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# taz.de -- Sanktionen gegen Nordkorea: Mieteinnahmen für Raketentests?
> Die Bundesregierung will das Berliner „Cityhostel“ auf dem Gelände der
> nordkoreanischen Botschaft schließen. Ein Besuch.
Bild: Das Cityhostel auf dem Gelände der nordkoreanischen Botschaft in Berlin
Von innen wirkt es wie jedes andere Hostel an einem Freitagabend:
Alkoholisierte Postpubertäre in der Lobby, Minipartys im Nebenzimmer. Auf
den Fluren riecht es nach Klassenfahrt und in dem Vierbettzimmer ähnelt die
Luftqualität der aus einer Sportumkleide für MittelstufenschülerInnen.
Hier die Augen zuzubekommen ist aufgrund der Erstickungsgefahr nicht
möglich. Jede Bewegung, jedes Umwälzen, im nicht gerade stabil wirkendem
Alustockbett, kann von den drei Mitbewohnerinnen exakt nachvollzogen
werden. Hostel-Life halt.
Der monolithische Bau des Cityhostels ist ein lieblos zusammengeschüsteter
Betonklotz aus ehemaligen DDR-Zeiten. Doch dieses Cityhostel in
Berlin-Mitte, unweit des Checkpoint Charlies, sei keine gewöhnliche
Nächtigungsmöglichkeit, mutmaßt die Bundesregierung. [1][Das geht aus einer
Recherche von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung hervor.] Das Hostel steht
auf dem Gelände der nordkoreanischen Botschaft in der Glinkastraße.
An einem Mast auf dem Gelände weht eine Flagge Nordkoreas im Wind und in
einem Kasten am Zaun der Botschaft wird dem Interessierten die Kim-Dynastie
erklärt. Seit 2004 pachtet ein privater Geschäftsmann die Immobilie und
betreibt darin das Hostel sowie ein Kongresszentrum auf dem Hinterhof.
## Illegale Devisen
Dafür soll er monatlich knapp 40.000 Euro Miete nach Pjöngjang überweisen
und damit das Atomprogramm des Diktators Kim Jong-un finanziell
unterstützen, so der Vorwurf. Die nordkoreanische Botschaft würde auf diese
Weise internationale Sanktionen umgehen und illegal Devisen ins Heimatland
überweisen. Damit soll nun Schluss sein.
Das Auswärtige Amt stützt sich auf eine Resolution des UN-Sicherheitsrates,
die im November 2016 beschlossen wurde, nachdem das Regime in Pjöngjang den
fünften Atomwaffentest durchführte. In dem Schreiben des
UN-Sicherheitsrates heißt es: „Alle Mitgliedsstaaten sollen es Nordkorea
verbieten, Immobilien, die es auf ihrem Staatsgebiet besitzt oder pachtet,
für andere Zwecke als diplomatische oder konsularische Tätigkeiten zu
nutzen“. Dieses Verbot gilt speziell für Nordkorea. Falls der Betrieb
weitergeführt werden sollte, drohen Strafzahlungen. Um sich juristisch
abzusichern, änderte die Bundesregierung im Vorfeld die sogenannte
Außenwirtschaftsverordnung.
Ivo Almeida, ein portugiesischer Gamedesign-Student, steht im Flur des
Cityhostels neben einem Werbeplakat für das DDR-Stasimusuem. „Von den
Vorwürfen habe ich noch nichts gehört“, sagt er, aber es sei „ziemlich
mies“, wenn seine temporäre Herberge Raketentests eines kommunistischen
Regimes in Nordkorea unterstütze, so der 20-Jährige.
Kann es also sein, dass neben Ivo Almeida auch die taz das Regime von Kim
Jong-un mit dieser einen Buchung im Cityhostel finanziell unterstützt?
## UN-Sanktionen erzwingen Schließung
Der Betreiber des Cityhostels meldete sich in einer Presseerklärung zu Wort
und dementierte die Vorwürfe. Demnach bedauere man es, „zum Spielball der
internationalen Politik geworden und falschen und unhaltbaren
Verdächtigungen ausgesetzt zu sein“.
Der Vorwurf, dass das Hostel Atomprogramme mitfinanziere, sei „völlig
absurd und offenkundig als unwahr zu bezeichnen“, heißt es in dem Schreiben
weiter.
Die Immobilie sei seit der Wende von unterschiedlichen Organisationen für
gewerbliche Zwecke genutzt worden – „mit dem Segen und der Genehmigung des
Auswärtigen Amtes“. Eine Schließung des Hostels wäre „existenzbedrohend,
wenn nicht gar existenzvernichtend“, so die Verfasser.
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es diesbezüglich, dass die EU erst im Februar
das Sanktionsrecht der UN umgesetzt habe, „um Finanzquellen des
Nuklearprogramms noch konsequenter austrocknen“. Damit sei die Schließung
rechtens und Verträge aus der Vergangenheit dürften gekündigt werden, sagt
ein Sprecher der taz.
Der Nordkoreaexperte Rüdiger Frank vom Institut für Wirtschaft und
Gesellschaft in Ostasien an der Universität Wien hält die Schließung des
Hostels aus verschiedenen Gründen für falsch. Die internationale
Staatengemeinschaft nehme Nordkorea dadurch eine der wenigen verbliebenen
Möglichkeiten, auf legalem Wege Geld zu verdienen. „Da die Nordkoreaner
jedoch auf Devisen angewiesen sind, werden sie verstärkt auf die illegale
Beschaffung angewiesen sein“, sagt er.
## Sonnenschein-Politik
Frank, der selbst regelmäßig nach Nordkorea reist, hält Sanktionen
grundsätzlich für den falschen Weg. „Zwar ist die Bedrohung durch das
Atomwaffenprogramm genauso real wie die katastrophale Menschenrechtslage.“
Trotzdem plädiert er für die Reaktivierung der sogenannten
Sonnenschein-Politik. Diese geht von einem Wandel durch Annäherung aus.
„Wir sollten diesen Umgang mit Nordkorea unterstützen – das passt auch
besser zu unseren europäischen Werten als die Politik der
Gesprächsverweigerung und der harten Hand“, so der Experte.
Nach einigen Stunden und vergeblichen Einschlafversuchen im Vierbettzimmer
kapituliert der Autor dieser Zeilen mitten in der Nacht und schläft lieber
daheim ums Eck. Ein letzter Gang durch den Flur, dann fällt die schwere
Glastür im 1. Stock gaaanz langsam zu. So muss das Geräusch geklungen
haben, als der Stahlrumpf der Titanic den Eisberg streifte. Es bleibt bei
einem „one night“ mit Pjöngjang.
15 May 2017
## LINKS
[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/nordkoreanische-botschaft-in-berlin-beim…
## AUTOREN
Milan Panek
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