# taz.de -- Kunst von „Außenseiter*innen“ in Köln: Nicht Mann, nicht Frau… | |
> Der Kölnische Kunstverein versammelt elf Künstler:innen der | |
> sogenannten Outsider Art. Die Genrebezeichnung ist obsolet, die Kunst | |
> aber relevant. | |
Bild: August Walla stellte 1987 „Gott Zebaoth“ die Göttinnen Maria und Ros… | |
„Anleitung zum beschwingten Gehen“ – der Untertitel der Ausstellung „Ga… | |
of No Games“ ist von einem Gemälde Dietrich Orths geborgt. Dessen | |
sogenannten Funktionsbilder aus den späten 1980er Jahren erinnern mit ihren | |
einfachen, in monochromen Flächen aufgetragenen Figuren an die Kölner | |
Progressiven, an Pop-Art, auch an Diagramm-Darstellungen. Imaginäre, aber | |
handliche Lösungen zu größeren Problemen sollen sie liefern. Den Titel trug | |
Dietrich Orth oft in einem knappen Satz auf die Leinwand auf. | |
Entstanden sind diese Bilder nach einer Maltherapie, die Orth in einer | |
psychiatrischen Anstalt begann – zeitlebens kämpfte er mit schweren | |
Psychosen. Die drei Gemälde, mit denen der 2018 verstorbene Orth jetzt | |
neben zehn weiteren Künstler*innen im Kölnischen Kunstverein vertreten | |
ist, stehen exemplarisch für den Ansatz dieser aufregenden Schau. | |
Konzipiert und kuratiert haben „Game of No Games“ die Direktorin des | |
Kunstvereins, Nikola Dietrich, und die ehemalige Galeristin und heutige | |
Sammlerin Susanne Zander. | |
## Jahrelang misstrauisch beäugt | |
Seit fast 35 Jahren gilt Zander als wichtige Vermittlerin für „Outsider | |
Art“ oder [1][„Art Brut]“. Lange Zeit arbeitete sie mit ihrer Galerie – | |
erst alleine, später mit Nicole Delmes – an der Anerkennung von Positionen, | |
denen aus vielerlei Gründen kein Zugang zur Kunstwelt gewährt wurde. Einige | |
der vertretenen Künstler*innen (unter ihnen Dietrich Orth) wurden | |
jahrelang vom Kunstbetrieb nur misstrauisch beäugt. Bei Susanne Zander | |
fanden ihre Werke Beachtung und weckten dann auch beim Kunstmarkt und dem | |
institutionellen Ausstellungsbetrieb Interesse. | |
Bei den elf Künstler*innen von „Game of No Games“ handelt es sich um | |
disparate Positionen von den späten 1960er Jahren bis heute, die man früher | |
unter dem Label „Outsider Art“ subsumiert hätte. Doch den beiden | |
Kuratorinnen ist daran gelegen, dieses „Genre“ – das bei genauer | |
Betrachtung nie eines war – zu nivellieren. Der Sammelbegriff „Outsider | |
Art“ war ein notwendiges Übel, um die Künstler*innen überhaupt auf dem | |
Markt zu etablieren, heute scheint er in seiner Überbetonung des | |
Außenseiter-Daseins überkommen. So heißt es neue Klammern zu finden, die | |
diese Ausstellung im Inneren zusammenhalten. | |
## Kunst mit Identitätswechsel | |
Da sind etwa die knapp 300 Aktenordner der Adelhyd van Bender, die 1950 als | |
Harald Bender geboren wurde. Nach der Zwangsexmatrikulation 1976 von der | |
Berliner Hochschule der Künste (und einer späteren Entmündigung) | |
intensivierte Bender die künstlerische Arbeit. Abertausende Blätter voller | |
Zeichnungen, grafischer Ausarbeitungen, Collagen und einer eigenen Sprache | |
befinden sich in den Aktenordnern. In ihrer erschöpfenden Arbeit erinnert | |
van Bender durchaus an Hanne Darboven. | |
Den Identitätswechsel, den Bender vorgenommen hat, findet man bei der | |
Münchnerin Rabe perplexum wieder. Als Manuela Hahn 1956 in München geboren, | |
erlangte Rabe perplexum in den Achtzigern vermehrte Bekanntheit in der | |
bayerischen Landeshauptstadt. Ihr Auftreten war von Punk beeinflusst; | |
Lederjacke, Sicherheitsnadeln und gefärbte Haare inklusive. | |
Mit Malerei, aber vor allen Dingen mit Performances sorgte sie [2][im | |
wilden Münchner Underground] für Furore – ganz nebenbei trat sie in den | |
Kampf gegen die binärgeschlechtliche Ordnung, nahm den Namen Rabe perplexum | |
an und erlebte zusehends die Gesellschaft als gewaltvoll gegenüber | |
„Außenseiter*innen“ – sie nahm sich 1996 das Leben. Die Schau zeigt auch | |
ihren Film „Tape 12 – die Welt der Sonderschülerin Heidi S“. 450 Videos … | |
Rabe perplexum hinterlassen. | |
## Keine „Freak-Show“ | |
Ob die Positionen nun zu schrill oder zu nah an der Manie waren – wer den | |
bis heute anhaltenden Konservatismus der Kunstwelt kennt, registriert | |
schnell die vielen Gründe, die den gezeigten Künstler*innen den Weg zum | |
Markt verschlossen haben. Eine Vita wie jene von Lee Godie, die 1968 | |
freiwillig obdachlos wurde und fortan die Stadt Chicago als ihr Atelier | |
verstand, war lange Zeit nicht im Betrieb existent. Die ausgestellten | |
Porträts zeigen, wie Lee Godie mit nur wenigen Linien und simplen | |
Materialien – kolorierte Fotografien, Papier, zusammengenähte Leinwände | |
oder Kissenbezüge – andere Menschen sehr individuell und empathisch | |
darstellen konnte. | |
„Game of No Games“ ist keine „Freak-Show“; die elf Künstler*innen werd… | |
hier nicht ob ihrer Randständigkeit gezeigt. Auch wenn die Ausstellung | |
immer wieder darstellt, wie der Kunstbetrieb diese Künstler*innen und | |
ihre Werke ausgeschlossen hat, gibt man sich in Köln nicht dem Melodrama | |
hin. Vielmehr werden Rabe perplexum, van Bender etc. als relevante | |
Künstler*innen präsentiert, deren Werke uns was zu erzählen haben. | |
8 Dec 2022 | |
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## AUTOREN | |
Lars Fleischmann | |
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