte man hier einfach nur mit einem Billighostel | |
möglichst unauffällig möglichst viel Gewinn machen. Zu viel plakativer | |
Nordkoreakult, selbstironisch dargereicht, hätte wahrscheinlich bloß die | |
Fragen aufgeworfen, die man lieber vermeiden wollte. | |
Wie es nun weitergehen soll mit dem Gebäude, weiß derzeit kein Mensch. Kann | |
man es dem Einfluss Nordkoreas entziehen? Will man das überhaupt angesichts | |
der Gefahr, damit einen diplomatischen Eklat auszulösen mit einem Land, | |
dessen Regierung dazu neigt, sehr dünnhäutig zu reagieren, um dann irgendwo | |
[4][ein paar Frustraketen abzuwerfen]? | |
Der Bezirk Mitte gibt sich jedenfalls ziemlich schmallippig, was Aussagen | |
über das ehemalige Hostel betrifft. Auf taz-Anfrage teilt er mit, man | |
verfüge nicht „über die Möglichkeit, das Grundstück zu entwickeln“, weil | |
dieses „nach wie vor im Eigentum von Nordkorea“ sei. | |
3 Dec 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Hostel-auf-Nordkorea-Botschaftsgelaende/!5657154 | |
[2] /Sanktionen-gegen-Nordkorea/!5409208 | |
[3] /Raetsel-um-Nordkoreas-Diktator/!5678695 | |
[4] /Nordkorea/!t5008169 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
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