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# taz.de -- Nach Bierhoff-Aus beim DFB: Hansi, der Große
> Nach dem Rücktritt von Sportdirektor Oliver Bierhoff könnte Hansi Flick
> der starke Mann beim DFB werden. Trotz des WM-Aus ist seine Lage
> komfortabel.
Bild: Fußballlehrer Flick beim Training mit seinen Spielern in Katar
War das Trauerarbeit oder schon Machtpoker? Am Dienstag ließ Hansi Flick
offen, ob er weiterhin als Bundestrainer für den Deutschen Fußball-Bund
arbeiten wird. „Meinem Trainerteam und mir fällt im Moment die Vorstellung
schwer, wie die durch Olivers Ausscheiden entstehende Lücke fachlich und
menschlich geschlossen werden kann“, erklärte der 57-Jährige in einer
Stellungnahme zum Abgang seines Vorgesetzten und langjährigen Mentors. Oder
wie Flick selbst schrieb: „mein erster Ansprechpartner und Freund“.
Flick befindet sich in einer seltsamen Situation. Obwohl er die sportliche
Hauptverantwortung trägt, flogen nach dem WM-Vorrundenaus die Pfeile der
Kritik in weiter Ferne von ihm. Sie richteten sich alle auf den
[1][DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff,] der sich den allgemeinen Unmut
gegen ihn über Jahre erarbeitet hatte. Für die aktuellen Unstimmigkeiten
auf dem Platz schienen sich die Analysten nur am Rande zu interessieren.
Und Flick könnte als größter Gewinner aus dem WM-Scheitern seines Teams
hervorgehen. Denn die von Flick nun angesprochene große Lücke, die Bierhoff
hinterlässt, kann er möglicherweise selbst füllen.
Ohne die Zustimmung des Bundestrainers wird der DFB kaum jemanden als
Bierhoff-Nachfolger installieren können. Und sollte die Verbandsspitze in
Erwägung ziehen, die Machtfülle, die Bierhoff zuletzt besaß, auf mehrere
Köpfe zu verteilen, würde der Bundestrainer künftig ein noch größeres
Gewicht im Gesamtkonstrukt zukommen.
Die zögerliche Haltung von Flick ist auch aus machtstrategischer
Perspektive also äußerst sinnvoll. Zumal für den DFB die Ablösung dieses
Trainers, der mit dem FC Bayern alle erdenklichen Titel binnen kürzester
Zeit gewann, zu kostspielig sein dürfte. Sein Vertrag bis 2024 wird
jährlich nach Angaben des Finanzportals Finance Football mit 6,5 Millionen
Euro vergütet. So gut wird kein anderer Trainer bei dieser
Weltmeisterschaft entlohnt. Selbst der französische Weltmeistertrainer
Didier Deschamps liegt mit 3,8 Millionen Euro weit drunter.
## Offensichtliche Mängel
Das mit dem Neuanfang beim DFB-Team ist eine komplizierte Angelegenheit.
Bei d[2][er Analyse des WM-Scheiterns] zeigte sich Hansi Flick bislang
öffentlich wenig selbstkritisch. Zweifellos hatte sein Team offensiv schöne
Akzente bei diesem Turnier gesetzt, wenn man die fehlende Effizienz einmal
außer Acht lässt. Die offensichtlichen Mängel in der Verteidigungsarbeit
wollte Flick aber nicht als ein Problem der Gegenwart verstanden wissen. Er
beklagte nach der Partie gegen Costa Rica, dass man seit Jahren schon über
spielstarke Außenverteidiger und abschlussstarke Stürmer spreche, diese
aber nicht habe. „Wir brauchen die Basics in der Ausbildung.“
Was er in diesem Moment geschickt unterschlug, war seine Tätigkeit als
Sportdirektor des DFB von September 2014 bis Januar 2017, wo er für die
Nachwuchsarbeit im Verband verantwortlich war und einiges in diese Richtung
hätte anschieben können. Aufgenommen wurde er in den von Bierhoff
geschaffenen Kosmos des Nationalteams bereits 2006 nach der WM im eigenen
Land. Und seine Bescheidenheit und Loyalität, eine seiner
herausstechendsten Eigenschaften neben den fachlichen Fähigkeiten, dürfte
ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass er als Assistenztrainer von Jogi
Löw eingestellt wurde.
Flick hat [3][seine zurückhaltende Art als Cheftrainer] des DFB-Teams nie
abgelegt. Auch das dürfte ein Grund sein, weshalb ihn bislang so wenige
Kritiker ins Visier nehmen und ihn eher als Opfer denn als Macher sehen
wollen. Als Hansi Flick beim FC Bayern München die Chefposition übernommen
hatte, wurde der mit einem gewissen Geltungsdrang ausgestattete
Sportvorstand Hasan Salihamidžić für all das zur Zielscheibe, was weniger
gut im Verein lief.
Vor dem Abgang von Bierhoff hat Flick in den letzten Tagen Gedanken an
seinen möglichen Abtritt noch als abwegig abgetan. In einem
verbandsinternen Interview erklärte er: „Von meiner Seite gibt es keinen
Grund, nicht weiterzumachen. Mir macht es Spaß, wir haben gute Spieler, die
nachkommen, an mir wird’s nicht liegen.“ So unbefangen haben noch wenige an
ihrer Aufgabe gescheiterte Trainer die Frage nach Konsequenzen beantwortet.
Hans-Dieter Flick, der allen nur in der Verkleinerungsform „Hansi“ vertraut
ist, könnte ganz groß werden im Machtvakuum, das sich beim DFB seit
Montagabend aufgetan hat. Seine Situation ist mehr als komfortabel.
Entweder folgt er nun als loyaler Teamplayer Oliver Bierhoff, obwohl sich
derzeit wenige eine bessere Alternative als Trainer des deutschen
Nationalteams vorstellen können. Oder er bleibt mit größerer
Gestaltungsmacht. Einen Preis hätte dieser Aufstieg allerdings schon. Die
Pfeile der Kritik dürften sich künftig auf Flick richten.
6 Dec 2022
## LINKS
[1] /Abgang-von-DFB-Teammanager-Bierhoff/!5896744
[2] /Analyse-zum-WM-Aus-des-DFB-Teams/!5899867
[3] /Die-Staerken-des-FC-Bayern-Trainers/!5689376
## AUTOREN
Johannes Kopp
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