| # taz.de -- Internet im Gefängnis: Ein Fenster nach draußen | |
| > Die JVA Lichtenberg bekommt als erstes Gefängnis in Deutschland | |
| > Internetzugang für Gefangene. Für die wird der Kontakt zur Außenwelt | |
| > künftig billiger. | |
| Bild: Künftig sollen alle Berliner Häftlinge in ihrer Zelle im Internet surfe… | |
| Berlin taz | Ein schmales Bett, ein Schrank, ein Schreibtisch und ein | |
| kleines Bad, mehr befindet sich nicht in der rund zwölf Quadratmeter großen | |
| Zelle im Frauengefängnis in Lichtenberg. Seit Neustem kommt zu der | |
| spärlichen Ausstattung und dem Blick aus dem vergitterten Fenster noch die | |
| weite Welt des Internet hinzu. | |
| Seit dem 1. Dezember ist die JVA Lichtenberg als erstes Gefängnis in | |
| Deutschland mit einem Mediensystem in Hafträumen ausgestattet. Damit können | |
| die Gefangenen in ihrer Zelle Videotelefonate führen, ausgewählte | |
| Internetseiten ansteuern oder Filme schauen. | |
| Als „sehr wichtigen und einzigartigen Schritt“ bezeichnet Justizsenatorin | |
| Lena Kreck (Linke) bei der Vorstellung am Mittwoch die Digitalisierung der | |
| Berliner Haftanstalten, die bis Oktober nächsten Jahres in allen | |
| Gefängnissen abgeschlossen sein soll. „Wir nehmen den | |
| Resozialisierungsauftrag ernst“, so Kreck. Dazu gehöre, das Leben in Haft | |
| dem Leben außerhalb der Mauern anzupassen. Und das ist ohne Internetzugang | |
| kaum noch vorstellbar. | |
| Seit 2016 arbeitet ein Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts an der | |
| sicheren Digitalisierung von Gefängnissen. Zwei Jahre wurde in [1][der JVA | |
| Heidering im brandenburgischen Großbeeren] getestet, wie Gefangene im Netz | |
| nach Jobs oder Wohnungen suchen oder sich weiterbilden können, ohne dabei | |
| etwa ihre Flucht planen oder kriminellen Geschäften nachgehen zu können. | |
| ## Soziale Medien und öffentliche Chats sind gesperrt | |
| Herausgekommen ist ein Bildschirm mit einem Kachelsystem, über das die | |
| Insass*innen per Touchscreen zwischen den Kategorien Unterhaltung, Büro, | |
| Kommunikation und Selbstverwaltung wählen können. | |
| Frei im Internet surfen können sie dabei allerdings nicht, lediglich eine | |
| eingeschränkte Auswahl an Webseiten, wie die des Landes Berlin, der | |
| öffentlichen Bibliotheken oder der Arbeitsagentur, sind verfügbar. Die | |
| Auswahl sei im Forschungsprojekt gemeinsam mit den Gefangenen getroffen | |
| worden und werde stetig erweitert, heißt es. | |
| Soziale Medien sind allerdings gesperrt, auch Youtube, Netflix oder | |
| Spotify sucht man vergeblich. Auch die E-Mail-Funktion ist noch nicht | |
| freigeschaltet. „Wir erproben das System noch“, sagt Susanne Gerlach von | |
| der Senatsjustizverwaltung, als die Technik bei der Vorstellung prompt | |
| abstürzt. | |
| Für die Gefangenen sei die Digitalisierung ein unglaublich wichtiger | |
| Schritt, sagt Anstaltsleiterin Bärbel Bardarsky. Insbesondere der Kontakt | |
| zu den Angehörigen sei „wahnsinnig wichtig“. Der wird durch das neue System | |
| wesentlich günstiger: Mussten die Häftlinge zuvor 7 Cent pro Minute ins | |
| deutsche Festnetz zahlen, sind es nun nur noch 3 Cent. | |
| ## Videotelefonate sind besonders teuer | |
| Fernsehen kostet mit knapp 14 Euro im Monat einen Euro weniger als zuvor, | |
| ein Basis-TV-Programm, Informations- und Bildungsangebote sowie vereinzelte | |
| Spiele wie Angry Birds oder Tetris gibt es umsonst. Die neue Möglichkeit | |
| der Videotelefonie kostet dafür stolze 20 Cent die Minute. | |
| In der knappen Woche, die es das Mediensystem bisher im Frauengefängnis | |
| gibt, seien Videotelefonate daher bislang wenig genutzt worden, sagt | |
| Bardarsky. Auch fehle einigen Häftlingen noch die nötige Medienkompetenz. | |
| Alles in allem seien die Frauen jedoch froh über die neuen Möglichkeiten | |
| und würden diese fleißig ausprobieren. | |
| Die digitale Kommunikation nach außen kann dabei jederzeit überwacht | |
| werden, das geschehe aber nicht flächendeckend. Nirgendwo sonst gebe es ein | |
| so umfassendes Mediensystem in Hafträumen, zeigt sich Susanne Gerlach von | |
| der Senatsjustizverwaltung stolz. So werde in anderen Ländern höchstens mit | |
| gespiegelten Webseiten gearbeitet, also einer Kopie der Original-Webseite. | |
| „Wir bekommen Anfragen aus anderen Ländern, die mit Interesse verfolgen, | |
| was wir hier machen“, sagt Gefängnisleiterin Bardarsky. | |
| Ob das System auch standhält, wenn Hunderte Gefangene auf einmal darauf | |
| zugreifen, wird sich zeigen. Denn bei der Digitalisierung der Berliner | |
| Knäste gibt noch einiges zu tun: „Bis wir in allen Haftanstalten | |
| Internetkabel haben, werden noch einige Jahre vergehen“, so Gerlach. Bis | |
| dahin müssen es die langsameren Koaxialkabel tun. | |
| ## Kosten für Technik und Wartung zahlen die Gefangenen | |
| Für die nötige technische Infrastruktur sorgt das Land Berlin, betrieben | |
| wird das Knast-Internet von der Firma Telio. Die besitzt in deutschen | |
| Gefängnisanstalten eine Art Monopol für die Gefängniskommunikation und kann | |
| so die Preise quasi diktieren. Das bekommen vor allem die Häftlinge zu | |
| spüren, die das Mediensystem über ihre Beiträge selbst finanzieren müssen. | |
| Die Steuerzahler*innen kostet das Ganze nichts. | |
| Dass die Gefangenen die Kosten für Wartung und Technik – und natürlich die | |
| satten Gewinne des Unternehmens – selbst bezahlen müssen, findet man in der | |
| Justizsenatsverwaltung nur gerecht. „Das ist in Freiheit ja auch so“, sagt | |
| Gerlach. | |
| Nur dass die [2][Menschen hinter Gittern wesentlich weniger verdienen]: | |
| Zwischen 1,37 Euro und 2,30 Euro beträgt aktuell der Stundenlohn für | |
| Strafgefangene, je nach Qualifikation. Ob das zulässig ist, entscheidet | |
| demnächst das Bundesverfassungsgericht. Bis dahin müssen die Frauen in der | |
| JVA Lichtenberg für rund zehn Minuten Videochat mit ihren Liebsten noch | |
| eine ganze Stunde arbeiten gehen. | |
| 8 Dec 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Marie Frank | |
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