# taz.de -- Neues Album von Mount Kimbie: Vier Fäuste und zwei Hallelujas | |
> Das britische Elektronikduo Mount Kimbie sendet ein neues Lebenszeichen. | |
> Wie gut harmoniert es auf dem Album „MK 3.5: Die Cuts | City Planning“? | |
Bild: A- und B-Seite von „MK 3.5“: Kai Campos und Dominic Maker sind Mount … | |
Duos, so scheint es, müssen eine symbiotische Lebensform darstellen, die | |
frei von Brüchen und Konflikten zu bleiben hat, da sie – so die landläufige | |
Meinung – ohnehin immer vor dem Zusammenbruch und der Trennung stehen. | |
Negativbeispiel dafür bietet gerade die Popgeschichte reichlich: Bei Sonny | |
& Cher, aber auch bei Ike & Tina Turner trennten sich (aus guten Gründen) | |
Liebespaare; bei Simon & Garfunkel wie auch bei Hall & Oates [1][dissonante | |
Duos mit unterschiedlichen Ambitionen – und Künstler-Egos]. | |
Etwas anders verhält sich die Situation beim US-Rapduo Outkast, das sich | |
mit seinem Meisterwerk wider Willen „Speakerboxxx/A Love Below“ zwar | |
musikalisch auseinandergelebt hatte, dennoch fortfuhr. Vielleicht dürfen | |
wir das mehrfach mit Gold ausgezeichnete Album von 2004 auch als Blaupause | |
nehmen für jenes ambivalente Werk, das das britische Duo Mount Kimbie | |
abliefert. | |
Sein neues Album verwirrt schon mit dem Titel: „MK 3.5: Die Cuts | City | |
Planning“. Rekapitulieren wir vorneweg nochmal: [2][Kai Campos und Dominic | |
Maker], der eine aus Cornwall, der andere aus Brighton, finden 2008 in der | |
englischen Hauptstadt zueinander, beginnen mit cluborientierten Tracks, die | |
zusammen mit den Songs ihres Freundes James Blake den „Post-Dubstep“-Trend | |
der späten nuller Jahre definieren sollten. | |
## Zeitlupenpop und Clubmusik | |
Ihr Debütalbum „Crooks & Lovers“ (2010) war ein Überraschungserfolg, der … | |
in etliche Jahrescharts schaffte: Sie vermengten damals Bassmusik-Entwürfe | |
aus dem Hessle-Audio-Umfeld, die Ausläufer der Dubstep-Klasse 2005 und | |
tanzflächenorientierten House-Sound zu einem mitreißenden Dancesound. | |
Fortan galten [3][Mount Kimbie] als geschmackssichere Produzenten, die | |
daraufhin den Spagat meisterten, mit King Krule Zeitlupenpop zu basteln und | |
sich dennoch intensiv der Clubmusik zu verpflichten. | |
Das ging so bis 2017, als „Love What Survives“ beim Sheffielder | |
Power-Label Warp erschien: Hatten sich Campos und Maker längst für Songs | |
und gegen Tracks entschieden und ihre Produktionstechniken verfeinert, | |
irritierte das dritte Werk dennoch die Stammhörer*innenschaft. Es war für | |
viele das Popalbum des Jahres. | |
Zur Band gereift, hatte man runde Musik veröffentlicht, die die Stimme von | |
Gastsängerin Andrea Balency inkorporierte, teutonischen Krautrock | |
aufgesogen hatte und dennoch nach Mount Kimbie klang. Nach erfolgreicher | |
Tour in Bandgröße und ausverkauften Hallen wurde es still, was wegen der | |
weltweiten Pandemie kaum aufgefallen ist. | |
Nun also „MK 3.5: Die Cuts | City Planning“: Wer eine Fortführung des | |
Band-Sounds erwartet, darf enttäuscht sein: Nicht nur die Bandkonstellation | |
wurde aufgelöst, gleich das ganze Duo; so scheint es jedenfalls. Statt | |
gemeinsamer Musik hört man hier auf der einen Seite die Produktionen des | |
mittlerweile in Los Angeles wohnenden Dom Maker; auf der anderen dann jene | |
aus den Händen Kai Campos’. | |
## Parallelen zu Outkast | |
Das erinnert nicht nur im Aufbau an die Vorbilder von Outkast, es lassen | |
sich auch weitere Parallelen finden: Makers Ansatz ist, so wie jener von | |
Big Boi, maßgeblich von HipHop und Rap inspiriert. Die Beats sind jazzig, | |
durchaus auch mit düsterer Atmosphäre versehen, zwischen somnambul und | |
sublim changierend. Mit Gastauftritten des Weird-Rappers Danny Brown und | |
der Stilikone Slowthai aufwartend, wird sofort bemerkbar, dass | |
Mainstream-Produktionen aus den Staaten Pate standen. | |
Trotzdem bietet Mount Kimbie auch 2022 genügend Platz für kindliche | |
Träumereien, wie jene, die von Kučka vorgetragen wird: Sie erzählt von dem | |
infantilen Selbstentwurf als zukünftiger Rennfahrer („f1 racer“). Maker | |
bedient sich einer eigenen Produktionsweise, die er „Die Cuts“ nennt und | |
die sich auch im Albumtitel niederschlägt. Kurzum ist es eine analytische | |
Bauweise für seine Instrumentals, die hauptsächlich auf Samples basiert. | |
Viel mehr im Fluss und im Moment bewegt sich „City Planning“, die von Kai | |
Campos beigesteuerten Kompositionen. Eine Seite voller Hoffnung, obgleich | |
hier die Töne der Nacht überwiegen. Clubtunes und treibende Loops; an | |
Dubtechno geschult und mit modernen House-Produktionen inklusive feiner | |
Underground-Noten vermählt. Campos denkt nicht vom fertigen Song her, | |
sondern bietet eher Momentaufnahmen, kurze Hooks und Skizzen – beizeiten | |
wirken seine elf Tracks eher wie Demos und Klangexperimente, die dann als | |
Mount Kimbie noch in Form gebracht werden müssten. | |
## Ein Zwischenschritt? Ein Ende? | |
Es stellt sich zwangsläufig die Frage: Was ist denn nun der Status quo bei | |
einem der interessantesten Duos des letzten Jahrzehnts? Steht eine Trennung | |
bevor, oder ist „MK 3.5: Die Cuts | City Planning“ ein Zwischenschritt, ein | |
notgedrungenes Lebenszeichen nach fast fünf Jahren Wartezeit? | |
Der Titel gibt Anlass zur Hoffnung, denn da, wo man sein aktuelles Werk als | |
„3.5“ bezeichnet, steht doch eine Nummer 4 in den Startlöchern, oder? Wäre | |
zu hoffen, denn diese eigenwillige Musik wird dem innovativen Werk des Duos | |
Mount Kimbie dann trotz aller netten Ideen nicht vollständig gerecht. | |
29 Nov 2022 | |
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## AUTOREN | |
Lars Fleischmann | |
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